Original article

Einfluss der Leistungsfähigkeit auf die ­Belastungsempfindung

Benedikt A. Gasser1, Roman Lischer2, Christian Nyfeller2, Hans H. Hoppeler1, Pius Disler2
1 SWISS HEALTH & PERFORMANCE LAB, Institut für Anatomie, Universität Bern
2 Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, Studiengang Bewegung und Sport, Postfach, 6000 Luzern

Abstract

This study aimed to investigate the relationship between the ability to perceive an Exertion quantified through BORG-Scale (6-20) and endurance level. Therefore 16 females and 28 males completed a lactate performance diagnostic as well as a 5000 meter course. Subjective Perception of effort was quantified according to BORG Scale (6-20). Participants were sex-divided and grouped in well endurance trained participants and not endurance trained participants. The analysis showed no clear differences between the two groups. Generally, lactate showed a closer correlative relationship with subjective perceived exertion than heart rate. Only smallest differences could be detected concerning the adequance to tax a physical effort, whereby non-trained group taxed tightly better. Hints for such results can be found in other investigations, whereby reasons for the loos of the ability to perceive an exertion remain unclear. For our sample, this might be caused, through the fact that well-trained participants already had experience with for example heart frequency gear and as a consequence of trainings with this equipment a loss in the ability to adequate perceive an exertion resulted.

Zusammenfassung

Diese Arbeit hatte zur Zielsetzung, den Zusammenhang zwischen der Fähigkeit eine Belastung einzuschätzen und der Leistungsfähigkeit bei einer im Alltag polysportiv tätigen Gruppe von Probanden zu untersuchen. Dazu absolvierten 16 weibliche und 28 männliche Probanden eine komplette Laktatleistungsdiagnostik sowie einen 5000-Meter-Lauf. Die subjektive Belastungsempfindung wurde anhand der BORG-Skala (6–20) quantifiziert. Die anschliessende Auswertung anhand von vier jeweils geschlechtsgetrennten Gruppen der spezifisch ausdauertrainierten und nicht-spezifisch ausdauertrainierten Gruppe zeigte keine wesentlichen Unterschiede bezüglich der Adäquanz der Einschätzung einer Belastung aufgrund der Parameter Laktatkonzentration im Blut und Herzfrequenz. Das Laktat wies dabei tendenziell einen engeren Zusammenhang auf zur subjektiven Belastungsempfindung als die Herzfrequenz. Lediglich ein sehr geringer Unterschied bezüglich der Genauigkeit des Einschätzens konnte zugunsten der weniger ausdauerstarken Gruppe festgestellt werden. Solche Hinweise wurden auch schon in anderen Untersuchungen gefunden, wobei die Begründungen für die Abnahme der Einschätzungsfähigkeit mit zunehmendem Trainingsausmass unklar zu sein scheinen. Für unsere Stichprobe könnte dies dadurch verursacht sein, dass die ausdauerstärkere Gruppe eher Erfahrung mit technischen Geräten hatte wie beispielsweise Herzfrequenzmessgeräten und somit ein gewisser Rückgang der Einschätzungsfähigkeit einer physischen Belastung resultierte.

Einleitung

Im Rahmen dieser Untersuchung interessierte der Zusammenhang zwischen der Ausdauerleistungsfähigkeit und der subjektiven Belastungsempfindung quantifiziert durch die BORG-Skala und dem leistungsmässigen Korrelat gemessen mit den klassisch physiologischen Messparametern Herzfrequenz und Laktatkonzentration im Blut. Das Laktat als auch die Herzfrequenz sind wichtige Parameter zur Quantifizierung der individuellen Ausdauerleistungsfähigkeit [1]. Ausdauer stellt die Fähigkeit dar, physisch und psychisch lange einer Belastung zu widerstehen, deren Intensität und Dauer letztlich zu einer unüberwindbaren (manifesten) Ermüdung (=Leistungseinbusse) führt [1]. Ausdauer kann in unterschiedliche Typen aufgeteilt werden, wobei für diese Arbeit vor allem die Mittel- und Langzeitausdauer entscheidend ist [1,2]. Um die subjektive Belastungsempfindung einer Anstrengung zu quantifizieren, wird mittlerweile standardmässig die BORG-Skala (6–20) verwendet[3]. (Abb. 1).

Abbildung 1
Abbildung 1: die 15-stufige BORG-Skala (6–20)

Die BORG-Skala stellt heute ein bekanntes und valides Instrument zur Quantifizierung der subjektiven Belastungsempfindung dar [3,4,5,6,7,8,9,10,11]. Die BORG-Skala hat sich in vielen Bereichen durchgesetzt, wobei man davon ausgeht, dass heute rund eine Million Probanden mit dieser Skala pro Jahr untersucht werden [3]. Leitlinien der gängigen und etablierten internistischen Gesellschaften wie beispielsweise der American Heart Association beinhalten die BORG-Skala und verdeutlichen damit die Wichtigkeit dieses Instrumentariums [3].
Insbesondere im Ausdauersport aber auch im Krafttraining ist die BORG-Skala mittlerweile Standard zur Einschätzung einer subjektiv erlebten Belastung [3,12,13,14,15]. Die Einschätzung einer Belastung scheint für Athleten des Profibereiches unerlässlich. Gute Ausdauerathleten laufen oft nur nach Gefühl. Bekannt sind die Kenianer, welche oft über ein seit der Kindheit entwickeltes und gut aufgebautes Körpergefühl verfügen und bei wichtigen Wettkämpfen wie Olympiaden oder Weltmeisterschaften auf dieses zurückgreifen [17]. Die Vermutung ist naheliegend, dass die Fähigkeit der Wahrnehmung einer physiologischen Leistung ein lernbares Element darstellt. So konnten Soriano-Maldonado et al. (2004) im Rahmen ihrer Untersuchungen für das Indoor-Cycling für eine Population erfahrener Athleten einen Zusammenhang zwischen den BORG-Werten und der gemessenen Herzfrequenz von 0.59 bis 0.67 zeigen, wobei sich diese Werte nach Applikation eines Lernprotokolls auf 0.85 respektive 0.95 erhöhten [18]. Die Fähigkeit zur Quantifizierung von einer subjektiv erlebten Anstrengung scheint aufgrund des gesagten bei erfahrenen Athleten grösser zu sein als bei Normalpersonen [18]. Auch in der Schweiz wurde das subjektive Belastungsempfinden schon relativ früh als diagnostisches Element erfasst und zur Quantifizierung für Ausdauerleistungen untersucht. Held et al. (1997) wiesen im Rahmen der Entwicklung eines neuen leistungsdiagnostischen Verfahrens schon relativ früh auf potenzielle Probleme des Parameters der subjektiven Belastungsempfindung gemessen durch die BORG Skala als leistungsdiagnostisches Element hin [19]. In einer weiteren Untersuchung konnte ein Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Wirksamkeit eines Trainings (Selbstwirksamkeit – wie viel nützt ein Training) und dem Einschätzen mit der BORG-Skala festgestellt werden [20]. Skatrud et al. (2011) stellten im Rahmen ihrer Untersuchung der subjektiven Belastungsempfindung signifikante Unterschiede fest zwischen Personen, die als Athleten und solchen welche als Nicht-Athleten klassifiziert wurden [21]. So war die Odds-Ratio für einen Athleten bezüglich des Unterschätzens einer Belastung mit 3,67 bedeutend grösser als für einen Nicht-Athleten (95% Konfidenzintervall = 1.48, 9.11). Hassmen (1990) untersuchte für vier Gruppen mit je 6 Individuen (Velofahrer spezifisch trainiert, Velofahrer nicht spezifisch trainiert, Läufer nicht spezifisch trainiert, Läufer spezifisch trainiert) die Laktatkonzentration im Blut, die Herzfrequenz und die RPE-Skala während dem Laufen respektive Velofahren [22]. Bezüglich des Zusammenhangs der Parameter Herzfrequenz, Laktatkonzentration im Blut und RPE konnte festgestellt werden, dass zwischen der Gruppe der spezifisch trainierten Individuen und den nicht spezifisch trainierten eine Abweichung im Antwortverhalten für die BORG-Skala festgestellt werden konnte, wobei der Schluss zulässig ist, dass nicht nur die physiologischen Parameter beeinflusst werden, sondern auch die Wahrnehmung einer geleisteten Arbeit sich mit dem Übergang zum spezialisierten Athleten verändert [22]. Smutok et al. (1980) untersuchten für zehn Probanden die Validität der BORG-Skala auf dem Laufband bei 4.7, 6.5, 9.7, 11.3, und 12.9 km/h und stellten dabei fest, dass insbesondere im tiefen Aktivitätsbereich, beispielsweise für die kardiale Rehabilitation, Intensitätseinschätzungen im unteren Bereich unterschätzt werden [23]. Pandolf (1978) versuchte schon relativ früh, verschiedene Kategorien von physiologischen Faktoren als Hauptdeterminanten der schon damals als RPE (Rate of perceived exertion) bezeichneten Skala zu identifizieren [24]. Beim ersten Faktor handelte es sich um einen lokalen Faktor aus der arbeitenden Muskulatur, beim zweiten um einen zentralen kardiopulmonalen Faktor, wobei sich die Lokalisation auf das Einschätzungsverhalten der Probanden auswirkte [25]. Abschliessende Determinanten, welche das Einschätzverhalten beeinflussen, wurden nicht genannt [24,25]. Zusammenfassend, eine klare Evidenzlage bezüglich Determinanten, welche die subjektive Belastungsempfindung beeinflussen, werden vermisst. Das hier Aufgezeigte und Dargelegte kann zur Kernfrage unserer Studie führen, inwiefern sich der individuelle Trainingszustand auf die Fähigkeit zum adäquaten Quantifizieren eines bestimmten physiologischen Reizes auswirkt. Das Dargelegte erlaubt, die zentrale Hypothese auszuformulieren: Der ausdauermässig gut trainierte Sportler kann sich besser einschätzen als der ausdauermässig weniger gut trainierte, was sich in engeren Zusammenhängen zwischen den Borg-Werten und den physiologischen Parametern Herzfrequenz oder Laktatkonzentration im Blut zeigt.

Material und Methoden

Versuchspersonen
Für die Untersuchung wurden weibliche (n = 17) und männliche (n = 28) Personen (Alter 22,5 ± 2,5 Jahre) des Studiengangs Bewegung & Sport der Pädagogischen Hochschule Luzern rekrutiert. Diese absolvierten einen 5000-Meter-Lauf sowie eine Laktatleistungsdiagnostik. Den Probanden wurde im Rahmen eines Seminars sowohl das Vorgehen als auch die Möglichkeiten einer Laktatleistungsdiagnostik als auch die BORG-Skala erläutert, sowie die darunterliegende Systematik erklärt und zusätzlich erfolgte eine Instruktion zum Untersuchungsablauf im Rahmen eines Seminars.

Geräte und Apparaturen
Die Messungen fanden auf dem Laufband: H/P/ Cosmos Mercury – techongym (New Jersey / Egelsbach, Deutschland) mit einer Neigung von 1° statt. Für die Laktatmessung wurde das Laktatmessgerät Arkray Lactate Pro Lactatmessgerät LT 1710 Kyoto, Japan / Frankfurt a. M., Deutschland verwendet. Der 5000-Meter-Lauf wurde von den Probanden auf einer 400-Meter-Tartanbahn absolviert.

Messungen
Der erste Teil des Versuches bestand aus einem 5000-Meter-Lauf bei welchem die Zeit, die Herzfrequenz und die subjektiv erlebte Anstrengung mit der Borg-Skala (6–20) festgehalten wurde. Die Gruppierung in trainiert und weniger gut trainiert (in den Tabellen vereinfachend untrainiert bezeichnet) erfolgte anhand dieses 5000-Meter-Laufes, wobei die gelaufene Zeit als Gruppierungskriterium diente. Als Grenze galt für die Männer eine Zeit von unter 22 Minuten als Limit für die als ausdauertrainiert bezeichnete Gruppe, bei den Frauen entsprechend eine Zeit von weniger als 27 Minuten als Limit für die als ausdauertrainiert bezeichnete Gruppe.
Neben der Feldmessung wurde zusätzlich eine Laktatleistungsdiagnostik durchgeführt. Es handelt sich beim Laktatstufentest um eine standardisierte Form der Laktatleistungsdiagnostik gemäss den Vorgaben von Swiss Olympic [26]. Für alle Probanden wurden dabei die Parameter Herzfrequenz, die Laktatkonzentration im Blut und die subjektive Belastungsintensität (BORG-Skala) festgehalten. Die Probanden durchliefen dabei auf dem Laufband jeweils Stufen an 3 Minuten. Der Geschwindigkeitsanstieg von Stufe zu Stufe betrug jeweils 1.8 km/h, die Startgeschwindigkeit lag bei 7.2 km/h. Die Neigung des Laufbandes war konstant bei 1°. Die Pausen zwischen den einzelnen Stufen wurden mit 30s kurz gehalten. Während der Pause wurden sowohl die Blutproben für die Laktattests als auch die Werte der Herzfrequenz abgenommen sowie das subjektive Belastungsempfinden mit Hilfe der Borg-Skala (6–20) festgehalten. Zur Determinierung der anaeroben Schwelle wird als Faustregel oft die anaerobe Schwelle von 4 mmol/l Blutlaktatkonzentration verwendet, wobei verschiedene Arbeiten auf die Problematik der Annahme einer fixen Schwelle von 4 mmol/l verweisen [26]. Um dieser Problematik der Annahme zu entgehen, wurde den Vorgaben von SWISS OLYMPIC gefolgt und das Verfahren der korrigierten individuellen anaeroben Schwelle angewandt, wobei bei dieser Schwellenbestimmung die Herzfrequenz, die Laktatantwort als auch das subjektive Belastungsempfinden zur Determinierung der Schwelle miteinbezogen werden (im Detail dazu die Richtlinien von SWISS OLYMPIC) [26].

Resultate

Die folgenden Tabellen geben die gemessenen Resultate für die interessierenden Parameter des Laktats, der Herzfrequenz und der BORG-Skala für die Laktatleistungsdiagnostik als auch für den 5000-Meter-Lauf wieder.
Tabelle 1 enthält die Mittelwerte des gelaufenen 5000-Meter-Laufes für die zwei Gruppen. Die gelaufenen Zeiten der Männer mögen die bekannten Verhältnisse des geübten versus des ungeübten Läufers gut zu approximieren. Der geübte Läufer kann einen 4-min/km-Schnitt laufen, währendem der ungeübte rund 1 Minute pro km langsamer ist [17]. Für die weiblichen Probanden zeigt sich eine vergleichbare Spannweite der Leistungen im 5000-Meter-Lauf, wobei die Zeiten mit durchschnittlich 25 respektive 28 Minuten jeweils 4 bis 5 Minuten langsamer sind, was auf geschlechtsspezifische Effekte zurückgeführt werden kann [1].
Weitere interessante Aspekte ergeben sich, wenn man die Differenz zwischen der maximalen Herzfrequenz und der durchschnittlichen Herzfrequenz für die jeweiligen Gruppen des 5000-Meter-Laufs beachtet (Tab. 2). Bekanntlich liegt mit zunehmendem Trainingsgrad die anaerobe Schwelle höher, was die Differenz zwischen maximaler und durchschnittlicher Herzfrequenz während eines 5000-Meter-Laufs mit zunehmendem Trainingsgrad verringert, und prinzipiell die Gruppenaufteilung empirisch untermauert [1].

Tabelle 1
Tabelle 1: geschlechtsgetrennte deskriptive Analysen der durchschnittlichen 5000-Meter-Lauf-Zeiten gruppiert gemäss den Limiten 24 Minuten für weibliche Probandinnen und 22 Minuten für männliche Probanden

 

Tabelle 2
Tabelle 2: durchschnittliche Differenz der jeweiligen Gruppe Hfmax-Hfdurchschnitt beim 5000-Meter-Lauf


Die Tabelle 3 zeigt die durchschnittlichen BORG-Werte für die vier Parameter der zwei männlichen Untergruppen, wobei sich lediglich moderate Unterschiede zwischen den Gruppen zeigen.

Tabelle 3
Tabelle 3: BORG-Werte für die zwei gebildeten männlichen Gruppen von Probanden


Die Tabelle 4 zeigt die durchschnittlichen BORG-Werte für die vier Parameter der zwei weiblichen Untergruppen. Auch bei den weiblichen Probanden liegen die Maximalwerte wie bei den männlichen Probanden über 19. Auch für die Schwelle der weiblichen Probanden liegen die Werte mit 13–14 in dem von BORG als etwas anstrengend bezeichneten Bereich. Die Borg-Skala (6–20) erlaubt es auch, die Verhältnisse der Herzfrequenz abzuschätzen durch Multiplikation mit 10. Dabei zeigt sich bei dieser Interpretation ein valide erscheinendes Muster. Vor dem Eintreten auf die Korrelationen zwischen den Parametern, soll erwähnt werden, dass das Konzept zur Bestimmung der individuellen anaeroben Schwelle für alle Probandinnen und Probanden gemäss den Richtlinien von SWISS OLYMPIC angewandt wurde, wobei die so gemessenen respektive berechneten Schwellen über alle Probanden im Durchschnitt bei 3,97 mmol/Liter lagen, was dem fixen Wert von 4 mmol/l sehr nahe kommt. Jedoch muss mit Nachdruck auf die grosse Standardabweichung von 1,11 mmol/l hingewiesen werden, welche über einen Viertel des absoluten Maximalwertes beträgt. Auch war das Spektrum mit einem Range von 2,5 mmol/l bis 7 mmol/l sehr weit, was für eine relativ heterogene Gruppe bezüglich Ausdauerniveau spricht.

Tabelle 4
Tabelle 4: BORG-Werte für die zwei gebildeten weiblichen Gruppen von Probandinnen


Tabelle 5 enthält die Kernbefunde der Arbeit. Es ist ersichtlich, dass sich für alle berechneten Korrelationen ­zwischen den beiden Parametern Herzfrequenz respektive Laktatkonzentration im Blut und der BORG-Skala hochsignifikante Zusammenhänge ergaben (Tab. 5).
Für die Gruppe der spezifisch ausdauertrainierten männlichen Probanden ist festzustellen, dass der korrelative Zusammenhang zwischen den beiden Parametern signifikant positiv ist, wobei die Werte für die Schwelle der Korrelationen mit 0,404 und 0,618 deutlich höher sind als die Maximalwerte mit –0.108 für die Herzfrequenz und 0,101 für das Laktat, wobei der negative Wert schwierig einzuschätzen ist. Bei der Gruppe der ausdauertrainierten weiblichen Probanden ist ein als heterogen zu taxierendes Korrelationsmuster festzustellen. Einordnungsfähig sind die Werte 0,35 für die Herzfrequenzschwelle und 0,3 für den maximalen Laktatwert. Die weiteren Werte sind wiederum schwierig zu taxieren. Bei den weiblichen nicht spezifisch ausdauertrainierten Probanden ist Folgendes zu erwähnen. Sowohl für die Laktatschwelle mit 0,57 als auch das maximale Laktat mit 0,82 zeigen sich sehr hohe Korrelationen. Die Korrelation von –0,78 für die Herzfrequenz an der Schwelle als auch der Wert von 0,07 für die maximale Herzfrequenz divergieren stark von den anderen Messungen. Tendenziell lässt sich jedoch trotzdem ableiten, dass die weniger gut trainierten engere Korrelationen aufweisen.
Des Weiteren wurden auch inferenzstatistische Analysen durchgeführt, dahingehend, dass neben den bereits durchgeführten Analysen der prinzipiellen Signifikanz der Beziehungen zwischen Borg-Werten und physiologischen Parametern auch ein signifikanter Unterschied der Korrelationskoeffizienten zwischen den beiden Gruppen trainiert und untrainiert untersucht wurde. Es erfolgte eine z-Transformation der ursprünglichen Werte, welche anschliessend bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines alpha-Fehlers überprüft wurden (Bortz, 2005). Interessanterweise spiegelt sich auch hier ein vergleichbares Muster wider, dahingehend, dass die Wahrscheinlichkeit eines alpha-Fehlers für den Parameter Laktat geringer ist und sich somit das bereits Erwähnte bezüglich des engeren Zusammenhangs der Laktatkonzentration mit der Borg-Skala im Vergleich zur Herzfrequenz fortsetzt.

Tabelle 5
Tabelle 5: Gruppierte Betrachtung der Beziehungen zwischen physiologischen Parametern und der BORG-Skala

Diskussion

Diese Studie verfolgte die Zielsetzung, den Zusammenhang der Fähigkeit eine Belastung zu quantifizieren und die Abhängigkeit von der physischen Verfassung zu untersuchen. Dabei konnte für die untersuchte Stichprobe keine eigentliche Beziehung zwischen der Quantifizierungsfähigkeit und der physischen Verfassung festgestellt werden. Eher gegenteilig, die weniger gut Ausdauertrainierten waren tendenziell eher besser im Einschätzen der wirklichen physiologischen Belastung.
Betrachtet man nun die Resultate und geht auf die Korrela­tionen ein, so ist Folgendes festzustellen. Das Laktat als Deter­minante der subjektiv empfundenen Belastungsgrenze weist eine engere Beziehung zur subjektiven Belastungsempfindung auf als die Herzfrequenz. Eine neue Arbeit von Brown et al. (2014) geht für das Krafttraining eindrücklich auf die Laktatkonzentration im Blut und deren Zusammenhang zum subjektiven Belastungsempfinden ein. Diese erwähnen die grosse Unterschiedlichkeit der Laktat-Reaktionen auf einen Reiz, was die Unterschiedlichkeit im Angabeverhalten erklären kann [14]. Die eindrücklichste Arbeit jedoch stammt von Scherr et al. (2013), welche für eine Population von mehr als tausend kaukasischen Frauen und Männern ebenfalls aufgezeigt haben, dass die Laktatkonzentration engere Werte des korrelativen Zusammenhanges (r = 0.83) aufwies als die Herzfrequenz (r = 0.74). Interessanterweise spielte dabei das Geschlecht, das Vorliegen einer koronaren Erkrankung und die Form wie getestet wurde (Ergometer versus Cycling) aber eher gegensätzlich zu unseren Resultaten auch der physische Status keine Rolle [28]. Eine ähnlich geartete Arbeit stammt von Skatrud et al., 2011, welche generalisierend für gut ausdauertrainierte festhalten, dass es damit eher zur Unterschätzung der Anstrengung kommt, was prinzipiell mit unseren Resultaten übereinstimmen würde [21].
Für unsere Stichprobe ist interessanterweise bezüglich des Zusammenhangs von BORG-Werten und Herzfrequenz Folgendes zu erwähnen. Es zeigte sich, dass die Spannweite der BORG-Werte für die leistungsstärkere Gruppe zwischen BORG-Wert bei maximaler Herzfrequenz und BORG-Wert bei der Schwellenherzfrequenz grösser waren als für die leistungsschwächere Gruppe. Dies ist vermutlich einerseits eine Konsequenz der tieferen Schwelle bei gut Ausdauertrainierten, welche bekanntlich eine tiefere anaerobe Schwelle mit tieferer Herzfrequenz und grösserer Differenz zum Maximalpuls und Schwellenpuls aufweisen.
Es muss noch einmal auf die Stichprobe und die damit für die Grundgesamtheit bestehende Rückschlussproblematik eingegangen werden. Bei der hier untersuchten Gruppe von Probanden handelte es sich um angehende Lehrpersonen der Sekundarstufe I, welche polysportiv tätig sein müssen, um später Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 16 Jahren im Fach Sport zu unterrichten. Ein eigentliches spezifisches Ausdauertraining mit der Zielsetzung der Teilnahme beispielsweise an Volksläufen oder im Rahmen von Leichtathletikveranstaltungen in Form von Bahnrennen wurde kaum gezielt verfolgt. Im Kern waren diese jungen Erwachsenen durchschnittlich drei bis fünfmal wöchentlich sportlich in den unterschiedlichsten Disziplinen aktiv. Gleichwohl haben die als nicht-spezifisch ausdauertrainiert bezeichneten Probanden tendenziell besser abgeschnitten. Es scheint sich hier eine gewisse Stuck-in-the-middle-Problematik abzuzeichnen, dahingehend, dass gerade polysportiv tätige Hobbysporler mit ersten Erfahrungen der klassischen Problematik des Zu-viel-messen-wollens unterliegen und dabei dem Körpergefühl zu wenig Beachtung schenken [29]. Es braucht keine umfangreiche Diagnostik, sondern auch beim Einstellen von ersten Erfolgen sollte weiter vor allem auf den Körper gehört werden [29]. Die Daten scheinen den typischen Effekte zu zeigen, der Hobbysportler läuft nach Pulsmessgerät, währendem der wahre Profi bekanntlich wieder komplett nach Gefühl läuft [16,17]. Insbesondere Ausdauerathleten im Hobbysportbereich mit ersten Erfahrungen widmen diesem Element zu wenig Aufmerksamkeit. Die Schulung der für einen Eliteläufer so wichtigen Fähigkeit des Auf-den-Körper-hörens sollte auch im Hobbysport gezielt geschult werden.

Praktische Implikationen

  • Ein Körpergefühl zu entwickeln respektive eine Anstrengung richtig zu perzeptieren, stellt im Ausdauersport eine entscheidende Fähigkeit dar
  • Diese Fähigkeit kann verlorengehen, wobei insbesondere die massive Zunahme der Verfügbarkeit von unterschiedlichsten technischen Geräten (Herzfrequenzmessgeräte) dazu geführt zu haben scheint, dass diese Fähigkeit bei vielen Freizeitsportlern abhanden gekommen ist
  • Die Schulung des Körpergefühls während des Trainings sollte wieder verstärkt anstelle des Bedürfnisses des Zu-viel-messens-wollens treten.

Korrespondenzadresse

Dr. med Benedikt Gasser
Institut für Anatomie
Swiss Health & Performance Lab
Baltzerstrasse 2
3000 Bern 9

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