Bewegungstherapie und körperliche Aktivität bei ­Patienten mit Herzinsuffizienz

Wilhelm M
Interdisziplinäres Zentrum für Sport- und Bewegungsmedizin, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern

Abstract

Abstract: Heart failure is a clinical syndrome with different etiologies and phenotypes. For all forms, supervised exercise training and individual physical activity are class IA recommendations in current guidelines. Exercise training can start in the hospital, immediately after stabilization of acute heart failure (phase I). After discharge, it can continue in a stationary or ambulatory prevention and rehabilitation program (phase II). Typical components are endurance, resistance and respiratory training. Health insurances cover costs for three to six months. Patients with implantable cardioverter defibrillators or left ventricular assist devices may train in experienced centers. Besides muscular reconditioning, a major goal of phase II is to increase health literacy to improve long-term adherence to physical activity. In phase III, heart groups offer support.

Zusammenfassung

Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom mit unterschiedlichen Ätiologien und Phänotypen. Die überwachte Bewegungstherapie und individuelle körperliche Aktivität ist bei allen Formen eine Klasse-IA-Empfehlung in aktuellen Leitlinien. Eine Bewegungstherapie kann unmittelbar nach Stabilisierung einer akuten Herzinsuffizienz im Spital begonnen werden (Phase I). Sie kann nach Entlassung in einem stationären oder ambulanten Präventions- und Rehabili­tationsprogramm fortgesetzt werden (Phase II). Typische Elemente sind Ausdauer-, Kraft- und Atemtraining. Die Kosten werden von der Krankenversicherung für drei bis sechs Monate übernommen. In erfahrenen Zentren können auch Patienten mit implantierten Defibrillatoren oder linksventrikulären Unterstützungssystemen trainieren. Wichtiges Ziel der Phase II ist neben muskulärer Rekonditionierung auch die Steigerung der Gesundheitskompetenz, um die Langzeit-Adhärenz bezüglich körperlicher Aktivität zu verbessern. In Phase III bieten Herzgruppen Unterstützung.

Résumé

L’insuffisance cardiaque est un syndrome clinique ayant différentes étiologies et phénotypes. Pour toutes les formes, selon les recommandations actuelles, l’entraînement physique supervisé et l’activité physique au niveau individuel font partie de la classe IA des recommandations. L’entraînement physique peut commencer à l’hôpital, immédiatement après stabilisation de l’insuffisance cardiaque aiguë (phase I). Après la sortie de l’hôpital, il peut se poursuivre d’une manière préventive ou dans un programme de réhabilitation (phase II), soit en milieu stationnaire ou en ambulatoire. Les composants typiques sont l’endurance, la résistance et l’entraînement respiratoire. Les assurances-maladie couvrent les frais pendant trois à six mois. Les patients ayant un défibrillateur-cardioverteur implantable ou un dispositif d’assistance ventriculaire peuvent s’entraîner dans des centres expérimentés. En plus d’un reconditionnement musculaire, un but majeur de la phase II est d’augmenter les compétences sur le plan de la santé afin d’améliorer le suivi à long-terme de l’activité physique. Dans la troisième phase, des groupes de malades cardiaques sont utiles.

Mots-clés: insuffisance cardiaque à fonction ventriculaire conservée, insuffisance cardiaque à insuffisance ventriculaire réduite, entraînement à l’endurance, entraînement à la résistance, entraînement à intervalles de haute intensité

Im Artikel verwendete Abkürzungen:
EF Ejektionsfraktion
HFpEF Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion
HFrEF Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion
HI Herzinsuffizienz
HIIT Hochintensives Intervalltraining
ICD Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
LV Linker Ventrikel
MICE Moderat-intensives kontinuierliches Training
RPE Rate of Perceived Exertion

Einführung

Mit über 26 Millionen betroffenen Patienten weltweit ist die Herzinsuffizienz (HI) ein relevantes Gesundheitsproblem. In Europa beträgt die Prävalenz im Erwachsenenalter ca. 1–2%. Sie steigt in der Altersgruppe >70 Jahre auf über 10%. Ca. 1–4% aller Hospitalisationen erfolgen wegen einer HI. Etwa 1–2% der Gesundheitsausgaben eines Landes entfallen auf die Behandlung der HI [1,2].
HI ist ein klinisches Syndrom charakterisiert durch typische Symptome (Leistungsminderung, Belastungsdyspnoe und Müdigkeit), die von klinischen Zeichen (Halsvenenstauung, periphere Ödeme) begleitet sein können. Ursächlich liegt eine strukturelle und/oder funktionelle kardiale Störung vor, die zu einer reduzierten Herzauswurfleistung und/oder erhöhten kardialen Füllungsdrücken in Ruhe und/oder bei Belastung führt. In Abhängigkeit von der linksventrikulären (LV) Ejektionsfraktion (EF) unterscheidet man formal drei Gruppen: HI mit schwer reduzierter LV EF (EF <40%, HFrEF), HI mit moderat reduzierter («mid-range») LV EF (EF 40–49%, HFmrEF) und HI mit erhaltener («preserved») LV EF (EF ≥50%, HFpEF). Insbesondere bei älteren Patienten mit Dyspnoe wird HFpEF häufig nicht diagnostiziert [2].
HFpEF ist über die vergangenen 20 Jahre zur Hauptform der HI geworden, bei ähnlich schlechter Prognose wie bei HFrEF [3]. Während bei Patienten mit HFrEF die Prognose mit ACE-Hemmern, Betablockern oder Aldosteron-Antagonisten verbessert werden kann, stehen für HFpEF aktuell keine evidenzbasierten Medikamente zur Verfügung [2]. Bei beiden Formen ist die regelmässige körperliche (Ausdauer-)
Aktivität und die Bewegungs­therapie in speziellen Programmen ein Grundpfeiler der supportiven Therapie zur Verbesserung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Sie ist eine Klasse-IA-Empfehlung in aktuellen HI-Leitlinien [2].

Abb. 1: Vereinfachte Darstellung der Pathophysiologie von Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF) und erhaltener (HFpEF) Pumpfunktion und potenzielle Ansatzpunkte für Bewegungstherapie und körperliche Aktivität (nach [5 6]).

Pathophysiologie der Herzinsuffizienz und die «Muskelhypothese»

HFrEF und HFpEF unterscheiden sich in ihren auslösenden Faktoren. Bei HFrEF führen Ischämie (z.B. Myokardinfarkt), Infektion (z.B. Myokarditis) oder Toxizität (z.B. Anthrazykline) zu einer Reduktion der systolischen Funktion. Bei HFpEF bestehen in der Regel mehrere Komorbiditäten (Adipositas, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Dyslipidämie), die zu einer systemischen mikrovaskulären, endothelialen Inflammation prädisponieren. Erhöhte Arteriensteifigkeit und myokardiale Fibrose führen zu einer LV-Hypertrophie und diastolischen Dysfunk­tion [4,5]. In beiden Fällen resultiert daraus ein reduziertes Herzminutenvolumen mit Gefahr einer katabolen Stoffwechsellage. Die «Muskelhypothese» von Andrew Coats erweiterte Ende des 20. Jahrhunderts die kardiozentrische Betrachtungsweise der HI hin zu einer systemischen [6]. Die Minderperfusion der Skelett- und Atemmuskulatur und die Katabolie führen zu Myopathie und Belastungsintoleranz. Das skelettmuskuläre Ergoreflexsystem wird aktiviert und führt neben einer Hyperventilation zu einer ­gesteigerten Sympathikusaktivierung. Die konsekutive ­Vasokonstriktion und Nachlasterhöhung begünstigen eine weitere Abnahme des Herzminutenvolumens und die Bildung eines Teufelskreislaufs. Belastungsdyspnoe und Leistungsminderung bei HI lassen sich somit nicht nur durch erhöhte LV-Füllungsdrücke und reduziertes Herzminutenvolumen erklären (Abb. 1). Die «Muskelhypothese» ist die Grundlage für die Bewegungstherapie bei HI.

Tab. 1: Mögliche Komponenten der Bewegungstherapie für Herzinsuffizienzpatienten in Phase II, in Anlehnung an [15].

Bedeutung der Bewegungstherapie für Lebensqualität und Prognose

Das Jahr 1990 stellt einen Wendepunkt in der Behandlung der chronischen HI dar. In einer kleinen Studie mit elf Patienten (mittleres Alter 63 Jahre, 100% ischämische Kardio­myopathie) konnten Coats et al. zeigen, dass acht Wochen heimbasiertes Velotraining zu einer Verbesserung von Belastungsintoleranz, Sauerstoffaufnahme und Symptomen führte [7]. Dadurch wurde die gängige Lehrmeinung, dass körperliche Schonung bei chronischer HI wichtig wäre, verlassen, was zunächst vielen Ärzten irrational erschien. Während in den meisten klinischen Situationen Stimuli, die unerwünschte Symptome verursachen, vermieden werden, wird bei der HI die körperliche Belastung zur Behandlung von belastungsinduzierten Symptomen eingesetzt. 2004 erschien die erste Meta-Analyse zur Bewegungstherapie bei HFrEF (ExTraMATCH). Neun randomisierte Studien aus den Jahren 1995 bis 2002 mit insgesamt 801 Patienten wurden eingeschlossen (mittleres Alter 60 Jahre, 60% ischämische Kardiomyopathie). Die Bewegungstherapie zeigte gegenüber der Kontrollgruppe eine eindrückliche 35%ige Reduktion der Mortalität und eine 28%ige Reduktion des kombinierten Endpunktes von Mortalität und Hospitalisationen. Entsprechend dem Einschlusszeitraum war die medikamentöse Therapie der HI aber nicht optimal. Zwar nahmen 73% der Patienten ACE-Hemmer, aber nur 14% Betablocker [8]. Die HF-ACTION-Studie ist die grösste Trainingsstudie bei HFrEF (mittleres Alter 59 Jahre, 52% is­chämische Kardiomyopathie). Zwischen 2003 und 2007 wurden 2331 Patienten an 82 Zentren eingeschlossen und im Median 30 Mona­te nachverfolgt. Es wurden 36 überwachte Ausdauertrainings in drei Monaten durchgeführt. Diese Patienten ­waren optimal therapiert (95% ACE-Hemmer, 94% Beta­blocker, 45% Aldosteron-Antagonisten, 42% implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren). Vor diesem Hintergrund fiel der zusätzliche Nutzen der Bewegungstherapie deutlich geringer aus. Der kombinierte Endpunkt aus Gesamtmortalität und Hospitalisationen wurden um 11% reduziert, beim Endpunkt Gesamtmortalität alleine gab es keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe. Die Studie zeigte aber, dass ein Training bei HFrEF sicher ist. Es traten nicht vermehrt unerwünschte Nebenwirkungen in der Trainingsgruppe auf. Mögliche Ursache für den formal geringen Nutzen war die Abnahme der Adhärenz bezüglich körperlicher Aktivität während und nach Abschluss des überwachten Programms [9]. Nach drei Monaten trainierten nur noch 40% der Patien­ten wie verschrieben, was im Vergleich zu kleineren Studien niedriger ist [10]. In einer randomisierten Studie mit 123 Patienten, wovon 63 regelmässig an einer Herzgruppe teilnahmen (mittleres Alter 59 Jahre, 80% is­chämische Kardiomyopathie, zwei Trainingseinheiten pro Woche, 88% Adhärenz bezüglich Training) zeigte im Zehn-Jahres-Follow-up die Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutlich reduzierte Gesamtsterblichkeit (–32%) und weniger Hospitalisationen wegen HI (–36%) [11]. Eine aktuelle Meta-Analyse mit 33 randomisierten Studien (4740 Patienten, mittleres Alter 61 Jahre, 88% HFrEF) bestätigt eine 39%ige Reduktion der Hospitalisationen durch Bewegungstherapie. Das relative Risiko der Gesamtmortalität war dabei knapp nicht signifikant erniedrigt (RR 0,88; 95% Konfidenz-Intervall 0,75, 1,02). Die Lebensqualität konnte signifikant durch die Bewegungstherapie verbessert werden (Minnesota Living with Heart Failure Score –9,5 (95% Konfidenz-Intervall –17,5, –1,5) [12]. Für Patienten mit HFpEF gibt es aktuell nur eine kleine Meta-Analyse aus sechs randomisierten Studien mit 276 Patienten. Bewegungstherapie führt auch bei HFpEF zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität [13]. Daten zu Hospitalisierung und Mortalität existieren allerdings noch nicht.

Tab. 2: Kontraindikationen und erhöhte Risiken für Leistungstest und Bewegungstherapie, in Anlehnung an [15].
Abb. 2: Einbindung der verschiedenen Phasen von Bewegungstherapie und körperlicher Aktivität in die stationäre und ambulante Behandlung der Herzinsuffizienz (nach [15]).

Die verschiedenen Phasen der Bewegungs­therapie

Kommt es im Rahmen der HI zu einer kardialen Dekompensation mit stationärer Aufnahme, sollte nach initialer Stabilisierung frühzeitig mit einer adaptierten Bewegungstherapie begonnen werden (Phase I). Im Anschluss an die Entlassung sollten die Patienten einer überwachten Bewegungstherapie zugeführt werden, die je nach regionaler Gegebenheit, Leistungsfähigkeit und Präferenz der Patienten stationär, ambulant oder heimbasiert durchgeführt werden kann (Phase II). Idealerweise ist die Bewegungstherapie dabei in ein Präventions- und Rehabilitationsprogramm integriert, in dem auch eine Optimierung der medikamentösen Therapie durchgeführt wird und unter Berücksichtigung aller biopsychosozialer Aspekte die Gesundheitskompetenz des Patienten gestärkt wird [2]. Ein initialer Leistungstest, präferenziell eine Spiroergometrie, ist für die Risikostratifizierung und bei der Definition von Trainingszonen hilfreich [14]. Ausdauer-, Kraft- und Atemtraining können entsprechend der Leistungsfähigkeit der Patienten kombiniert werden (Tabelle 1) [15]. Die Phase II dauert in der Regel drei Monate und kann bei stark dekonditionierten Patienten verlängert werden. In der Schweiz werden nach Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) die Kosten für maximal sechs Monate von den Krankenkassen übernommen. Phase III bezeichnet die nicht überwachte individuelle körperliche Aktivität, die lebenslang weitergeführt werden sollte. Für eine optimale Langzeit-Adhärenz in Phase III sollte die Bewegungstherapie bereits in Phase II entsprechend den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Patienten ausgerichtet werden. Es besteht die Möglichkeit, auch in Phase III in speziellen Herzgruppen überwacht zu trainieren (www.swissheartgroups.ch) (Abb. 2). In allen Phasen müssen Kontraindikationen für Bewegungstherapie beachtet werden (Tabelle 2).

Verschreibung von Bewegungstherapie und ­körperlicher Aktivität

Ausdauer- und Krafttraining können den Patienten analog zu Medikamenten verschrieben werden. Nach dem «FITT-Prinzip» unterscheidet man Häufigkeit (Frequency), Intensität (Intensity), Dauer (Time) und Typ (Type) [16]. Trainingsbereiche können dabei in Prozent maximaler Werte (Kraft: eine mögliche Wiederholung, «one-repetition-maximum», 1-RM; Ausdauer: Herzfrequenz, Leistung, Sauerstoffaufnahme) definiert werden oder nach dem subjektiven Befinden anhand der Borg-Skala («rate of perceived exertion», RPE) [15,17]. Da bei HI-Patienten die Herzfrequenz (HF) durch Medikamente, Vorhofflimmern oder Schrittmacherstimulation beeinflusst wird, bietet sich eine Trainingssteuerung primär nach Leistungswerten (Watt/Sauerstoffaufnahme) und der Borg-Skala an. Für die körperliche Aktivität in Phase III können bei den meisten Patienten die allgemeinen Empfehlungen übernommen werden (mindestens 150 min moderate Ausdaueraktivität/Woche, nach dem FITT-Prinzip: F: 5 ×/Woche, I: moderat (Borg 12–13), T: 30 min, T: Ausdauer) [16, 18].

Abb. 3: Trainingsbeispiel eines 55-jährigen Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie und Implantiertem Kardioverter-Defibrillator. Die Trainingszonen wurden mittels ventilatorischer Schwellen aus der Spiroergometrie bestimmt. A, Start der Bewegungstherapie mit einem moderat-intensiven, kontinuierlichen Training (MICE). Nach sechs Wochen Wechsel auf ein hochintensives Intervalltraining (HIIT), das gut toleriert wird. B, letztes HIIT-Training. Über zwölf Wochen verbesserte sich die kardiorespiratorische Fitness um 5,0 ml/min/kg (25%).

Stellenwert des hochintensiven Intervall­trainings bei Herzinsuffizienz

2007 konnten Wisloff et al. in einer kleinen, randomisierten Studie (27 Patienten mit HFrEF bei ischämischer Kardio­myopathie, mittleres Alter 75 Jahre) zeigen, dass aerobes (hochintensives) Intervalltraining (HIIT, 4 × 4 min hoch­intensiv, 90–95% der maximalen HF, gefolgt von 3 min niedrig­intensiv 50–70% der maximalen HF), einem moderat intensiven kontinuierlichen Training (MICE; 45 min 60–70% der maximalen HF) überlegen war in Bezug auf Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness (Zunahme VO2peak 46 vs. 15%), des LV-Remodellings (Zunahme EF absolut 10 vs. 0,7%, Abnahme LV end-diastolischer Diameter absolut 7,7 vs. 0,9 mm) und der Lebensqualität [19]. Die positiven Ergebnisse dieser Pilotstudie konnten in einer grösseren Multi­zenterstudie allerdings nicht bestätigt werden (SMARTEX-HF-Studie) [20]. Eine mögliche Erklärung ist, dass die HIIT-Gruppe in 51% unter ihrer Trainingszone trainierte, während die MICE-Gruppe in 80% über ihrer Trainingszone trainierten. Das legt nahe, dass bei HI-Patienten der Trainingsimpuls (TRIMP, Dauer × Intensität) möglicherweise wichtiger als die Trainingsform ist. Wichtiges Detail der SMARTEX-HF-Studie war, dass sich im einjährigen Follow-up die trainierten Patienten (HIIT und MICE) nicht mehr von der Kontrollgruppe bezüglich kardiorespiratorischer Fitness und LV-Remodelling unterschieden. Das unterstreicht die Notwendigkeit von Konzepten zur Aufrechterhaltung der körperlichen Aktivität nach Teilnahme an einem Präventions- und Rehabilitationsprogramm. Bezüglich Intervalltraining existieren Alternativen zum 4 × 4-Protokoll, die entsprechend ausgetestet werden können [21,22]. Im Rahmen eines überwachten Bewegungsprogramms ist das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sowohl bei MICE als auch bei HIIT niedrig, auch wenn formal mehr Ereignisse bei HIIT auftreten (1 auf 23 000 vs. 1 auf 129 000 Trainingsstunden) [23]. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel von MICE und HIIT bei einem Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie.

Tab. 3: Barrieren für die Teilnahme an Bewegungsprogrammen für Patienten mit Herzinsuffizienz, in Anlehnung an [15].

Bewegungstherapie bei Patienten mit ­implan­tierbaren Kardioverter-Defibrillatoren, Resynchronisations­therapie und linksventriku­lären Unterstützungssystemen

In der HF-ACTION-Studie hatten 42% der Patienten einen ICD und 19% ein Resynchronisationssystem. Der Anteil an Patienten mit ICD-Interventionen war vergleichbar zwischen der Trainings- und Kontrollgruppe (22 vs. 23%) [9]. Vorherige ventrikuläre Arrhythmien und Vorhofflimmern, aber nicht die Bewegungstherapie an sich waren Prädiktoren für das Auftreten von ICD-Interventionen. Das ICD-interventionsfreie Überleben war tendenziell besser in der Trainingsgruppe [24].
Entsprechend einer Umfrage aus dem Jahr 2015 boten in Europa 58% aller Zentren, die linksventrikuläre Unterstützungssysteme implantieren, Bewegungsprogramme für diese Patienten an [25]. Eine randomisierte Studie (26 Patienten, mittleres Alter 55 Jahre) konnte zeigen, dass mit einem sechswöchigen Programm (drei Einheiten pro Woche) die kardiorespiratorische Fitness, Beinkraft und der Gesundheitsstatus verbessert werden konnten [26]. Langzeitdaten zur Prognose liegen allerdings nicht vor.
Generell können in erfahrenen Zentren Patienten mit implan­tierten Systemen unter Berücksichtigung der gerätespezifischen Besonderheiten in reguläre HI-Bewegungs­programme integriert werden. Bei Leistungstests und Trainings ist darauf zu achten, dass die maximale HF ca. 10–20 Schläge unter der Interventionsfrequenz des ICD-Systems liegen sollte [14].

Implementierung der Bewegungstherapie

In der Schweiz ist die Implementierung von bewegungsbasierten Präventions- und Rehabilitationsprogrammen für Patienten mit HI eine wichtige Massnahme der «Nationalen Strategie Herz- und Gefässkrankheiten, Hirnschlag und Diabetes 2017 bis 2024», insbesondere in unterrepräsentierten Gruppen wie älteren Patienten, Frauen und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status. Die Zuweisung in diese Programme soll systematisch von Hausärzten und Kardiologen empfohlen werden [27]. Aktuell profitieren weniger als 20% der Patienten mit HI von einem bewegungsbasierten Präventions- und Rehabilitationsprogramm [28,29]. Der Anteil ist deutlich niedriger als bei Patienten nach einem Myokardinfarkt (30–40%) [30]. Barrieren für Zuweisung und Teilnahme entstehen im Gesundheitswesen und bei Patienten und sollten erkannt und abgebaut werden (Tabelle 3) [15,30]. Allgemeinärzte, Internisten und Spezialisten in der Praxis können mit ihren Empfehlungen an Patienten mit HI zur Teilnahme an Bewegungsprogrammen und ihrer anschliessenden Weiterbetreuung und Motivation zur regelmässigen körperlichen Aktivität eine wichtige Rolle übernehmen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Matthias Wilhelm
Universitätsklinik für Kardiologie
Interdisziplinäres Zentrum
für Sport- und Bewegungsmedizin
Inselspital, Universitätsspital Bern
CH-3010 Bern
0041 31 632 89 86
matthias.wilhelm@insel.ch
http://www.kardiologie.insel.ch
http://www.sportmedizin.insel.ch 

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Manuskript akzeptiert: 29.05.2018
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessen­konflikte bestehen.

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