Vavken Patrick1,2,3, Jensen Jana2
1 Alphaclinic Zurich, Kraftstrasse 29, 8044 ZĆ¼rich
2 ADUS Klinik Dielsdorf, Breitestrasse 11, 8153 Dielsdorf
3 Divison of Orthopedic Surgery, Boston Childrenā€™s Hospital, Boston, USA

Abstract

The shoulder is a particularly vulnerable joint in sports, and especially so in children and adolescents. The normal hypermobility during growth needs to be differentiated from pathological instability. Overuse injury has to be avoided or treated. Some injuries are specific for childhood and adolescence and need to be treated with a specific and age appropriate approach. Traumatic injury is seen as well, but in most cases of more importance for pediatric trauma specialist than sports medicine professionals. This review aims at giving an overview over the most important principles and diagnoses in dealing with sports related shoulder problems in pediatric and adolescent athletes.

Zusammenfassung

Die Schulter ist ein besonders verletzliches Gelenk im Sport, und im Kindes- und Jugendalter noch mehr. Hier gilt es die physiologische HypermobilitƤt der Schulter von InstabilitƤt zu unterscheiden und ƜberlastungsschƤden einzugrenzen oder zu behandeln. Einige Pathologien sind speziell fĆ¼r das Kindesalter und brauchen einen spezifischen altersgerechten Zugang. Traumatische SchƤden der Schulter kommen ebenso vor, sind aber fĆ¼r die Kindertraumatologie mehr von Bedeutung als fĆ¼r den Sportmediziner. Der Artikel versucht einen Ɯberblick Ć¼ber die wichtigsten Prinzipien und Diagnosen der sportbezogenen Schulterprobleme des Kindes- und JugendĀ­alters zu geben.

Einleitung

Schulterbeschwerden bei Kindern und Jugendlichen im Sport sind immer wieder ein schwieriges Thema. Das rĆ¼hrt von zwei Probleme: Zum einen ist Ɯberkopfsport in Europa und in der Schweiz eher selten, und wenn, dann handelt sich meist um Raquetsport wie Tennis oder Squash. Sportarten wie Handball oder Volleyball sind relativ weit verbreitet, aber doch deutlich seltener als Fussball oder Eishockey. Und obwohl auch bei Letzteren Schulter- und Ellbogenprobleme nicht selten sind, so soll das aber keineswegs heissen, dass Schulterverletzungen bei diesen Sportarten nicht vorkommen. Das fĆ¼hrt zum zweiten Problem.
In der allgemeinen medizinischen Wahrnehmung in unseren Breitengraden ist die Schulter hinten angestellt. So ist es nicht ungewƶhnlich, dass schon im Vereinssetting eine gute Zahl von komplexen Knieverletzungen bestens bekannt ist, und auch die Details des HĆ¼ftimpingements immer mehr Anerkennung finden, wƤhrend sich die Schulterdiagnosen meistens auf Bursitis oder Impingement beschrƤnken.
Das inkludiert auch ein drittes Problem, das hier mitspielt, und nebst Ɯberkopfsportlern auch Schwimmer, Turner und Gymnasten hƤufig betrifft: die HyperlaxizitƤt. Diese anatomische Normalvariante, die per se noch keinen Krankheitswert hat, fĆ¼hrt gerade im jungen Alter zu kompetitiven Vorteilen wie vermehrter Beweglichkeit, Potenzial zu weiterem Ausholen oder erleichterte DurchfĆ¼hrung von komplexen Posen. In der Folge entsteht aber oft eine muskulƤre Ɯberlastung und Ɯberforderung mit sekundƤren SchƤden.
Der letzte Punkt, der nicht nur fĆ¼r Schulter- und Ellbogenprobleme ein wichtiger Faktor ist, sondern den Jugendsport generell dominiert, ist die zunehmende Spezialisierung, die zunehmende IntenstitƤt und Frequenz von Trainingseinheiten und das deutlich jĆ¼ngere Alter von Sportlern. WƤhrend frĆ¼her auch erfolgreiche Sportler noch viel Zeit hatten, ihren muskuloskeletalen Apparat auf verschiedene Arten und Weisen zu entwickeln, so werden heute schon Kinder im Vorschulalter in ein Training mit tƤglichen Einheiten mit hohen Belastungen inkludiert.
Daraus entsteht ein neues Mischbild aus verschiedenen Ɯberlastungs- und Verletzungsmustern, die so in der Literatur und der gƤngigen Ausbildung nicht immer ganz klar abgebildet sind. FĆ¼r den Zweck dieses Reviews soll ein Ɯberblick geschaffen werden, der Behandelnden (Ƅrzten, Physiotherapeuten, Trainern) an der Front ein Werkzeug gibt, Probleme frĆ¼h zu erkennen und richtig einzuordnen. DafĆ¼r werden typische Verletzungsmuster nach Ursprung kategorisiert: angeboren, Ɯberlastung, Unfall; ebenso sollen wichtige Differenzialdiagnosen und Pitfalls aufgezeigt werden.

Angeborene Probleme der Schulter beim Kind und Jugendlichen im Sport

Angeborene Probleme der Schulter direkt sind zum GlĆ¼ck selten, beziehungsweise werden sie in den meisten FƤllen sehr frĆ¼h erkannt. In der Praxis gibt es zwei angeborene Probleme, die unregelmƤssig angetroffen werden: Winkel/Achsstƶrungen und Fusionstƶrungen.
Humerus und Glenoid haben eine spezielle Winkelbeziehung zueinander, um die stabile Bewegung im Raum in die Spannung der Muskulatur zu optimieren. Eine vermehrte Kippung (Version) des Glenoid kann die StabilitƤt der Schulter negativ beeinflussen, ebenso kann eine vermehrte Drehung (Torsion) des Humerus Probleme verursachen. Nota bene kƶnnen diese Probleme auch belastungsabhƤngig sekundƤr entstehen, z.B. sieht man bei kindlichen Werfern eine erhƶhte Humerustorsion. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Die Version des Glenoid sollte 90 Grad zur Achse der Scapula betragen. Eine Retroversion in verschiedenem Ausmass ist nicht selten. Wenige Grade (linkes Bild) sind oft nicht von klinischer Bedeutung. In schweren FƤllen kann es bis zur Dysplasie des Glenoids kommen, mit deutlicher hinterer SchulterinstabilitƤt.


Als Fusionsstƶrung an der Schulter ist das Os acromiale zu nennen. Das Akromion hat drei Knochenkerne, die in den spƤten Teenager- oder jungen Erwachsenenjahren mit der Basis verschmelzen. Bleibt diese Fusion aus, so entsteht das Os acromiale mit einem Falschgelenk. In den allermeisten FƤllen ist das nur von radiologischem Interesse und Therapiebedarf ā€“ gerade in jungen Jahren ā€“ hat es praktisch nicht. Auch des Glenoid hat mehrere Knochenkerne, die Mitte der zweiten Dekade fusionieren. Dies ist eine wichtige Differentialdiagnose zu einer vermeintlichen Bankart LƤsion am MRT bei Jugendlichen bis 12 (MƤdchen) respektive 17 (Knaben) Jahren! (Abbildung 2)

Abbildung 2: Das Akromion bildet sich aus 3 Knochenkernen, die in der 2. und 3. Dekade verschmelzen. Wenn diese Fusion ausbleibt, entsteht das sog. Os acromiale mit einer sichtbaren Unterbrechung (weisser Pfeil) in der Bildgebung.

HyperlaxizitƤt ā€“ ein Problem Ā«zwischenĀ» Ā­angeboren und belastungsbedingt

Ein wichtiges und gleichermassen unterschƤtztes Problem ist die HyperlaxizitƤt, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Ein gewisser Grad an Ɯberbeweglichkeit ist ein normaler Teil der physiologischen Entwicklung. HyperlaxizitƤt kann aber im Praxisgebrauch als Zwischenstufe zwischen Ā«Ć¼berbeweglichĀ» und instabil angesehen werden. Die Pathogenese ist dabei oft mehrstufig. Ein anlagebedingt lockeres Bindegewebe erleidet im Sport regelmƤssig Mikrotraumata und wird dadurch weiter gedehnt. (Abbildung 3)

Abbildung 3: Eine 16-jƤhrige, kompetitive Tennisspielerin mit genetischer HypermobilitƤt mit Verdacht auf HypermobilitƤt. Das Rƶntgenbild ist ohne Belastung, die Patient hat fĆ¼nf Tennistrainings pro Woche.


Das grƶsste Problem in der klinischen RealitƤt der HyperlaxizitƤt, zumindest in der orthopƤdischen Sportmedizin, ist, dass die Pathologie einen blinden Punkt trifft: die Spannung und damit die Funktion der Gelenkskapseln. Wir beurteilen mit Rƶntgen die Knochen und mit MRT die KontinuitƤt und QualitƤt von Sehnen und Muskeln, aber wir haben de facto keine objektiven Kriterien fĆ¼r Kapselspannung und -volumen. Dementsprechend sind diese objektiven, validierten Untersuchungen regelmƤssig falsch negativ. Das wichtigste Tool in realitas ist damit der Beighton Score, oder der vereinfachte Micheli Score. (Abbildung 4)

Abbildung 4: Der Micheli-Test (1ā€“5 Punkte) ist eine validierte Kurzform fĆ¼r LaxizitƤtstests wie den Beighton Score. IV und V gelten als hyperlax. Der Test wird an der adominanten Hand durchgefĆ¼hrt.


Zuletzt ist es wichtig zu verstehen, dass HyperlaxizitƤt keine stationƤre Diagnose ist, sondern ein verƤnderlicher Zustand. Eine junge Schwimmerin hat eine Ć¼berbewegliche, aber stabil funktionierende Schulter. Ein kleiner Unfall verursacht einen begrenzten Kapselriss, die Schulter wird inĀ­stabil. Im gleichen Sommer hat sie einen Wachstumsschub, die Kapsel ist danach relativ zu eng, die Schulter wieder stabil. Neue Mikro- und Makrotraumata starten diesen Zyklus erneut. In anderen FƤllen kann aber die Kaspel an der verletzten Stelle auch zu stark vernarben, sodass eine steife (Verletzungsstelle) und gleichzeitig instabile (Rest der Kapsel) Schulter entsteht. In der Therapieentscheidung ist es daher essentiell, diese Prozesse miteinzubeziehen und so gut als mƶglich abzuwƤgen und auszunutzen.

Ɯberlastungbedingte Probleme der Schulter beim Kind und Jugendlichen im Sport

Ɯberlastung ist der wichtigste Unfallmechanismus im Jugendsport. Wie eingangs erwƤhnt ist IntensitƤt, Frequenz und Spezialisierung in den letzten Jahren deutlich gestiegen und in vielen FƤllen grenzwertig, oder schlicht zu hoch. Die grƶsste Herausforderung bleibt, diese Einsicht bei Patienten und Eltern zu wecken und im Verletzungsfall umzusetzen ā€“ im Sinne einer angebrachten Sportkarenz. Andernorts ist man hier aber schon weiter, so hat es zum Beispiel in den USA Ā«pitch countsĀ», sprich Vorgaben wie oft ein Kind in welchem Alter Werfen (pitchen) und WettkƤmpfe bestreiten darf und wieviel Ruhetage es braucht. (https://www.little
league.org/playing-rules/pitch-count/).
Die vulnerabelste Struktur der Schulter, was Ć¼berlastungsbedingte SchƤden braucht, ist die Wachstumsfuge. In der ersten HƤlfte der zweiten Dekade (11ā€“16 Jahre) ist die Wachstumsfuge zwischen Humerusschaft und den bereits fusionierten Tubercula besonders stressempflindlich. Durch regelmƤssige Mikrotraumata beim Raquet- oder Ɯberkopfsport kann es zu einer limitierten, oder im Extremfall auch kompletten, Epiphysiolyse kommen, die little league Schulter. Klinisch entspricht das einem diffusen Schmerz mit einem Punktum Maximum an der lateralen Schulter und Oberarm. Durch sekundƤre Kapselreizung kommt es auch zu begrenzter RotationsfƤhigkeit. Das fĆ¼hrt dazu, dass es in der Diagnostik zu Verwechslungen mit Bursitis oder Frozen Shoulder kommt. Ein einfaches Rƶntgen zeigt aber die geweitete Fuge und bestƤtigt die Diagnose. Als Therapie reicht in der allergrƶssten Mehrheit der FƤlle eine Sportkarenz von drei Monaten, gefolgt von einem langsamen Aufbau der Belastung danach. Bei therapierefraktƤren FƤllen kann ein MRT helfen, WeichteilschƤden im Gelenk zu identifizieren.
Nach der Wachstumsfuge, der Epiphyse, gibt es apophyseƤre Verletzungen der Schulter, entsprechend dem Morbus Osgood Schlatter am Knie. Im Falle der Schulter betrifft das die beiden grossen KraftaufnahmeflƤchen, das Tuberculum minus und majus. Obschon beide sehr selten auf diese Art verletzt sind, so ist das Tuberculum minus etwas hƤufiger, da hier der M. Subscapularis undirektional wirkt, wƤhrend am Tuberculum majus die KrƤfte etwas mehr auf die Kraftrichtungen der drei restlichen Manschettenmuskel verteilt sind. Die Klinik und Therapie entspricht derjenigen der epiphysƤren Verletzungen. (Abbildung 5)

Abbildung 5: ApophysƤre Verletzungen, zum Beispiel am Tuberculum minus, entstehen durch Ɯberlastung, in diesem Fall durch Fliegenfischen.


Der diaphysƤre Knochen selber ist deutlich belastbarer als seine Wachstumsfugen oder Apophysen, trotzdem sind Stressreaktionen und Stressfrakturen nicht unbekannt. Die typischen Beschwerden sind aber klar unterschiedlich von obigen Diagnosen. So ist bei der Stressreaktion ein punktueller Belastungsschmerz respektive ein Biegungsschmerz typisch. Die instrumentelle Diagnose ist nicht immer ganz einfach, tatsƤchlich aufwendig. So werden bei jungen Patienten nicht automatisch nuklearmedizinische Untersuchungen bei obiger Klinik angeordnet. In den frĆ¼hen Stadien sind Rƶntgenbilder zu meist falsch negativ, ein MRT kann aber relativ frĆ¼h typische VerƤnderungen zeigen. Die Stressreaktion, eigentlich ja mehr ein Stoffwechselproblem des Knochens als eine strukturelle Verletzung, kann durch entsprechende Ruhephasen von selber abklingen. Die Stressfraktur ist eine echte Fraktur und braucht meist eine chirurgische Behandlung entsprechenden Standards der Kinderchirurgie respektive KinderorthopƤdie. Patienten mit Problemen im Ɯbergang vom Stressreaktion zu Stressfraktur haben oft eine schwierige Entscheidung vor sich, bei der sowohl aktuelle als auch geplante Belastungen und das weitere Wachstumspotential berĆ¼cksichtigt werden mĆ¼ssen.
Die Pathogenese der Ć¼berbelastungsbedingten Muskelprobleme ist komplexer und mehrstufig und sollte auf gar keinen Fall unter dem Ɯbertitel Ā«MuskelkaterĀ» abgetan werden. Zwei wichtige, in vielen FƤllen auch Ć¼berlappende Probleme sollen als Beispiele dienen: die Schwimmerschulter und das Glenohumerale Innen-Rotations-Defizit GIRD. FĆ¼r die Schwimmerschulter hat es eine pathomechanische Kette, die die meisten FƤlle erklƤrt. In der Schwimmbewegung sind eine Vielzahl von Muskeln beteiligt, aber elektromyographische Studien haben gezeigt, dass der M. Subscapularis und M. Sperratus Anterior durchgehend aktiv sind, wƤhrend die Ā«grossenĀ» Muskeln wie der M. Pectoralis oder M. Latissimus ihre AktivitƤt unterbrechen. Dadurch kommt es zu einer ErmĆ¼dung der erstgenannten und sekundƤr zu einem Verlust und einer Skapulastabilisierung (Serratus) und Innenrotation (Subscapularis). Kompensatorische AktivitƤt (Serrauts -> Rhomboidei) bzw. unausgelichene Anatognositenfuktion (Infraspinatus -> Subscapularis) fĆ¼hren zu Scapuladyskinesie und Verlust der Humeruskopfzentrierung und Versagen der Schulterbiomechanik. Daraus entstehen dann Schmerzen und sekundƤre Probleme wie LabrumschƤden, Kapselreizung, inneres Impingement. Ein Ƥhnlicher Mechanismus liegt der GIRD zugrunde. Eine Verklebung oder VerkĆ¼rzung der hinteren Kapsel der Schulter entsteht durch Ć¼bermƤssige Ausholbewegung (Werfen, SchlƤgersport) oder andere Prozesse (Schwimmerschulter) und fĆ¼hrt zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes. Dieser stƶsst dann an das posteriorer Labrum und den Infraspinatus und erzeugt ein inneres Impingement der Schulter. Kompensatorisch wird der mediale EllĀ­bogen Ć¼berlastet und verursacht einen Ā«GolfarmĀ» (siehe Artikel in diesem Issue).

Traumatische Probleme der Schulter beim Kind und Jugendlichen im Sport

Schulterluxationen sind das prƤdominante Thema der Praxis der Sportmedizin, da Frakturen meist direkt an Notfallstationen weitergeleitet werden. Die notwendige Energie fĆ¼r eine Schulterluxation im Kindes- und Jugendalter ist oft Ć¼berraschend gering, und so kann schon der Kopfsprung ins Wasser oder der Zusammenstoss mit einem anderen Sportler reichen. Hier spielt auch die physiologisch erhƶhte Beweglichkeit eine Rolle, da es weniger Widerstand zur Luxation oder SubluĀ­xation hat. Die typische Pathologie bis 14 Jahre ist ein Versagen oder Reissen der Gelenkskapsel, Bankart LƤsionen treten hƤufiger ab 15 Jahren auf. (Abbildung 6) Hier ist das MRT ein pit fall, da die Kaspelruptur oft schlecht abgebildet wird oder kaum zu sehen ist (falsch negativ) und die normale Wachstumsfuge am anteroinferioren Glenoid als Bankart LƤsion (falsch positiv) imponiert. Es kƶnnen aber auch beide Verletzungen zugleich auftreten. Da die Kapsel hervorragend perfundiert ist, kƶnnen Risse schnell heilen, regelmƤssig ist aber eine vermehrte LaxizitƤt abgrenzbar. Bei starker Narbenbildung kann es auch ins Gegenteil umschlagen, wenn gesunde Kapselanteile zu stark vernarben und eine relative Steifigkeit entsteht, obwohl die Schulter in Summe instabil ist. Die korrekte Diagnostik der Problematik braucht daher etwas Erfahrung mit Untersuchungstechniken und Bildgebung, die Entscheidung zur Behandlung umso mehr.

Abbildung 6: Schulterluxationen im Kindes- und Jugendalter haben oft beides, eine LabrumlƤsion (roter Pfeil, linkes Bild) und eine Kapselverletzung (roter Kreis, linkes Bild). Im MRT sind diese Verletzung meist bei Weitem nicht so eindrĆ¼cklich wie die InstabilitƤt in der Klinik. In der Arthroskopie werden beide gut gesehen (mittleres Bild, Labrum roter Pfeil, Kapselruptur rote Linien). Beides muss versorgt werden (rechtes Bild).


Als besondere, oder besonders wichtige Form der SchulterinstabilitƤt ist die hintere InstabilitƤt zu nennen. In der Ƥlteren Literatur, mit der ich aufgewachsen bin, ist diese als sehr selten und v.a. bei Epilepsie oder Stromschlag. Das ist falsch. Neue Daten zeigen, dass die Inzidenz bis 25% und mehr geht. Klinisch kann man das im Zirkumduktionstest leicht feststellen. Dabei muss der Patient den Arm rĆ¼ckwƤrts kreisen. Subluxation/Schmerzreproduktion bzw. ein Ausweichen aus der saggitalen Ebene in eine Adduktion sind indikativ fĆ¼r einen hintere InstabilitƤt. Spezielle Test kƶnnen dann noch ergƤnzt werden.
Rotatorenmanschettenrupturen kommen ebenso im jungen Alter vor, sind aber fast ausschliesslich (osteo)chondrale Avulsionen bzw. apophysƤre Abrisse und somit am Rƶntgenbild fast unsichtbar. (Abbildung 7) In der Anamnese wird oft von einem RĆ¼ckgang der Schmerzen nach 3ā€“5 Tagen berichtet, aber ein Kraftverlust bleibt. Letzterer ist oft schwer zu interpretieren, da strikt spezifische Untersuchung einzelner Muskeln beim pƤdiatrischen, oder pubertƤren, Patienten nicht immer mƶglich ist. Im Zweifelsfall ist ein MRT eine objektive Methode, die Diagnose zu sichern. Die Therapie ist in der Regel chirurgisch, mit altersentsprechenden Methoden.

Abbildung 7: Rotatorenmanschetten kommen auch im Kindes- und Jugendalter vor, sind dann aber meist kartilaginƤre oder osteokartilaginƤre Avulsionen, die am Rƶntgenbild gesehen (A & B), aber erst im MRT (C & D) wirklich komplett erkannt werden kƶnnen. Diese Verletzungen eignen sich nicht fĆ¼r eine konservative Therapie, sondern brauchen eine altersgerechte chirurgische Versorgung.


Die Schulter als funktionelle Einheit Clavicula, Scapula und Humerus kann noch eine Reihe weiterer traumatischer Verletzungen haben, die aber in die Kindertraumatologie mĆ¼ssen und fĆ¼r die Sportmedizin nur indirekt relevant sind. Auch im Kindesalter sind Claviculafrakturen hƤufig, wobei bis 12 Jahre fast alle konservativ exzellent ausheilen. Traumatische Verletzungen der Wachstumsfugen (vgl. oben) gehen Hand in Hand mit dem Spektrum der Ɯberlastungen. Die Einteilung und Behandlungsentscheidung erfolgt gemƤss Salter-Harris. (Abbildung 8)

Abbildung 8: Die Epiphysiolyse des Humerus ist eine selten aber ernste Problematik. Bei zeitgerechter Diagnose kann ein perkutanes Pinning als Behandlung ausreichen. Die DrƤhte kƶnnen schmerzlos in der Sprechstunde gezogen werden.

Andere Probleme der Schulter beim Kind und Jugendlichen im Sport

Dieses Review erlaubt natĆ¼rlich nur einen kurzen Einblick in des Thema Schulter und Sport bei Kindern und Jugendlichen, und viele spannende und relevante Probleme kƶnnen nicht in den Text einfliessen. Drei Punkte sollen aber trotzdem kurz hervorgehoben werden.
So ist die neurogene Scapula alata ein regelmƤssiges Thema bei jugendlichen Sportlern. Per se eine DomƤne der Neurologie kommen diese PatientInnen doch zumeist in die Schultersprechstunde, und zwar vorwiegend wegen Schmerzen, die Dysfunktion ist oft gar nicht bewusst. Retrospektiv ist der Auslƶser oft schwierig herauszufinden, und sowohl stumpfe Traumata als auch virale Infekte oder unspezifische Neuritiden werden angegeben. Die Prognose ist nicht immer gut, und es gibt eine Bandbreite von Therapieoptionen. Ā­(Abbildung 9)

Abbildung 9: Beispiel der Scapula alata oder des Scapular winging. Die Ursachen dafĆ¼r sind verschieden, zum Teil auch systemisch und nicht mechanisch. Durch die Dysfunktion des Schulterblatts entseht auch eine Dysfunktion der Schulter.


Die Gelenke des SchlĆ¼sselbeins sind ebenso verletzbar wie beim Erwachsenen. Das AC-Gelenk zeigt jedoch vor allem physeale Verletztungen, da die laterale Wachstumsfuge sich erst Ende der zweiten Dekade schliesst und die coracoclaviculƤren BƤnder deutlich stƤrker sind. Im jungen Alter etwas hƤufiger als beim Erwachsenen sind sternoclaviculƤre InstabilitƤten. Nach posterior sind diese eine direkte Bedrohung fĆ¼r das Mediastinum, ventrale InstabilitƤten kommen eher beim Kraftsport vor und bedĆ¼rfen in ausgewƤhlten FƤllen auch chirurgischer Stabilisierung. (Abbildung 10)

Abbildung 10: FĆ¼r die Stabilisierung eines chronisch instabilen sternoclaviculƤren Gelenks wird das Gelenk unter Schonung des Discus articularis dargestelt (A). Ein Gracilis-Autograft wird benutzt, um das Gelenk biologisch zu stabilisieren (B). Ein synthetisches Tape wird benutzt, um dieses sekundƤr zu sichern (C). Daraus entsteht eine doppelte Stabilisierung des Gelenks (D).

Zusammenfassung

Die Schulter ist im Kindes- und Jugendalter beim Sport besonders gefƤhrdet. Die physiologische HypermobilitƤt des Wachstumsalters birgt bei Wurf- und Ɯberkopfsportarten ein erhƶhtes Risiko fĆ¼r Luxationen und bringt besonders viel Last auf die Wachstumsfugen und die Insertionen (Apophysen) der Rotatorenmanschette. Die komplexe muskulƤre Stabilisierung der Schulter birgt auch Gefahr fĆ¼r muskulƤre Dysbalancen, wie zum Beispiel die Schwimmerschulter. Diese sekundƤren Reizungen der Manschette werden dann oft verkĆ¼rzt als Bursitis oder Tendinitis behandelt, ohne das zugrundeliegende Problem zu beachten.

Korrespondenz

Patrick Vavken, PD Dr. med.
Alphaclinic Zurich
Kraftstrasse 29, 8044 ZĆ¼rich
Phone: 044 446 10 00
Email: Vavken@alphaclinic.ch 

 

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