Sport als Prävention von Demenz und funktionellem Verlust im Alter
Sarah Reinhard1, Stephanie A. Bridenbaugh1, Reto W. Kressig2
1 Felix Platter-Spital, Universitäres Zentrum für Altersmedizin, Basel Mobility Center, Basel, Schweiz
2 Universität Basel und Felix Platter-Spital, Universitäres Zentrum für Altersmedizin, Basel, Schweiz
Abstract
As a consequence of the demographically related increase of dementia prevalence, modifiable risk factors are gaining in importance as possible preventative measures. Medical treatment cannot yet heal dementia. The effects of vascular risk factors as well as behaviour and lifestyle changes on cognitive decline are the subject of a wide range of current literature. The role of physical activity has proved to be especially beneficial. Multiple studies with different study designs describe direct or indirect positive effects of physical activity on cognitive abilities. The positive effects of physical activity are particularly notable in cognitive domains such as attention or executive functions, which are often impaired in dementia. However, ideal training sessions in terms of type, duration and intensity are currently unknown.
Zusammenfassung
Aufgrund der demografisch bedingten Steigerung der Prävalenzrate bei Demenz gewinnen modifizierbare Risikofaktoren als mögliche präventive Massnahmen an Bedeutung. Medikamentöse Therapien können Demenz bis anhin noch nicht heilen. Die durch die Beeinflussung von vaskulären Risikofaktoren und Verhaltens- und Lebensstilfaktoren erzielten positiven Effekte auf den kognitiven Abbau werden in zahlreichen Literaturarbeiten thematisiert. Als besonders geeignet kristallisiert sich dabei der Einsatz von körperlicher Aktivität heraus. Verschiedene Studien mit unterschiedlichen Studiendesigns beschreiben in diesem Zusammenhang direkte oder indirekte positive Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Gerade bei kognitiven Domänen wie Aufmerksamkeit oder Exekutivfunktionen, die bei einer Demenzerkrankung oft beeinträchtigt sind, konnten positive Effekte von körperlicher Aktivität aufgezeigt werden. Unklar bleibt aktuell die ideale Gestaltung der Trainingseinheiten hinsichtlich Art, Dauer und Intensität.
Hintergrund
Aufgrund der demografischen Entwicklung werden kognitiver Abbau und Demenz zu einer der grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft werden. Gemäss Schätzungen der Schweizerischen Alzheimervereinigung, gestützt auf europäische Hochrechnungen zu Prävalenzraten (Hofman et al., 1991), lebten 2013 in der Schweiz ca. 113 000 Menschen mit einer Demenz. Zukünftige Prävalenzberechnungen zeichnen ein deutliches Bild: Die Anzahl Menschen mit einer Demenz dürfte in der Schweiz bis 2050 auf 300 000 ansteigen (World Health Organization, 2012). Inzidenzraten zufolge erkranken in der Schweiz jährlich mehr als 27 000 Personen an Demenz. Die damit verbundenen Gesundheitskosten sind enorm. 2009 wurden 6.8 Milliarden Schweizer Franken für Demenzkrankheiten aufgebracht (Ecoplan, 2010).
Richtet man den Blick über die Landesgrenze hinaus, zeigt sich eine ähnliche Situation. So wird die Anzahl weltweit an Demenz erkrankter Personen 2013 auf 44.35 Millionen, 2030 auf 75.62 Millionen und 2050 auf 135.46 Millionen geschätzt (Prince et al., 2013).
Zum heutigen Zeitpunkt ist Demenz nicht heilbar. Medikamentöse Therapien und Verhaltenstherapien helfen den Patienten und ihren Angehörigen, eine vollständige Genesung kann jedoch noch nicht erwartet werden. So treten immer häufiger präventive Massnahmen im Rahmen modifizierbarer Risikofaktoren in den Vordergrund. Dabei handelt es sich um die Beeinflussung von vaskulären Risikofaktoren (Hypertonie, Diabetes, Hypercholesterinämie, Übergewicht), Verhaltens- und Lebensstilfaktoren (Rauchen, körperliche Aktivität, Ernährung) und weitere modifizierbare Risikofaktoren wie Depression oder Ausbildung (Barnes et al., 2007, Norton et al., 2014, Prince et al., 2014). Der Einfluss von körperlicher Aktivität auf kognitive Beeinträchtigung und das Demenzrisiko wurde in den vergangenen Jahren in zahlreichen Arbeiten untersucht. Dieser Artikel soll einen Überblick über die aktuelle Literatur verschaffen.
Einfluss von einmaliger und regelmässiger körperlicher Aktivität auf kognitive Leistungen
Chang et al. (2012) untersuchten mit Hilfe einer Meta-Analyse von 79 Studien mit insgesamt 2072 kognitiv gesunden Probanden (5 – >60 Jahre, mittleres Alter 28.5 ± 17.0 Jahre) den Effekt einer einmaligen Trainingseinheit auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Dabei verglichen sie Messungen von kognitiver Leistung während der Trainingseinheit, direkt nach der Trainingseinheit und nach einer Pause (>1 Min.). In den meisten Studien wurde körperliche Aktivität in Form einer aeroben Trainingseinheit (Joggen, Radfahren) gemessen. Einige Studien testeten die anaerobe Kapazität und manche Studien kombinierten die beiden Trainingsarten. Während der Trainingseinheit fanden sie signifikante Verbesserungen der Exekutivfunktionen (siehe Info-Box), im Vergleich zu vor der Trainingseinheit. Direkt nach der Trainingseinheit fanden sich signifikante Verbesserungen bei der Aufmerksamkeit, beim Rechnen, bei den Exekutivfunktionen und bei der Informationsverarbeitung. Nach der Pause (>1 Min.) konnten signifikante Verbesserungen beim Rechnen und bei den Exekutivfunktionen festgestellt werden. Die Effekte hielten bis zu 15 Minuten nach der Trainingseinheit an und flachten danach wieder ab. Zusammenfassend fanden sie einen kleinen positiven Effekt, angegeben in Effektstärke (Abb. 1).
Smith et al. (2010) überprüften anhand einer Meta-Analyse den Effekt von regelmässigen Trainingseinheiten (6 Wochen – 18 Monate), in Form eines aeroben Trainingsprogramms (zügiges Gehen, Radfahren oder Jogging), auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Es wurden 29 Studien mit insgesamt 2049 gesunden Probanden oder Personen (18–94 Jahre) mit leichten kognitiven Störungen eingeschlossen. Signifikante Befunde konnten in den Domänen Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen und Gedächtnis dokumentiert werden. Den gleichen Sachverhalt untersuchte eine weitere systematische Übersichtsarbeit am Beispiel von 18 Studien mit 197 Probanden, zwischen 55–80 Jahren (Colcombe und Kramer, 2003). In die Studie eingeschlossen wurden gesunde Probanden oder Personen mit einer klinischen psychiatrischen oder internistischen Diagnose (in 4/18 Studien). Die sportlichen Interventionen wurden in reine Ausdauer-Aktivitäten und in Ausdauer-Kraft-Aktivitäten eingeteilt. Im Weiteren wurden die Probanden für die Dauer der einzelnen Interventionen in folgende drei Gruppen randomisiert: kurz (15–30 Min.), mittel (31–45 Min.), lang (46–60 Min.). Ebenfalls für die Auswertung kodiert wurde die Zeitdauer, während der die Aktivitäten ausgeführt wurden: kurz (1–3 Monate), mittel (4–6 Monate), lang (>6 Monate). Resultate zeigten einen kleinen bis mittelgrossen positiven Effekt von regelmässiger körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistung bei älteren Personen (Abb. 1). Signifikante Verbesserungen wurden, ähnlich wie bei den Arbeiten von Chang und Smith, in den Domänen Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit, Visuospatial und Reaktion beobachtet. Diese Domänen sind bei einer Demenzkrankheit häufig betroffen. Der Effekt in den Exekutivfunktionen war signifikant grösser als in allen anderen Domänen. Für zukünftige randomisierte kontrollierte Interventionsstudien ist die Beobachtung interessant, dass Interventionen aus der mittleren Gruppe (31–45 Min.) die grösste Effektstärke aufwiesen und dass Trainingseinheiten von 15–30 Min. keinen Effekt auf die Kognition ausübten.

Einfluss von kardiorespiratorischer Fitness auf den kognitiven Abbau beim Menschen
Viele Studien untersuchten den Einfluss von körperlicher Aktivität auf das Demenzrisiko im Kontext der Beeinflussung vaskulärer Risikofaktoren. Vaskuläre Risikofaktoren können durch Bewegung und Sport positiv beeinflusst werden. Somit sollte sich körperliche Aktivität indirekt positiv auf den kognitiven Abbau beim Menschen auswirken. Yaffe et al. (2001) beschrieben unter anderem den Einfluss der täglich zu Fuss zurückgelegten Distanz auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei 5925 kognitiv gesunden Frauen (≥65 Jahre). Die Probandinnen gaben bei der Baseline-Untersuchung folgende Informationen zu ihrem aktuellen Bewegungsverhalten innerhalb der letzten Woche an: Zurückgelegte Wohnblocks/Tag (1 Block ≈ 160 m) und Anzahl Treppenstufen/Tag. Beim Follow-Up nach 6 bis 8 Jahren stellten die Autoren einen geringeren kognitiven Abbau bei Frauen fest, welche grössere Distanzen zurücklegten.
Um dem objektiven Anspruch an das Bewegungsverhalten gerecht zu werden, testeten Barnes et al. (2003) 349 kognitiv gesunde Probanden (≥55 Jahre) auf dem Fahrradergometer. Die kognitive Leistung wurde mittels modifiziertem Mini Mental State Examination Test (MMSE, Folstein et al., 1975) gemessen. Beim Follow-Up nach 6 Jahren erzielten Personen mit besserer kardiorespiratorischer Fitness (maximale Sauerstoffaufnahme bei Baseline-Untersuchung) bessere Resultate in den kognitiven Tests, vor allem in den Bereichen Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen. Im Rahmen der amerikanischen Nurse’s Health Study (Weuve et al., 2004) wurden ab 1986 Angaben zur körperlichen Aktivität von 16 466 Krankenschwestern (70–81 Jahre) dokumentiert. Alle 2 Jahre wurde das Bewegungsverhalten der Probandinnen mit Hilfe von Fragebogen zur durchschnittlichen körperlichen Aktivität pro Woche innerhalb des jeweils letzten Jahres erfasst. Die durchschnittlich mit körperlicher Aktivität verbrachte Zeit pro Woche wurde in den metabolisch äquivalenten Wert (MET) umgerechnet und die Resultate in Quintilen eingeteilt. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde anhand von kognitiven Tests im Rahmen von Telefonbefragungen bestimmt. Ergebnisse bei Baseline-Untersuchungen ergaben ein um 20% geringeres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen bei Frauen mit dem höchsten Aktivitätslevel im Vergleich zu Frauen mit dem tiefsten Aktivitätslevel. Abbott et al. (2004) untersuchten in einer prospektiven Kohortenstudie anhand von Daten der Honolulu-Asia Aging Studie bei 2257 kognitiv gesunden Japanern (71–93 Jahre) ebenfalls das Gehverhalten. Die Probanden wurden nach ihrer durchschnittlichen täglich absolvierten Gehdistanz gefragt. Im Weiteren wurden ihnen aufgrund der Resultate bei Gleichgewichts- und Gehtests verschiedene Scores zugeteilt. Neuropsychologische Testungen wurden innerhalb von 5 Jahren zweimal durchgeführt. Die Autoren beschrieben bei Follow-Ups nach 6 bis 8 Jahren ein 1.8-fach höheres Demenzrisiko für Personen, welche <0.25 Meilen/Tag (≈<0.4 km/Tag) zurücklegten im Vergleich zu denjenigen, die >2 Meilen/Tag (≈>3.2 km) zu Fuss absolvierten. In der Canadian Study of Health Aging (Laurin et al., 2001) wurde der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Demenzrisiko bei 4615 älteren Menschen (≥65 Jahre) ohne kognitive Einschränkungen untersucht. Das Bewegungsverhalten wurde mit Hilfe von Fragebogen erfasst und in die Subgruppen geringe, moderate und hohe körperliche Aktivität eingeteilt. Kognitive Testungen wurden jährlich über 5 Jahre hinweg durchgeführt. Resultate zeigten eine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und kognitivem Abbau/Demenzrisiko. Körperlich aktive Personen zeigten ein um 42% reduziertes Risiko für kognitive Verschlechterung beim Follow-Up nach 5 Jahren. Scarmeas et al. (2009) untersuchten anhand einer prospektiven Kohortenstudie den Zusammenhang zwischen den beiden Verhaltensfaktoren körperliche Aktivität und Ernährung und dem Risiko an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken. Es wurden 1880 kognitiv gesunde Probanden (Durchschnittsalter = 77 Jahre) getestet. Die Teilnehmer gaben Informationen zum Bewegungsverhalten (Art, Dauer, Intensität) innerhalb der letzten 2 Wochen an. Das Essverhalten innerhalb des letzten Jahres wurde mit Hilfe eines Ernährungsfragebogens erfasst. Die Resultate setzten sich aus der Anzahl täglich zu sich genommener Kilokalorien und der Verteilung der Lebensmittelgruppen (eingeteilt in 7 Gruppen, z.B. Molkeprodukte, Fleisch, Früchte, Gemüse) zusammen. Die kognitiven Testungen wurden jeweils nach 1.5 Jahren (1992–2006) wiederholt. Die Resultate zeigten für beide Verhaltensfaktoren einen Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit, wobei ein höheres Level an körperlicher Aktivität und eine mediterranisch ausgerichtete Ernährung für die positiven Effekte verantwortlich waren. Colcombe et al. (2006) untersuchten an einer kleinen kognitiv gesunden Stichprobe (N=59, 60–79 Jahre) in einer randomisierten kontrollierten Studie den Einfluss eines 6-monatigen kardiorespiratorischen Gruppentrainings (3x/Woche à 1 Stunde) auf die graue und weisse Substanz im Gehirn, gemessen mit Magnetresonanztomografie. In ihren Resultaten präsentierten sie eine signifikante Steigerung der grauen und weissen Substanz bei der Interventionsgruppe, jedoch keine Steigerung bei der Kontrollgruppe (Stretching). Die bisher genannten Studien untersuchten jeweils gesunde Personen. Eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie von Lautenschlager et al. (2008) untersuchte 170 Probanden (>50 Jahre, Durchschnittsalter = 69 Jahre), die subjektive Gedächtnisprobleme angaben, die Demenzkriterien jedoch nicht erfüllten. Die Interventionsgruppe absolvierte ein 24-wöchiges, selbst gewähltes Ausdauersportprogramm (z.B. Schwimmen, Radfahren, zügiges Gehen, Fitnessübungen), jeweils 3x/Woche à 50 Minuten. Kognitive und physische Tests wurden bei Baseline, bei Beendigung des Programms nach 6 Monaten und nach weiteren 12 Monaten durchgeführt. Die Messungen ergaben bei der Interventionsgruppe eine leichte Verbesserung über den genannten Zeitraum. Burns et al. (2008) gingen der Frage nach, ob Alzheimer-Patienten die gleichen körperlichen Voraussetzungen für ein aerobes Training besitzen wie gesunde Personen. In ihrer Arbeit teilten sie die gesunden Probanden und die im Frühstadium an Alzheimer-Demenz erkrankten Probanden in jeweils zwei Gruppen (N=62, Durchschnittsalter = 75.9 Jahre) ein. Aerobe Fitness wurde mittels Laufbandergometrie zur Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) getestet. Die Resultate zeigten keine Unterschiede der aeroben Kapazität zwischen den beiden Gruppen. Patienten in einem Frühstadium der Alzheimer-Krankheit profitieren gemäss den Autoren genauso sehr von körperlicher Aktivität wie gesunde Personen. Burns et al. beschrieben weiter, dass sich die Gruppe der Alzheimer-Patienten gemäss eigenen Angaben weniger bewegte als die Gruppe mit den gesunden Probanden.
Einfluss von körperlicher Aktivität auf strukturelle und funktionelle Mechanismen im Gehirn
Nebst den indirekten Risikofaktoren wie vaskuläre Risikofaktoren gilt es auch die direkten Auswirkungen von Bewegung und Sport auf die Kognition zu untersuchen. Körperliche Aktivität kann durch strukturelle und funktionelle Mechanismen im Gehirn direkten Einfluss auf die kognitive Leistung nehmen. Personen, die sich regelmässig bewegen, haben beispielsweise weniger Entzündungsmarker im Blut (Ford, 2002). Ein hohes Niveau an Entzündungsmarkern ist mit einem erhöhten Risiko für kognitiven Abbau assoziiert (Yaffe et al., 2003). Untersuchungen von van Praag et al. (1999) ergaben bei Mäusen mit einem Laufrad im Käfig, verglichen mit denjenigen ohne Laufrad, eine gesteigerte Neurogenese und eine Zunahme der synaptischen Plastizität im Gyrus dentatus des Hippocampus. Dieses Hirnareal ist mit Lernen und Gedächtnis verbunden – für Demenzerkrankungen entscheidende Gebiete. Auch Cotman und Berchtold (2002) konzentrierten sich auf Untersuchungen mit Mäusen und Laufrädern. Sie fanden bei aktiven Mäusen erhöhte Levels des Wachstumsfaktors brain-derived neurotrophic factor (BDNF) im Hippocampus. BDNF fördert das Wachstum neuer Neuronen und schützt bereits bestehende Neuronen. Ferner verbessert BDNF die synaptische Übertragung im Gehirn und sorgt somit für die Weiterleitung wichtiger Reize (Cotman und Berchtold, 2002). Im Zusammenhang mit dem zerebralen Blutfluss beschrieben Isaacs et al. (1992) die Angiogenese bei erwachsenen Ratten. Dabei zeigte sich ein positiver Einfluss von körperlicher Aktivität auf das Wachstum von Blutgefässen. Zahlreiche Untersuchungen zu beschriebenen strukturellen und funktionellen Mechanismen im Gehirn (z.B. Cotman et al., 2007, Ding et al., 2006, Erickson et al., 2011) unterstreichen die Chance, durch diese positiven Veränderungen direkten Einfluss auf die kognitive Leistung und deren Erhalt zu nehmen. Weiteres Wissen über die Rolle von körperlicher Aktivität bei Abläufen im menschlichen Gehirn wird benötigt, um dahingehende Aussagen und Empfehlungen genauer zu definieren.

Erkenntnisse aus aktuellen Studien
In einem kürzlich erschienenen Artikel halten Norton et al. (2014) fest, dass weltweit rund ein Drittel der Alzheimer-Erkrankungen modifizierbaren Risikofaktoren zuzuschreiben ist und somit präventiv beeinflusst werden könnte. Die Autoren beschrieben das durch die Bevölkerung beeinflussbare Risiko für folgende sieben Risikofaktoren: Diabetes, Hypertension, Übergewicht, körperliche Inaktivität, Depression, Rauchen und schulische Ausbildung. In den USA, Europa und United Kingdom stellte sich körperliche Inaktivität als stärkster Risikofaktor heraus. Laut aktuellen Schätzungen gilt in diesen Regionen rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung als körperlich inaktiv (Guthold et al., 2008). Norton et al. berechneten folgendes Szenario: Gestützt auf das durch die Bevölkerung beeinflussbare Risiko, in Form von modifizierbaren Risikofaktoren, kann bei einer Reduktion von 10% pro Risikofaktor innerhalb einer Dekade, die Alzheimer-Prävalenz weltweit bis 2050 um 8.3% reduziert werden. In einem kürzlich publizierten Review von Beydoun et al. (2014) beschrieben die Autoren von total 31 ausgewerteten Studien bei 24 Kohortenstudien und 4 Querschnittsstudien eine Beziehung zwischen körperlicher Aktivität und kognitiver Leistung. Auch Beydoun et al. verglichen modifizierbare Risikofaktoren miteinander. Den stärksten Zusammenhang zwischen kognitiver Leistung und den in der Studie untersuchten Risikofaktoren konnte in dieser Arbeit ebenfalls für körperliche Aktivität dokumentiert werden.
Ausblick
Eine grosse Anzahl an Literaturarbeiten setzte sich mit dem Einfluss von körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit auseinander. Die Thematik interessiert insbesondere im Hinblick auf die prognostizierten steigenden Prävalenzraten von Demenzkrankheiten. Nichtpharmakologische Interventionen sind wichtige Werkzeuge, um modifizierbare Risikofaktoren aktiv beeinflussen zu können und dürften in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Evidenzbasierte Arbeiten zeigen in den meisten Fällen einen positiven Einfluss von körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Ein wichtiger Punkt für die Berechtigung weiterer Forschung auf diesem Gebiet ist die Erkenntnis, dass häufig die Bereiche Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung positive Effekte aufzeigen. Diese Domänen sind bei Demenzerkrankungen oft beeinträchtigt. Aktuell fehlt es an Informationen und Wissen bezüglich idealer Art, Dauer und Intensität der Bewegungseinheiten. Es besteht ein Mangel an randomisierten kontrollierten Interventionsstudien, welche die Wirkung von Bewegung und Sport, hinsichtlich Prävention von Demenz und funktionellem Verlust im Alter, weiter verdeutlichen und die Ergebnisse untereinander vergleichbarer machen. Interessant wäre auch, den Effekt von körperlicher Bewegung anhand verschiedener Altersgruppen zu erfassen und somit den Einfluss innerhalb gewisser Lebensphasen besser abschätzen zu können.
Korrespondenzadresse
Sarah Reinhard, Msc
Felix Platter-Spital
Universitäres Zentrum für Altersmedizin
Basel Mobility Center
Schanzenstrasse 55
4031 Basel (Schweiz)
sarah.reinhard@fps-basel.ch
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