Original article

Einfluss einer intensiven Intervall­belastung auf die Beanspruchung der kortikalen Gehirnaktivität

Thomas Gronwald1,2, Sebastian Ludyga2, Kuno Hottenrott1,2
1 Department Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland
2 Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland

Abstract

Due to methodological and technical challenges brain cortical activity has rarely been investigated during endurance exercise. In this respect, it is not surprising that effects of an acute bout of interval training on central nervous activity have not been examined yet. Therefore, the aim of the present investigation was to characterize acute adaptations of brain cortical activity and established parameters to a high intensity endurance session. In a laboratory study sixteen endurance-trained cyclists completed an exercise bout including 3 interval series on a high-performance bicycle ergometer. Changes in cortical activity were recorded with quantitative electroencephalography (EEG) and analyzed in five specific frequency ranges (theta, alpha-1, alpha-2, beta-1, beta-2). Additionally, heart rate, blood lactate concentration and received perception of effort (RPE) were measured. During warm-up brain cortical activity increased above resting levels. Compared to warm-up and active recovery, EEG spectral power in Alpha-2- and Beta-2-band was higher in each interval series. Similarly, heart rate, blood lactate concentration and RPE increased from active recovery to the following interval loads. Whereas those parameters also increased from the first to the last series of intervals, a significant reduction of spectral EEG power was recorded in the theta-, alpha-2-, beta-1- and beta-2-band. The results provide evidence on specific regulations of brain cortical activity during interval training. Gained insights on the dose-response relationship can be transferred into the training practice to optimize load control.

Zusammenfassung

Die Bedeutung der zentralnervalen Ebene bei Ausdauerbelastungen wurde bisher aufgrund der Erfassungsschwierigkeiten zentralnervaler Parameter in der Sportwissenschaft wenig untersucht. Ziel der hier vorgestellten Untersuchungen war es, den Einfluss der Belastungsintensität auf die Hirnaktivität und etablierten Parametern zur Belastungssteuerung während einer Akutbelastung zu charakterisieren. In einer Laborstudie absolvierten 16 ausdauertrainierte Radsportler eine intensive Intervallbelastung auf einem Hochleistungsfahrradergometer. Zentralnervale Veränderungen wurden mittels quantitativer Elektroenzephalografie (EEG) in fünf Frequenzbereichen registriert (Theta, Alpha-1, Alpha-2, Beta-1, Beta-2). Weiterhin wurden die Herzfrequenz, das Blutlaktat und das subjektive Beanspruchungsempfinden (RPE) erfasst. Bereits in der Erwärmungsphase stieg die spektrale Leistungsdichte in allen Frequenzbereichen signifikant über das Ruheniveau. Weiterhin waren gegenüber der Erwärmung und den aktiven Pausen signifikante Anstiege der EEG-Leistung im Alpha-2- und Beta-2-Frequenzband in den nachfolgenden Intervallserien zu verzeichnen. Herzfrequenz, Blutlaktat und RPE zeigten signifikant höhere Werte am Ende der Intervallserien im Vergleich zu den aktiven Pausen. Über den Zeitraum der Belastung zeigte sich im direkten Vergleich der ersten und letzten Intervallserie ein signifikanter Abfall der spektralen Leistungsdichte im Theta-, Alpha-2-, Beta-1- und Beta-2-Frequenzband, während sich RPE und Herzfrequenz signifikant erhöhten. Die Ergebnisse zeigen, dass intensive Belastungen zu einer spezifischen Reaktion der zentralnervalen Aktivität führen. Die daraus ermittelte Dosis-Wirkungs-Beziehung liefert neue Erkenntnisse für die zentralnervale Beanspruchung und mögliche Belastungssteuerung im Trainingsprozess.

Einleitung

Die Ermüdung ist ein komplexer Vorgang, der sowohl in der Peripherie als auch im zentralen Nervensystem auftreten kann [1]. Einige Autoren gehen davon aus, dass insbesondere zentrale Mechanismen die Leistungsfähigkeit in Ausdauerbelastungen limitieren [2,3]. Die Überprüfung dieser Annahme erfordert die Charakterisierung der zentralnervalen Regulation während verschiedener Belastungsregimes. Erkenntnisse über die Aktivität des Zentralnervensystems und speziell des Gehirns während definierter sportlicher Belastungen wurden in der Vergangenheit allerdings wenig publiziert. Ein Grund dafür waren die bis dato gegebenen Erfassungsschwierigkeiten zentralnervaler Parameter bei sportlicher Aktivität. Mit der technischen Weiterentwicklung der Oberflächen-Elektroenzephalografie (EEG) ergeben sich neue Möglichkeiten für Untersuchungen während körperlicher Akutbelastung. Studien von Hall et al. [4], Bailey et al. [5] und Fumoto et al. [6] bestätigen, dass eine Ableitung von EEG-Signalen während zyklischer Akutbelastung unter standardisierten Bedingungen auf einem Fahrradergometer möglich ist. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich während der Belastung vor allem ein Anstieg der spektralen Leistung im Alpha-1- und Alpha-2-Frequenzbereich manifestiert. Fumoto et al. [6] interpretieren die Ergebnisse mit einer Zunahme des Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsniveaus der Probanden. Bei Hall et al. [4] und Bailey et al. [5] kam es zusätzlich zu einem Anstieg der Leistung in den Beta-Frequenzbereichen. Diese könnten im Zusammenhang mit der Beanspruchungssituation und der Belastungsintensität stehen, da die angewandten Stufentests bis zur subjektiven Erschöpfung durchgeführt wurden, während bei Fumoto et al. [6] lediglich 15 Minuten bei einer selbstbestimmten Intensität, welche einem Borg-Wert von 12–13 entsprach, gefahren wurde. Hall et al. [4] führen den zusätzlichen Anstieg im Beta-Bereich auf eine Akkumulation von Belastungsdauer und Intensität während des Stufentests zurück. Die Autoren fordern dazu auf, den Einfluss isolierter Belastungsnormative auf die Hirnaktivität genauer zu untersuchen. Dabei bietet sich vor allem ein Intervalltraining an, das einen effektiven Stimulus für längerfristige Anpassungen der Ausdauerleistungsfähigkeit darstellt [7] und dementsprechend durch eine hohe Relevanz in der Trainingspraxis gekennzeichnet ist. Während diese Trainingsform nachweislich zu hohen Beanspruchungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Metabolismus führt [8,9], liegen bisher keine Ergebnisse zur Dosis-Wirkungs-Beziehung der zentralnervalen Aktivität in Intervallbelastungen vor.
Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die zentralner­vale Regulation während einer intensiven Intervallbelastung mittels quantitativem EEG zu untersuchen, um die Beanspruchung des zentralen Nervensystems während intensiver Intervallbelastung zu charakterisieren. Erwartet wurde ein intensitätsabhängiger Verlauf der Hirnaktivität über den Testzeitraum, der ausserdem im Zusammenhang mit physiologischen und subjektiven Beanspruchungsparametern steht. Die erfassten EEG-Daten sollen dabei zur Exploration der Dosis-Wirkungs-Beziehung auf kortikaler Ebene beitragen.

Methodik

Versuchspersonen
Es wurden 16 ausdauertrainierte Radsportler männlichen Geschlechts von lokalen Radvereinen rekrutiert (Alter: 25,9 ± 3,8 Jahre; Körpergrösse: 180,7 ± 6,1 cm; Körpergewicht:
77,4 ± 8,2 kg; Körperfett: 12,3 ± 3,4%). Eingeschlossen wurden nur gesunde Personen, die keine kardiovaskulären, neurologischen, pulmonalen oder orthopädischen Einschränkungen aufwiesen. Eine weitere Voraussetzung für die Teilnahme war ein Trainingsumfang von 12 bis 16 Stunden bzw. 300 bis 450 km radsportlichem Training pro Woche innerhalb der letzten 6 Monate vor Studienbeginn. Ausserdem wurden nur Probanden mit der Präferenz der rechten Hand zugelassen. Die Studie wurde durch die Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg genehmigt.

Untersuchungsdesign
Im Vorfeld erfolgte ein Eingangscheck nach der S1-Richtlinie der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention [10]. Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Radsportler wurde eine Woche vor dem Belastungstest eine Spiroergometrie mit dem System «Metamax 3b» (Fa. Cortex®, Deutschland) auf einem Hochleistungsfahrradergometer «E 2000s» (Fa. FES®, Deutschland) durchgeführt und die körperliche Leistungsfähigkeit der Probanden in einem Stufentest erfasst (Start: 100 W, Stufeninkrement: 20 W, Stufenlänge: 3 min).
Eine Woche später erfolgte eine Akutbelastung in Form einer Intervalleinheit mit genau definierter Belastungsintensität. Vor dem Test wurde ein Ruhe-EEG unter standardisierten Bedingungen in der Ausgangsposition auf dem Ergometer registriert. Dabei wurde die kortikale Aktivität über 5 min mit geschlossenen und geöffneten Augen erfasst. Die anschliessende Intervallbelastung auf dem Ergometer umfasste drei Belastungsblöcke zu je fünf Intervallen à 60 Sekunden mit der maximal im Stufentest ermittelten Leistung (Pmax). Zwischen den einzelnen Intervallen sowie den Belastungsblöcken wurde eine aktive Pause (AP) durchgeführt. Dazu pedalierten die Probanden jeweils eine Minute bei einer Trittleistung von 100 Watt. Während des Tests wurden das quantitative EEG (QuickAmp-72-channel, Fa. Brain Products®, Deutschland) und die Herzfrequenz (HF) über einen Herzfrequenzmonitor (Fa. Polar®, S 810 i, Finnland) kontinuierlich registriert, wobei für die anschliessende statistische Analyse nur die im Untersuchungsdesign (Abb. 1) dargestellten Messzeitpunkte herangezogen wurden. Des Weiteren wurden die Laktatkonzentration (BL) und der RPE-Wert (Rate of Perceived Exertion) während der Erwärmung, vor und nach den Intervallblöcken sowie am Ende der Belastung erfasst.

Abbildung 1
Abbildung 1: Schemadarstellung der Intervallbelastungen bei der maximal im Stufentest ermittelten Leistung – Pmax (Pfeil gegen unten = Laktatbestimmung, RPE-Wert; Pfeil gegen rechts = Messung EEG und Herzfrequenz kontinuierlich)

Datenerhebung und -auswertung
Die Veränderung der Hirnstromsignale wurde mittels EEG über 32 aktive Oberflächen-Elektroden (actiCAP, Fa. Brain Products®), fixiert in einer Elektrodenhaube (Fa. EASYCAP®) ausgerichtet nach dem internationalen 10:20-System [11], kontinuierlich bei geöffneten Augen registriert. Das erfasste Frequenzspektrum wurde in fünf Frequenzbereiche unterteilt (Theta: 4,5–7,5 Hz; Alpha-1: 7,5–10 Hz; Alpha-2: 10–12,5 Hz; Beta-1: 12,5–18 Hz; Beta-2: 18–32 Hz) und durch die absolute spektrale Leistung [µV2] beschrieben. Die Auswertung erfolgte gesamtkortikal für alle 32 Elektroden pro Frequenzbereich und Messperiodenlänge an den Messzeitpunkten. Genauere Angaben zur EEG-Datenerhebung und -auswertung sind bei Hottenrott et al. [12] nachlesbar.
Die Auswertung der ermittelten Herzfrequenzwerte (Speicherung in 5s-Intervallen) wurde mit der Software «Polar Pro Trainer» (Fa. Polar® Electro GmbH, Finnland) durchgeführt. Die Blutlaktatbestimmung erfolgte aus arterialisiertem Ohrläppchenblut und die Auswertung mit dem «Super GL ambulance» (Fa. Dr. Müller® Gerätebau GmbH, Deutschland) mit Hilfe eines nasschemischen Verfahrens. Das subjektive Beanspruchungsempfinden wurde mit Hilfe der RPE-Borg-Skala erfasst [13]. Während des Belastungstests nahmen die Probanden eine ruhige und optimale Fahr- und Sitzposition ein, um den Kopf so ruhig wie möglich zu halten (s. Abb. 2).

Abbildung 2
Abbildung 2: Untersuchungsaufbau

Statistik
Alle erhobenen Daten wurden statistisch mit der Software «SPSS Statistics 21.0» der Fa. SPSS® ausgewertet. EEG-Leistung, HF-, BL- und RPE-Werte wurden für jeden Messzeitpunkt auf Normalverteilung mittels des Shapiro-Wilk-Tests überprüft. Bei vorliegender Normalverteilung wurden zum deskriptiven Vergleich Mittelwerte (MW) und Standardabweichungen (SD) berechnet. Die statistische Prüfung von Unterschieden zwischen den Messzeitpunkten erfolgte bei metrischen Daten mittels t-Test für abhängige Stichproben. Beim Vorliegen ordinalskalierter Daten wurde der Wilcoxon-Test zur statistischen Analyse herangezogen. Als Signifikanzniveau für statistische Entscheidungen diente p ≤ 0,05 als signifikant.

Ergebnisse

Fahrradergometerstufentest
Die Probanden erreichten im Ergometerstufentest bei einer Herzfrequenz von 187,0 ± 5,8 min–1 eine Sauerstoffaufnahme (VO2peak) von 54,0 ± 6,1 ml·min–1·kg–1 und eine Trittleistung von 338,3 ± 30,8 Watt. Die maximale Wattleistung aus dem Stufentest wurde als Referenz für die Gestaltung des Intervalltrainings herangezogen.

Beanspruchungsparameter
In den Ergebnissen zeigt sich ein signifikanter Anstieg der HF, BL sowie des RPE während der Erwärmungsphasen sowie der Intervallserien (s. Tab. 1). Den Intervallserien folgend zeigten sich mit hoher statistischer Signifikanz kontinuierlich niedrigere HF-, BL- und RPE-Werte in den aktiven Pausen bei 100 Watt. In Betrachtung der drei Intervallserien stieg die HF von Serie zu Serie kontinuierlich an. Im Vergleich der ersten zur zweiten Serie sowie der zweiten zur dritten Serie zeigte sich ein signifikanter Anstieg. Die BL fiel kontinuierlich von Intervallserie zu Intervallserie, wobei nur der Abfall von der ersten zur zweiten Serie ein statistisch signifikantes Niveau erreichte. RPE markierte einen kontinuierlichen Anstieg von Serie zu Serie, signifikant von der ersten zur zweiten Serie. Im direkten Vergleich der ersten mit der dritten Intervallserie zeigten HF und RPE einen signifikanten Anstieg.

Tabelle 1
Tabelle 1: Beanspruchungsparameter in Ruhe, während der Erwärmung sowie während der Intervallbelastungen und den aktiven Pausen

EEG-Aktivität
Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Anstieg der spektralen EEG-Leistung in allen analysierten Frequenzbereichen (Theta: +264%; Alpha-1: +229%; Alpha-2: +201%; Beta-1: +197%; Beta-2: +167%) während der Erwärmungsphasen. Nachfolgend manifestierten sich statistisch belegbar höhere Werte der spektralen EEG-Leistung am Ende der intensiven Intervallserien im Vergleich zu den aktiven Pausen. Im Vergleich der drei Intervallserien verzeichnete die spektrale Leistung von Serie zu Serie einen kontinuierlich absinkenden Verlauf, mit Ausnahme des Alpha-1-Bereichs. Hier verzeichnete die spektrale Leistung im Vergleich der zweiten zur dritten Intervallserie einen erneuten Anstieg. Signifikant war der Leistungsabfall im Alpha-2- und Theta-Bereich von der ersten zur zweiten Intervallserie, signifikant im Beta-2-Bereich von der zweiten zur dritten Intervallserie. Im direkten Vergleich der ersten mit der dritten Intervallserie zeigte sich ein deutlicher Abfall der EEG-Leistung in allen Frequenzbändern, signifikant im Theta-, Alpha-2-, Beta-1- und Beta-2-Frequenzbereich (Theta: –122%; Alpha-1: –24%; Alpha-2: –70%; Beta-1: –84%; Beta-2: –86%).

Tabelle 2
Tabelle 2: Prozentuale Veränderung der spektralen Leistung aller EEG-Frequenzbereiche während der Erwärmung, während der Intervallbelastungen, den aktiven Pausen und in der Erholungsphase nach der Belastung in Bezug zum Ruheausgangswert (= 100%)

Diskussion

Die Aktivierung, repräsentiert durch die spektrale Leistung im EEG, zeigte während der Intervallbelastung einen intensitätsabhängigen Verlauf. Es fällt auf, das gänzlich alle analysierten Frequenzbereiche den Wechsel der Belastungsintensität von den Intervallserien zu den aktiven Pausen widerspiegeln. Hall et al. [4] und Bailey et al. [5] konnten ebenfalls zeigen, dass es zu spektralen Leistungsanstiegen in allen EEG-Frequenzbereichen bei Steigerung der Belastungsintensität während eines Stufentests kommt. Diese intensitätsabhängigen Ergebnisse können mit den vorliegenden Daten bestätigt werden. Hall et al. [4] und Bailey et al. [5] konnten allerdings nicht, wie in den vorliegenden Untersuchungen, isoliert den Einfluss der Belastungsintensität betrachten. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung auf zentralnervaler Ebene, ausgelöst durch verschiedene Belastungsintensitäten, wurde schon von Ekkekakis und Petruzzello [14] postuliert. Weitere Autoren bestätigen intensitätsabhängige Veränderungen in der kortikalen EEG-Aktivität [15–18].
Während der Erwärmung und zu Beginn der Intervallbelas­tung zeigte sich in den vorliegenden Daten der grösste Anstieg der spektralen EEG-Leistung. Dieser Verlauf könnte als ­Bewältigung der akuten Anforderungssituation an den gesamten Organismus und an die zentralnervalen Regulationsmechanismen interpretiert werden. Eine hohe zentralnervale Aktivierung scheint nötig zu sein [19,20], um die sportliche Leistung erbringen zu können. Gleichsam ist eine Be­wusstseinsrepräsentation der bevorstehenden intensiven Intervallbelastungen nicht auszuschliessen. Eine hohe Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung ist in dieser Phase erforderlich. Der ständige efferente und afferente Informationsfluss führt zu Aktivitätsveränderungen grosser Bereiche des Zentralnervensystems [21]. Ein Anstieg der kortikalen und subkortikalen Aktivität ist die Folge. Dieser hohe, für die Leistungsabgabe notwendige, Aktivitäts- und Aufmerksamkeitszustand kann jedoch nicht unbegrenzt lange aufrechtgehalten werden. Ermüdungsvorgänge können sich somit nicht nur in der Körperperipherie vollziehen, sondern auch im Zentralnervensystem. Über den Zeitraum der Belastung zeigte sich im direkten Vergleich der ersten und letzten Intervallserie ein statistisch belegbarer Abfall der spektralen Leistung im Theta-, Alpha-2-, Beta-1- und Beta-2-Frequenzband, während sich RPE und Herzfrequenz signifikant erhöhten. Dieser abfallende Verlauf der Hirnaktivität könnte dahingehend auf einen Ermüdungsprozess hindeuten und steht im Einklang mit den Ergebnissen von Hottenrott et al. [12]. Zentralnervale Regulationsmechanismen «entscheiden» die Aktivierungsimpulse an die Arbeitsmuskulatur in den Beinen im Sinne eines homöodynamischen Schutzmechanismus herabzusetzen [22,23]. Informationen aus allen Teilsystemen des Organismus fliessen dabei ständig zum Zentralnervensystem, und die zentralnervale Regulation bestimmt in Abhängigkeit dieser Inputs den Grad der Aktivierung. Die kortikale Aktivierung während der gesamten Belastung, gemittelt über alle analysierten EEG-Frequenzbereiche, nimmt in diesem Zusammenhang einen umgekehrt U-förmigen Verlauf an (Abb. 3).

Abbildung 3
Abbildung 3: Prozentuale Veränderung der spektralen Leistung über 32 Elektrodenpositionen im Bezug zum Ausgangsniveau (Ruhe = 100%; IS = Intervallserie) gemittelt über das gesamte EEG-Frequenzspektrum (4,5–32 Hz) und allen Pro­banden (schwarz). Umgekehrt U-förmige polynomische Trendlinie aller Messzeitpunkte (weiss).

 

Abbildung 4
Abbildung 4: Oberflächenelektroden fixiert in einer atmungsaktiven Stoffhaube. Die Probanden wurden instruiert, in den Messphasen während des Pedalierens Kopf und Oberkörper so ruhig wie möglich zu halten.

Limitationen

Die Anwendung der Elektroenzephalografie während sportlicher Akutbelastung stellt bisher keinen Standard im Bereich der Trainingswissenschaft und Sportmedizin dar. Das methodische Vorgehen wurde aus den Erkenntnissen bisheriger Studien [5,18] weiter optimiert und standardisiert, um störende Einflüsse und Artefakte weitestgehend zu minimieren. Bei der Auswertung wurden zudem Daten der okzipitalen und temporalen Elektroden (TP9, PO9, O1, Oz, O2, PO1O, TP10) gänzlich von der Analyse ausgeschlossen, um einen verfälschenden Einfluss von Muskelartefakten aus dem Hals- und Nackenbereich auszuschliessen. Da keine hirnregionalen Unterschiede festgestellt werden konnten, wurden alle anderen Elektroden für die abschliessende Analyse für jeden Frequenzbereich und Messzeitpunkt gemittelt. Unklar bleibt weiterhin, in welchem Ausmass periphere Prozesse die kortikale Aktivierung beeinflussen. Zukünftige Untersuchungen sollten demnach EEG- mit EMG-Analysen verbinden.

Schlussfolgerung

Mit der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass intensive Intervallbelastungen eine erhöhte spektrale EEG-Leistung bewirken, die sich im zeitlichen Verlauf von der Reaktion des Herzkreislaufsystems und dem RPE unterscheiden. Der Abfall der Aktivität über die Zeit lässt sich als Marker der Ermüdung interpretieren, welcher zukünftig im Trainingsprozess und der Wettkampfstrategie mit einbezogen werden könnte. Demzufolge könnte eine gezielte Induzierung einer hohen zentralnervalen Aktivität durch wiederholte Intervallbelastungen zur Erhöhung einer Anpassungsreserve auf zentralnervaler Ebene führen und wesentlich zur Leistungssteigerung beitragen. Trotz der hohen Intensität herrscht dabei kein kritischer Zustand für den Organismus, da nach den Intervallen immer wieder Erholungsphasen einsetzen [24–26]. Diese ersten Befunde deuten darauf hin, dass die zentralnervale Komponente möglicherweise eine Schlüsselfunktion im Anpassungsprozess einnimmt. Ob und inwiefern eine hohe zentralnervale Aktivität im Trainingsprozess mit dafür verantwortlich ist, dass Intervalltraining im Vergleich zum klassischen Dauertraining bei gleichem Umfang zu grösseren Verbesserungen der Ausdauerleistungsfähigkeit führt [27–30], muss in weiteren Studien untersucht werden.

Hinweise für die Sportpraxis

  • Ermüdungsprozesse vollziehen sich nicht nur in der Körperperipherie, sondern auch im Zentralnervensystem.
  • Die zentralnervale Aktivierung weisst während sportlicher Belastung einen intensitätsabhängigen Verlauf auf; im Bezug zur Belastungsdauer kann ein umgekehrt U-förmiger Verlauf festgestellt werden.
  • Die Induzierung einer hohen zentralnervalen Aktivität durch wiederholte Intervallbelastungen im Training könnte mittel- bis langfristig zur Erhöhung einer Anpassungsreserve auf zentralnervaler Ebene führen.
  • Die Ergebnisse weiterer eigener Studien [31] lassen den Schluss zu, dass ein Training mit grösstmöglicher Variabilität hinsichtlich Belastungsnormativen, Trainingsmethoden, -mitteln sowie Gerätschaften sportartspezifisch als auch unspezifisch die Anpassung auf zentralnervaler Ebene forcieren kann.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine.

Korrespondenzadresse

Dr. phil. Thomas Gronwald
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Department Sportwissenschaft, Trainingswissenschaft und Sportmedizin
Von-Seckendorff-Platz 2, 06120 Halle (Saale)
Tel. 0345-5524429, Fax 0345-5527054
E-Mail: thomas.gronwald@sport.uni-halle.de

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