Atemmangeltraining: eine systematische Übersichtsarbeit

Holfelder B1, Becker F1
1 Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, Universität Stuttgart

Abstract

Background: High altitude training seems beneficial for many athletes. However, training in altitude is always associated with travel and high expenses. Thus, methods have been developed to achieve similar effects as with high altitude training. One method is voluntary hypoventilation training (VHT). Although commonly used in training, the effectiveness of this method has not been analysed sufficiently. 
Methods: Intervention studies of voluntary hypoventilation training were identified from searches in PubMed, SciVerse Science Direct, Web of Science, Cochrane Library, EBSCOhost and Google Scholar.
Results: Ten studies met the inclusion criteria. In seven studies, an intervention of VHT lead to greater improvements of the performance compared to a control programme.
Conclusions: The overall positive study results support the usefulness of VHT for improving the performance and designing a varied training. Due to the limited numbers of intervention studies and the heterogeneous study designs, the outcomes must be interpreted with caution.

Zusammenfassung

Hintergrund: Höhentraining bietet einen wirkungsvollen Trainingsreiz für viele Sportler. Allerdings ist das Höhentraining mit logistischem und finanziellem Aufwand verbunden, sodass Trainingsmethoden wie das Atemmangeltraining entwickelt wurden, um vergleichbare Trainingseffekte wie durch Höhentraining zu erreichen. Die Wirksamkeit dieser Methode ist aber bisher nicht ausreichend untersucht.
Methode: Zur Identifikation von Interventionsstudien zum Atemmangeltraining wurde in den sechs elektronischen Datenbanken PubMed, SciVerse Science Direct, Web of Science, Cochrane Library, EBSCOhost und Google Scholar recherchiert.
Ergebnisse: Es konnten zehn Interventionsstudien identifiziert werden. In sieben Studien führte das Atemmangeltraining zu grösseren Verbesserungen der Leistungsfähigkeit als ein Kontrollprogramm.
Schlussfolgerung: Die insgesamt positiven Ergebnisse sprechen für den Einsatz von Atemmangeltraining zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und zur Gestaltung eines abwechslungsreichen Trainings. Aufgrund der überschaubaren Anzahl an Interventionsstudien und der heterogenen Studiendesigns sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren.

Einleitung

Höhentraining stellt für viele Leistungssportler, insbesondere von Ausdauersportarten, eine erfolgsversprechende Trainingsmethode zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit dar [1]. Da die Durchführung von Trainingseinheiten in realer Höhe oder in Höhenkammern mit einem grossen logistischen Aufwand und hohen Kosten verbunden ist, gibt es Bemühungen, ergänzende und alternative Trainingsmethoden zu entwickeln – eine davon ist das Atemmangeltraining. Bekannt wurde das Atemmangeltraining durch den Trainer und Wissenschaftler James Counsilman [2]. Diese Methode gewann vor allem im Rahmen der Olympischen Spiele 1968 in Mexico-Stadt (> 2200m ü. d. M.) an Bedeutung [3], nachdem insbesondere die Leistungen in Mittel- und Langstrecken stark abfielen [4]. Zu dieser Zeit wurde davon ausgegangen, dass es durch die ­gezielt verringerte Atmung zu einer reduzierten Sauerstoffkonzentration im Blut kommt und der Effekt eines Höhentrainings nachempfunden werden kann.
Erste Untersuchungen zu Training mit reduzierter Atemfrequenz (RBF, engl. reduced breathing frequency) zeigten, dass es zwar zu einem Anstieg des Kohlenstoffdioxidgehalts (CO2) im Blut kommt, jedoch die Sauerstoffsättigung (sO2) nicht signifikant verringert wird [5,6,7]. Trotz dieser Ergebnisse wurde diese Trainingsform im Rahmen des Atemmangeltrainings als hypoxisches Training (engl. hypoxic training) bezeichnet. Aufgrund des erhöhten CO2-Gehalts betitelten Dicker et al. [6] das Training mit RBF als hyperkapnisches Training. Mittlerweile konnte mehrfach gezeigt werden, dass Atemmangeltraining doch zu einer Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks im Blut, also zu hypoxischen Zuständen, führen kann [3,4,8,9].
Das Atemmangeltraining verfolgt das Ziel, diese hyperkapnischen und hypoxischen Effekte zu kombinieren, die mitunter zu einer starken Übersäuerung des Organismus führen, wodurch es zu einem Abfall des pH-Wertes kommt [9,10,11]. Nach einem längeren Atemmangeltraining konnten höhere Laktatkonzentrationen festgestellt werden, wodurch möglicherweise der glykolytische Stoffwechsel verbessert werden kann [10,12]. Zusätzlich soll durch die verbesserte Pufferkapazität das Auftreten einer Übersäuerung hinausgezögert werden, was die auftretende Ermüdung der Muskeln verzögert und somit die Leistungsfähigkeit steigert [4,8,13]. Als ein weiteres Ziel des Atemmangeltrainings kann die Stärkung der Atemmuskulatur angesehen werden. Dadurch arbeitet die Atemmuskulatur stärker und ökonomischer, wodurch weniger Sauerstoff benötigt wird, der dadurch wiederum anderen Muskeln zur Verfügung steht [8]. Aus der Sicht von Henneberg und Rudolph [3] bringt ein Atemmangeltraining nach Counsilman für den Schwimmsport weniger physiologische, sondern mehr technisch-taktische Vorteile (Rennübersicht, ruhige Wasserlage). Darüber hinaus sehen West et al. [14] psychologische Effekte in Form einer verbesserten mentalen Belastungstoleranz als ein grosses Ziel des Atemmangeltrainings. Besonders in Sportarten, in denen Athleten mit akutem Atemmangel konfrontiert sind, wie beispielsweise bei den Unterwasserphasen und auf der letzten Bahn eines Schwimmwettbewerbs oder beim Massenstart im Triathlon, erscheint es sinnvoll, den Umgang mit diesem «Sauerstoffnotstand» zu trainieren [3,4].

Formen des Atemmangeltrainings
Es gibt verschiedene Methoden, ein Atemmangeltraining durchzuführen. Die ursprüngliche Form ist die der kontrollierten (engl. controlled breathing frequency, CBF) oder reduzierten Atemfrequenz (engl. reduced breathing frequency, RBF). Diese finden aufgrund der Eigenschaft des Wassers vermehrt im Schwimmsport Anwendung. Hierbei wird das Verhältnis von Atemzug zu Armzügen von normalerweise 1:2 bzw. 1:3 auf 1:5 bis 1:9 erhöht oder eine Strecke von 25–50m ohne zu atmen geschwommen [2,4]. Woorons et al. [15] spezifizierten die ursprüngliche Form und nannten sie Training mit freiwilliger Hypoventilation (engl. voluntary hypoventilation training, VHT). Die weitere Entwicklung führte innerhalb des VHT zu der Differenzierung zwischen freiwilliger Hypoventilation auf hohen bzw. geringen Lungenvolumen (engl. voluntary hypoventilation at high lung volume, VHH; voluntary hypoventilation at low lung volume, VHL; siehe Abbildung 1) [10,12,13,16].
Beim VHH wird möglichst viel Luft zwischen zwei Atemzüge in der Lunge gehalten und somit bei fast vollständigem Lungenvolumen der Atem angehalten. Hingegen wird beim VHL die Luft bei geringem Lungenvolumen, d.h. bei funktionellem Residualvolumen angehalten. Kurz vor der nächsten Einatmung erfolgt eine zweite, schnelle, aktive Ausatmung bis nahe des Residualvolumens. Damit soll das während des Atemstillstandes angesammelte CO2 abgeatmet werden, um die Umsetzung der VHL über die geforderte Zeit zu gewährleisten [13].
Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist es, den aktuellen Forschungsstand von Interventionsstudien zum Atemmangeltraining vorzustellen. Auf der Basis der involvierten Studien soll analysiert werden, ob das Atemmangeltraining zu grösseren Verbesserungen der Leistungsfähigkeit führt als das Training mit «normaler» Atmung und welche physiologischen Effekte mögliche Erklärungsansätze liefern. Anlehnend an bisherige Forschungserkenntnisse [4] wird angenommen, dass durch Atemmangeltraining zusätzliche trainingswirksame Reize gesetzt werden können.

Abbildung 1: Hypoventilationstraining bei hohem Lungenvolumen (links) und bei geringem Lungenvolumen (rechts) im Vergleich (mod. nach Woorons et al. [13], S. 2).

Methoden

Suchstrategie
Die systematische Literaturrecherche wurde in folgenden sechs Datenbanken durchgeführt: PubMed, SciVerse Science Direct, Web of Science, Cochrane Library, EBSCOhost und Google Scholar. Für alle Datenbanken wurden die englischen Suchbegriffe «hypoventilation training», «hypoventilation», «voluntary hypoventilation», «reduced breathing frequency», «controlled breathing frequency» und «apnea training», in Verbindung mit «competitive athletes», «sport» und «excercise» verwendet sowie die deutschen Begriffe «Hypoxietraining», «Atemmangeltraining» und «verringerte Atemfrequenz» in Verbindung mit «Leistungssport» und «Bewegung». Zur Optimierung des Rechercheprozesses wurden in den einzelnen Datenbanken einheitlich die Booleschen Operatoren «AND», «OR», «NOT» und «*» mitaufgenommen. Darüber hinaus wurden die Literaturverzeichnisse von relevanten Studien auf weitere potenzielle Studien durchsucht. Es gab keine Beschränkung für den Zeitraum der Veröffentlichung der Studien. Die Recherche wurde am 15. Juli 2017 beendet.

Studienauswahl
Titel und verfügbare Zusammenfassungen der recherchierten Studien wurden überprüft und als potenziell relevante Studien eingeordnet. Es wurden folgende Einschlusskriterien definiert: (a) VHT war explizit ein Untersuchungsgegenstand der Studie, das mit anderen Trainingsmethoden oder einer Kontrollgruppe verglichen wurde, (b) die verwendete Trainingsmethodik entsprach der ursprünglichen Form des Atemmangeltrainings nach Counsilman [2] oder lehnte sich daran an, (c) in der Studie wurden als Probanden gesunde Athleten einbezogen und (d) es handelt sich um einen Artikel mit Peer-Review-Verfahren.

Ergebnisse

Die Recherche ergab N = 3344 Treffer. Nach Durchsicht der Studien entsprechend der Einschlusskriterien, Entfernung von Dopplungen sowie themenfremder Publikationen und der Berücksichtigung von Literaturhinweisen in relevanten Studien, wurden n = 10 Interventionsstudien in diese systematische Literaturübersicht aufgenommen. In allen Studien werden die Ergebnisse eines Atemmangeltrainings (Interventionsgruppe) mit einem Training mit «normaler» Atmung (Kontrollgruppe) verglichen. Die Stichprobengrösse variiert zwischen n = 10 [17] und n = 28 [18]. Der Interventionszeitraum umfasste zwei [19] bis 16 Wochen [18]. Sechs Studien beschäftigten sich mit Effekten im Schwimmen [16,17,8,19, 20,21]. Jeweils eine Studie untersuchte die Effekte im Laufen [12] bzw. im Radfahren [22]. Zwei Studien analysierten die Ergebnisse eines kombinierten Schwimm- und Radfahrtrainings [8,23].
In vier der zehn Studien wurden Freizeitsportler auf regionalem Niveau getestet [12,17,21,22]. Die restlichen sechs Studien erfolgten mit Athleten auf nationalem bzw. Weltklasseniveau [8,16,18,19,20,23]. Drei Studien [13,16,19] untersuchten sowohl Athleten auf nationalem als auch auf regionalem Niveau. Diesen Leistungsdiskrepanzen wurde versucht mit Trainingseinheiten vor Studienbeginn entgegenzuwirken.
In zwei der zehn Studien [12,17] wird eine Randomisierung der Gruppeneinteilung in Kontroll- und Experimentalgruppe (KG / EG) nicht klar beschrieben, weshalb sie als quasi-experimentell eingeordnet werden. In allen weiteren Studien findet eine randomisierte Gruppenzuteilung statt. Jedoch lässt eine Intervention mit Atemmangeltraining keine Verblindung zu, was in drei Studien auch als Kritikpunkt aufgeführt wird [16,19,22].
Zur methodischen Umsetzung des Atemmangeltrainings lässt sich feststellten, dass in vier Studien die Atemfrequenz in Bezug auf die Anzahl der Schwimmzüge [17,18,20] bzw. pro Minute [22] verringert wurde. Drei Studien nutzen die VHL-Methode [12,16,19]. In zwei Studien [8,23] wurden die Probanden aufgefordert, eigenständig die Atmung anzuhalten bis der CO2-Gehalt im Blut über 45mm Hg anstieg, was dem Grenzwert zur Hyperkapnie entspricht [24,25]. Zwischen dem Luftanhalten pausierte der Athlet in Form eines gesamten Atemzyklus. In der Studie von Lavin et al. [21]wurde ein kompletter Atemstillstand über 25m Schwimmen angewendet.
In Tabelle 1 sind die eingeschlossenen Studien entsprechend der Hauptmerkmale Probanden, Sportart, Durchführung inklusive Studiendauer und Probandenzuordnung, Hauptergebnisse und Kritikpunkte der Autoren dargestellt.

Tabelle 1: Übersicht der Interventionsstudien
Tabelle 1: Übersicht der Interventionsstudien
Tabelle 1: Übersicht der Interventionsstudien

Effekte auf die Leistungsfähigkeit
In sieben der zehn Interventionsstudien kam es zu signifikanten Verbesserungen der Leistungsfähigkeit. Bei Kapus et al. [17] verbesserte sich über den Studienverlauf die Schwimmzeit auf 200m Kraul in beiden Gruppen signifikant, wobei die EG sich deutlicher verbesserte. Auch bei Stavrou et al. [18] verringerte sich über die Studiendauer die Schwimmzeit auf 50m Kraul bei der EG im Mittel um 4.7% und bei der KG um 3.1% (Gruppenunterschied mit Baselineunterschied als Kovariate: F(1, 25) = 4.73, p < 0.05)), bei 400m Kraul mit Flossen bei der EG im Mittel um 6%, bei der KG um 2.8% (Gruppenunterschied mit Baselineunterschied als Kovariate: F(1, 25) = 8.02, p < 0.01)). In einer Studie mit VHL verbesserten sich die Schwimmzeiten der EG auf 100m, 200m sowie auf 400m Kraul signifikant (p < .05), wohingegen die KG keinen Unterschied aufwies [16]. Die Ergebnisse von Karaula et al. [23] zeigen eine Veränderung der Schwimmzeit auf 100m Kraul nach Beendigung der Intervention. Hierbei verbesserte sich die KG um 1.1% (d = .26), wohingegen die EG sich um 3.6% verbesserte (d = .86). In der Studie von Trincat et al. [19] erhöhte sich in der EG signifikant die Schnelligkeitsausdauer (p < .01) in Form einer grösseren Anzahl an 25m Kraulsprints bereits nach zwei Wochen Training mit VHL. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Kapus et al. [22] durch Training mit RBF. Hierbei erzielte die EG in einem Stufentest auf einem Radergometer unter RBF deutlich bessere Werte (+275%) im Vergleich zur KG (p < .01). Beide Gruppen verbesserten sich, wobei der Effekt für die KG als mittel einzustufen ist (d = .66), für die EG als gross (d = 2.81). Lavin et al. [21] berichteten eine Verbesserung der Laufökonomie von Schwimmern nach vier Wochen Training mit RBF.

Diskussion

In sieben Studien konnten eindeutige Verbesserungen der Leistungsfähigkeit durch die Atemmangeltraining-Intervention gezeigt werden. Da Freizeitsportler aufgrund ihres Trainingszustandes ein grösseres Entwicklungspotenzial ihrer Leistungsfähigkeit aufweisen, könnte das Leistungsniveau der Probanden einen Erklärungsansatz für die überwiegend positiven Effekte bieten. Jedoch wird dieser Ansatz durch Studien relativiert, die sowohl Verbesserungen für Athleten auf regionalem und nationalem Niveau [16] als auch auf nationalem bzw. Weltklasse-Niveau berichten [18,23]. Neben Verbesserungen der Schwimmzeit, weist die Studie von Karaula et al. [23] auch auf eine Verringerung der Atemzüge beim 100m Kraulschwimmen hin, möglicherweise bedingt durch eine grössere Toleranz bzw. geringere Sensibilität für hyperkapnische Effekte. Weniger Atemzüge können aufgrund weniger Kopf- und Körperrotationen zu geringeren Wasserwiderständen und damit zu einer höheren Kontinuität der Vortriebskräfte führen [27]. Gestützt wird dieser Gedanke durch die Leistungsschwimmpraxis, da Weltklassesprinter im Wettkampf 50 m Freistil und Schmetterling oftmals ohne Atmung schwimmen [3]. Es konnten aber nicht nur Leistungsverbesserungen im Schwimmsport gefunden werden, sondern auch in der Laufökonomie [21] sowie auf dem Radergometer [22]. Interessanterweise zeigen Lavin et al. [21] durch deren Studie, dass sich nicht nur die Leistungs­fähigkeit und Laufökonomie von professionellen Läufern verändert, sondern ebenso die von Schwimmern, was vermuten lässt, dass die Methodik des Atemmangeltrainings sportartenübergreifend anwendbar ist.
Bezogen auf die Anpassungen des Atmungssystems scheint es Unterschiede zwischen den Sportarten zu geben. Während im Schwimmen einige Anpassungen identifiziert werden konnten, zeigte das Trainingsprogramm von Woorons et al. [12] mit VHL bei Läufern keine Veränderungen auf pulmonaler Ebene. Die Studien zeigen, dass vor allem Anpassungen des inspiratorischen sowie exspiratorischen Drucks auftreten. Zwei der Studien [21,23] zeigen eine Verbesserung des maximalen Exspirationsdrucks. Karaula et al. [23] weisen zusätzlich auf einen Anstieg des maximalen Inspirationsdrucks nach 8 Wochen Training mit VHL hin. Die Tatsache, dass solche Anpassungen nicht in den Studien mit Sportarten an Land gefunden wurden, führt zu der Annahme, dass ein Atemmangeltraining die Atemmuskulatur speziell im Schwimmen verbessert. Ein Grund hierfür könnte der höhere hydrostatische Druck des Wassers sein, wodurch die Atemmuskulatur mehr beansprucht [28] und durch Atemmangeltraining deren Ermüdungswiderstandsfähigkeit erhöht wird [20]. Durch den Wasserdruck wird der Brustkorb schon knapp unter der Wasseroberfläche «zusammengedrückt», sodass sich sein Umfang und die Vitalkapazität um bis zu 9% verringern [29].
Des Weiteren geht aus Interventionsstudien hervor, dass eine Trainingsphase (hier 4 Wochen) mit VHL zu einer Erhöhung des pH-Werts und der HCO3-Ionen während submaximaler Belastung führt [12]. Aus diesen Anpassungen resultiert eine verringerte H+-Ausschüttung, was die metabolische Azidose reduziert und die Pufferkapazität vergrössert. Dies sind wohl die Hauptgründe für eine verbesserte Leistungsfähigkeit nach einem Training mit VHL [13].
Die Studie von Zoretic et al. [8] ist die erste Studie, die durch hyperkapnisch-hypoxisches Training (8 Wochen) eine erhöhte Hämoglobinkonzentration von 5.35% und eine erhöhte VO2max von 10.79% bei Eliteschwimmern nachweisen konnte. Damit führte diese Intervention zu vergleichbaren Zunahmen der Hämoglobinkonzentration wie in einer Reihe anderer Studien durch Höhentraining [32]. Nach Wachsmuth et al. [33] nimmt die Hämoglobinkonzentration, aufgrund der Funktion des Hämoglobins den Sauerstoff zur Muskelzelle zu transportieren und dessen engen Bezug zur VO2max [34], einen zentralen Einfluss auf die Ausdauerleistungsfähigkeit ein. Somit scheint die Kombination aus hyperkapnischen und hypoxischen Effekten [8] während eines Atemmangeltrainings eine effektive Trainingsmethode auch im Spitzensport darzustellen. Die Ergebnisse von Zoretic et al. [8] sind auch dahingehend sehr interessant, da lange angenommen wurde, dass die SaO2 durch Atemmangeltraining nicht beeinflussbar ist und nur durch Höhenexposition und dem daraus resultierenden sinkenden Sauerstoffpartialdruck abnimmt. Jedoch wurde beispielsweise in der Studie von Toubekis et al. [9] die Sauerstoffsättigung durch VHL auf 78 ± 9% gesenkt und auch andere Studien berichten von signifikanten SaO2-Abnahmen [z.B. 13,35]. Im Gegensatz zum Höhentraining ist es jedoch schwer, durch Atemmangeltraining eine konstant niedrige SaO2 über einen bestimmten Zeitraum aufrechtzuhalten. Es werden intermittierende Trainings mit ausgleichenden Phasen bei normaler Atmung empfohlen [13,16,36]. Beispielsweise kann ein kontinuierliches VHL-Training zu Kopfschmerzen und Schwindel führen [15], negative Begleiterscheinungen, die auch durch Höhentraining entstehen können [37].
Es soll darauf hingewiesen sein, dass die vorgestellten und diskutierten Ergebnisse aufgrund folgender Punkte mit Vorsicht zu interpretieren sind:

• Die Interventionsdauer, die Intensität, mit der trainiert wurde, die Form des Atemmangeltrainings und das Leistungsniveau der Probanden variiert deutlich zwischen den Studien, weshalb Vergleiche nur bedingt möglich sind.
• Die untersuchten Stichproben sind relativ klein, was zwar insbesondere in Studien mit Spitzenathleten nachvollziehbar ist, aber die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt.

Abschliessend sind zwei Kritikpunkte dieses Beitrags anzuführen. Obwohl dem Atemmangeltraining auch psychologische Effekte zugeschrieben werden [14], konnten in diesem Beitrag aufgrund fehlender Befunde keine Aussagen dazu getroffen werden. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung auf Interventionsstudien führte dazu, dass die n = 24 in der Recherche identifizierten Beobachtungsstudien nicht berücksichtigt wurden.

Zusammenfassung und Ausblick

Ziel dieser systematischen Literaturübersicht war es, Interventionsstudien zum Atemmangeltraining zu analysieren und mögliche Erklärungsansätze von Leistungsverbesserungen durch diese Trainingsform vorzustellen und zu diskutieren.
Die Ergebnisse sprechen zum Grossteil für die Wirksamkeit von Atemmangeltraining, sowohl im Breiten- als auch im Spitzensport. Für den Leistungssport scheint Atemmangeltraining eine sinnvolle methodische Ergänzung, um die Variabilität zu erhöhen und schon bei relativ geringer Belastung eine hohe Beanspruchung zu bewirken. Möglicherweise stellt das Atemmangeltraining insbesondere für Höhentraining Non-Responder [32] eine sinnvolle Alternative zum Höhentraining dar. Jedoch gilt es aktuell noch zu erforschen, welche Form mit welcher Intensität zu den grössten Verbesserungen führt und ob Wirkmechanismen auf molekularer Ebene, wie beispielsweise HIF1α, dafür verantwortlich sind bzw. ein tieferes Verständnis liefern können [10]. Eine weitere interessante Forschungsperspektive ergibt sich für die bereits erwähnten aber bisher wenig untersuchten, psychologischen Effekte durch Atemmangeltraining. Die Eigenschaften des Wassers und die daraus resultierende einfachere methodische Umsetzung erklärt vermutlich die Dominanz von Studien mit Schwimmern. Die Untersuchung von weiteren Sportarten, auch mit wiederholend kurzen und intensiven Belastungen wie beispielsweise Fussball oder Handball, eröffnet weitere Perspektiven.

Praktische Relevanz

  1. Bei exzessiver oder falscher Anwendung birgt das Training mit Atemmangel Gefahren und sollte daher nur unter professioneller Betreuung durchgeführt werden. Insbesondere VHL kann eine physische und psychische Belastung darstellen.
  2. Atemmangeltraining kann zu einem abwechslungsreichen Training beitragen und scheint für Ausdauersportarten eine sinnvolle Trainingsmethode zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit zu sein.
  3. Die Effekte durch Atemmangeltraining sind nicht mit denen durch Höhentraining gleichzusetzen, jedoch kann Atemmangeltraining als eine relativ einfache und kostengünstige Ergänzung betrachtet werden.
  4. Aufgrund der Eigenschaften des Wassers und dass sich im Schwimmsport bereits eine Atemfrequenz von einem Atemzug/2–3 Armzüge etabliert hat, ist die Umsetzung von Atemmangeltraining im Wasser besonders unkompliziert.

Danksagung

Wir danken Dr. Niklas Brown für die konstruktiven Kommentare zum Manuskript.

Korrespondenzadressen

Dr. Benjamin Holfelder
Allmandring 28
70569 Stuttgart
benjamin.holfelder@inspo.uni-stuttgart.de
+49 711 685 63167

 

Felix Becker
Allmandring 28
70569 Stuttgart
belix.fecker@gmx.de

 

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1 Effektstärken werden als Cohen’s d dargestellt und entsprechend der Konventionen nach Cohen [26] mit d < .5 als kleiner Effekt, d zwischen .5 und .8 als mittlerer und d > .8 als grosser Effekt eingeordnet.

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