Kindersportmedizin – Warum wir sie brauchen
Förster H1,2, Radtke T1,3, Hebestreit H1,4, Kriemler S1,3
1 Vorstand der Gesellschaft für Kindersportmedizin
2 Pädiatrische und sportmedizinische Praxis, Salzburg, Österreich
3 Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich, Zürich, Schweiz
4 Universitäts-Kinderklinik Würzburg, Würzburg, Deutschland
Kinder sind von klein auf hoch motiviert, sich zu bewegen, freuen sich an neu gewonnenen motorischen Fertigkeiten und haben Spass an der Bewegung. Dabei geht es nicht um Sport, sondern einfach nur um die aktuelle Freude an der Aktivität an sich. Sport – also Bewegung um eines Zieles wegen – sollte später kommen. Das Eintrittsalter in den Wettkampfsport ist jedoch in den letzten Jahren gesunken, Leistungssport bei Grundschülern mit Trainingsumfängen von 10–20 Stunden pro Woche in Sportarten wie Schwimmen, Turnen, rhythmische Sportgymnastik oder Ähnliches hat es früher nicht gegeben. Somit steigt der Druck auf Sportler/innen und Betreuer/innen, die sehr jungen Sportler/innen gesund durch ihre sportliche Karriere zu führen. Die Kindersportmedizin muss sich dabei auch mit Themen wie Überlastungsschäden und Verletzungen des Bewegungsapparats, Doping und Nahrungsergänzungsmitteln bzw. mit Ernährung an sich beschäftigen.
Seit rund 50 Jahren haben sich Ärzte vermehrt im Bereich der Kindersportmedizin engagiert, und dieses Gebiet der Medizin hat sich inzwischen als wichtiger Partner sowohl im Leistungssport als auch im Breitensport und im Sport bei chronischen Erkrankungen etabliert.
International einer der visionären Vorreiter war Oded Bar-Or (2005 verstorben), der während der Blütezeit seiner Karriere an der McMaster Universität in Hamilton (Ontario/Kanada) als Professor tätig war und dort das «Children’s Exercise and Nutrition Center» aufbaute. Er inspirierte unzählige Menschen weltweit zur klinischen Tätigkeit und zur Forschung auf dem Gebiet der Kindersportmedizin. Einer seiner Schüler, Helge Hebestreit, jetzt Professor an der Universitäts-Kinderklinik Würzburg (D), nahm diese Ideen auf und suchte nach Mitstreitern in Europa. Als es 1994 zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Sportmedizin mit ihrem ersten Vorsitzenden Prof. Jüngst (Anfang August 2017 leider früh verstorben) kam, war er Teil der Initiative. Aus der Arbeitsgemeinschaft entwickelte sich ein intensiver Gedankenaustausch von sportmedizinisch interessierten Kinderärzten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Im Jahr 2000 wurde dann daraus die Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin (GPS; http://www.kindersportmedizin.org), zunächst unter der Leitung von Helge Hebestreit, aktuell unter der Führung von Frau Prof. Dr. Susi Kriemler aus Zürich (CH) und Dr. Holger Förster aus Salzburg (A). Die Gesellschaft ist klein und fein, versucht das attraktive Gebiet der Kindersportmedizin im deutschsprachigen Raum zu bündeln und auszubauen und nach aussen Expertise zu bieten. Die Gesellschaft tagt einmal pro Jahr in einem der D-A-CH-Länder.
Daneben gibt es eine lose europäische Vereinigung von Ärzten und Wissenschaftern (Pediatric Work Physiology Group, http://www.pwp2017.org), welche jedes Jahr alternierend mit dem amerikanischen «Pendant», der North American Society for Pediatric Exercise Medicine (NASPEM, http://www.naspem.org) einen Kongress organisiert und Ärzten und Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Kindersportmedizin offensteht. Der diesjährige Kongress wird in Griechenland stattfinden (www.pwp2017.org). NASPEM gibt ausserdem mit «Pediatric Exercise Science» ein Fachjournal heraus (http://journals.humankinetics.com/journal/pes), das sich ausschliesslich mit unserem Gebiet beschäftigt. Beide Organisationen sind attraktiv für alle, die sich weiterbilden und verlinken möchten.
Als sichtbares Zeichen der produktiven Arbeit auf dem Gebiet der deutschen Kindersportmedizin kam 2002 ein Buch der Gesellschaft im Thieme Verlag auf den Markt und brachte damit die Inhalte auch einem grösseren Publikum nahe. Prinzipiell geht es den Kindersportmedizinern um das Verstehen von biologischen Anpassungsvorgängen kindlicher und jugendlicher Organismen an sportliche
Aktivität und um Grenzen der gesunden Belastbarkeit in physiologischer und psychologischer Hinsicht. Es geht um sportmedizinische Eignungskontrollen im Breiten- und Spitzensport und um leistungsphysiologische Normalwerte für Kinder im Sport. Derzeit gibt es weltweit intensive Diskussionen über die Notwendigkeit einer EKG-Kontrolle bei jungen Sportlern im Rahmen ihrer Sporttauglichkeitskontrolle. Die GPS mit kardiologischen Spezialisten in ihren Reihen erarbeitet hier objektive, fundierte Beiträge und ist in engem Kontakt mit entsprechenden Entscheidungsträgern der einzelnen Länder.
In den letzten Jahren hat sich eine Gruppe der GPS Gedanken gemacht, wie Ärzte einen Bezug zu Sportarten bekommen können, die sie selber nicht kennen. Es entstand eine Vielzahl von Sportartenprofilen mit Beschreibung der Sportart, Anforderungen, die sich daraus für das Kind ergeben, bzw. möglichen gesundheitlichen Problembereichen, auf die bei der sportmedizinischen Untersuchung geachtet werden soll. Somit können fundierte Empfehlungen für ein spezifisches Training abgegeben werden.
Andererseits geht es aber auch um die leider immer grösser werdende Gruppe der Kinder, die Bewegung «verlernt» haben, jedoch dringend für ihre Entwicklung und Gesundheit bräuchten. Wie bringen wir diese Kinder zu einem aktiven Lebensstil zurück – es muss nicht immer Sport sein – und reduzieren damit Folgekrankheiten, die wir unter dem Titel Zivilisationskrankheiten kennen? Zuletzt geht es auch um eine Gruppe, die uns Kinderärzten sehr am Herzen liegt, die Gruppe der chronisch kranken Kinder (v. a. um Erkrankungen von Herz, Lunge, Stoffwechsel und Bewegungsapparat, aber auch andere Krankheitsbilder beispielsweise aus der Neuropädiatrie oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie), die trotz und wegen ihrer Grundkrankheit Sport betreiben möchten und sollen. Sie fordern uns im Zusammenspiel der Expertise aus Kinder-Jugend-Medizin und Sportmedizin in speziellem Mass heraus.
Die GPS hat unter ihren Mitgliedern mittlerweile auf allen Gebieten Spezialisten, die hoch motiviert klinisch arbeiten sowie forschen und versuchen, die gewonnenen Erkenntnisse auch zu den Sportlerinnen, Sportlern und Entscheidungsträgern zu bringen. Wir sind dankbar für weitere Hilfe von engagierten Kolleginnen und Kollegen. Kinder sind unsere Zukunft – auch im Sport – und bedürfen besonderer Zuwendung.
Korrespondenzadresse
Dr. Holger Förster
FA für Kinder- und Jugendheilkunde,
FA für Allgemeinmedizin
ÖÄK Diplom Homöopathie/Akupunktur/ Neuraltherapie Sportmedizin/
Manuelle Medizin – Diplom Alpinmedizin
Innsbrucker Bundesstrasse 75
A-5020 Salzburg
E-Mail: ordination@dr-foerster.at
http://www.dr-foerster.at
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