Wyttenbach Samuel, Barker-Ruchti Natalie, Iten Karin, Leemann Franziska, Gerber Stefanie
Swiss Olympic, Projektteam Ethik im Sport, Ittigen b. Bern, Schweiz

Zusammenfassung

Ein Sport, der das Wohlbefinden der Menschen im Sport kompromisslos ins Zentrum setzt, basiert auf drei starken Pfeilern: eine gut koordinierte Prävention, achtsame Förderstrukturen und ein unabhängiges Meldesystem. Swiss Sport Integrity ist die Melde- und Untersuchungsstelle bei Ethikverstössen und Missbräuchen im Sport. Swiss Olympic und seine Mitglieder, das Bundesamt für Sport BASPO sowie die Kantone sorgen für optimale Förderstrukturen und setzen gezielte Präventionsmassnahmen um.

Abstract

A sport that uncompromisingly places the well-being of ­people in sport at its heart is based on three strong pillars: well-coordinated prevention, mindful support structures and an independent reporting system. Swiss Sport Integrity is the reporting and investigative body for ethical violations and abuse in sport. Swiss Olympic and its members, the Federal Office of Sport FOSPO and the Swiss cantons ensure optimal support structures and implement targeted prevention measures.

Keywords: ethics, safeguarding, proximity, direction, protection

Einleitung

Ethisches Handeln im Sport bedeutet, dass die Würde des Menschen oder das psychische, physische und soziale Wohlbefinden an erster Stelle steht. Um die Würde der Menschen im Sport zu wahren, braucht es einen Austausch zu Haltungen rund um Macht, Ideale, Nähe und Druck. Ethisches Handeln erfordert gemeinsames Nachdenken über das gute Mass: Sowohl ein «zu viel» an Macht, Idealen, Nähe oder Druck, aber auch ein «zu wenig» kann die Würde verletzen. Das Streben nach persönlicher Bestleistung wird dabei nicht geschmälert, aber es wird eine Grenze gesetzt, die nicht überschritten werden darf. Hohe Trainings- und Wettkampfziele sind nie Legitimation für ethisch verwerfliches Handeln. Erniedrigendes Beleidigen, psychische oder physische Gewalt oder das Androhen von Straftraining für die ganze Mannschaft: Diese Handlungen toleriert der Schweizer Sport nicht. Im Schweizer Sport soll eine Kultur der Mit- und Selbst­bestimmung etabliert sein. Die Ethik-Charta gibt dabei die Leitprinzipien vor, welche durch das Ethik-Statut sanktionierbar werden und welche durch die Handlungsgrundsätze und den Ethik-Kompass konkret anleitend für alle Menschen im Sport sind.

So schützt der Schweizer Sport die Menschen im Sport

Sport macht Spass, bietet Kindern und Jugendlichen ein ideales und geschütztes Lernfeld und bietet einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert im Sinne der Gesundheit und Integration. Damit der Sport dies alles ermöglichen kann, baut das Schweizer Sportsystem auf drei Bausteinen auf:

  1. Umsichtiges, präventives Engagement aller Beteiligten, damit die Menschen im Sport die notwendigen Kompetenzen für ethisches Handeln haben,
  2. Förderstrukturen, welche dieses Handeln begünstigen und fördern, sowie
  3. ein Interventionssystem, welches Verstösse konsequent aufdeckt und ahndet.

In diesem System haben die verschiedenen Organisationen und Menschen im Sport unterschiedliche Rollen, Aufgaben und Grundlagen. Trainer*innen handeln beispielsweise im Sinne der Prävention vorbildlich, schauen genau hin, schützen andere und sollen gleichzeitig eine Gefährdung melden. Es ist dann Aufgabe der unabhängigen Stiftung Swiss Sport Integrity (SSI), den Meldungen nachzugehen, diese objektiv zu untersuchen und der Disziplinarkammer zur Beurteilung vorzulegen. Rechtsgrundlage für Swiss Sport Integrity ist dabei das Ethik-Statut, das für alle Schweizer Sportverbände und Sportvereine gilt.
Es ist nicht immer offensichtlich, wie eine Situation einzuschätzen ist und welche Handlungsmöglichkeiten angebracht sind. Da kann der Swiss Olympic Ethik-Kompass, welcher ab 2024 allen Menschen im Sport zur Verfügung steht, helfen. Die irritierende Situation kann mithilfe von Begriffen und Situationsbeispielen in eine der vier Farben (Grün, Grau, Orange, Rot) eingeordnet werden und daraus lassen sich die notwendigen Massnahmen ableiten.

Was in der ersten Projektphase geschah

In einer ersten Projektphase wurde ein gemeinsames Verständnis in Form von Handlungsgrundsätzen geschaffen und Ethik mit dem Ethik-Statut und der Sportförderungsverordnung verbindlich im Sport verankert. Auf dieser Grundlage wurde auch Swiss Sport Integrity, die unabhängige Melde- und Untersuchungsstelle bei Ethikverstössen und Missbräuchen im Sport, eingeführt.

Was aktuell in der zweiten Phase ansteht

In der zweiten Phase von «Ethik im Schweizer Sport» werden die Förderstrukturen und Präventionsmassnahmen im Schweizer Sport weiter verbessert. Die insgesamt 16 Arbeitsgruppen sowie zusätzliche Begleitgruppen, zusammengestellt aus den verschiedenen Akteuren im Sport, erarbeiten in dieser Phase gezielt nachhaltige Massnahmen. Zusätzlich werden die Verbände von Swiss Olympic zu einer Analyse eingeladen, um die sportspezifische Ausgangslage zu erkennen und Massnahmen zu definieren.
Die Ergebnisse aus diesen Arbeiten sind gegen Ende 2024 zu erwarten. Dabei trägt Swiss Olympic den Bedürfnissen nach akuter Unterstützung Rechnung und setzt laufend zielgerichtete Erstmassnahmen um. Etwa mit der Kampagne «Are you OK?», der mehrteiligen Podcast-Reihe zu Ethik-Themen und dem Ethik-Kompass, welcher später im Detail erläutert wird.

«Are you OK?»-Kampagne on-air im Juni–Juli und November 2023 und mit neuem Sujet ab Herbst 2024.
Alle Episoden in Deutsch, Französisch und Italienisch sind auf swiss­olympic.ch und anderen gängigen Podcast-Portalen verfügbar.

Der Ethik-Kompass von Swiss Olympic ist Orientierungshilfe, Handlungs-Wegweiser und Sensibilisierungstool in einem

Im Schweizer Sport soll die Würde aller beteiligten Menschen an erster Stelle stehen. Athlet*innen, Trainer*innen und alle Beteiligten brauchen einen gesunden, respektvollen, fairen und erfolgreichen Sport. Ethikverstösse und Grenz­überschreitungen haben hier keinen Platz. Der Ethik-Kompass sensibilisiert, informiert und ermutigt zu ethischem Handeln und verbessert so die Qualität im Sport.
Aber was heisst das genau? Ethisches Handeln erfordert das gemeinsame Nachdenken über das gute Mass. Sowohl ein «zu viel» an Macht, Idealen, Nähe oder Druck, aber auch ein «zu wenig» kann die Würde verletzen. Anhand von beschreibenden Begriffen und konkreten Beispielen zeigt der Kompass auf, wie eine entsprechende Situation einzuordnen ist. Liegt sie im grünen oder gar roten Bereich?
Betroffene und Beteiligte finden hier konkrete Tipps, Hilfestellungen sowie Handlungsmöglichkeiten. Denn Hinschauen allein schützt nicht – es braucht immer den Mut zum Handeln.

So funktioniert der Swiss Olympic Ethik-Kompass

Der Kompass ist unterteilt in die vier Kernthemen Macht, Ideale, Nähe und Druck und steuert durch vier Farben mit jeweils dazu passenden Begriffen. Zu jedem Begriff ist ein Beispiel vorhanden und der Kompass zeigt auf, was in dieser konkreten Situation zu tun ist. Das Tool soll Orientierung bieten und zu Diskussionen anregen. Der Ethik-Kompass als Orientierungshilfe, Handlungs-Wegweiser und Sensibilisierungstool ist ab Februar 2024 online verfügbar.

Alles dreht sich um die vier Kernthemen

Wie Macht reflektieren und teilen?
Durch Macht können positive Veränderungen bewirkt werden. Leider wird Macht jedoch auch häufig missbraucht, was die Würde verletzt. Der sorgfältige und umsichtige Umgang mit Macht entwickelt sich nicht einfach so, sondern ist eine Errungenschaft jeder einzelnen Person, jeder einzelnen Gruppe, jedes einzelnen Vereins und jeder einzelnen Sportart. Macht wirkt in sämtlichen Beziehungen und Strukturen des Sportsystems.

Wie Ideale erkennen und hinterfragen?
Im Sport spielen Ideale eine grosse Rolle. Manche fördern Teamgeist und gesunde Entwicklung. Andere können jedoch zu extremen Ansichten führen wie Diätwahn, das Motto «No pain, no gain» oder der Drang, immer über die eigenen Grenzen zu gehen. Dies kann unbemerkt die Würde gefährden, wird aber oft nicht hinterfragt. Deshalb ist es wichtig, rund um Ideale ein gutes Mass zu finden und kritisches Denken zu fördern.

Wie Nähe gestalten und begrenzen?
Im Sport sind die Beziehungen untereinander wichtig – sei es innerhalb des Teams, zwischen Sportler*innen und Trainer*innen, den Vereins- und Verbandsfunktionär*innen oder mit den erziehungsberechtigten Personen. Und diese Beziehungen brauchen eine angemessene Nähe, sowohl körperlich als auch emotional. Ebenso wichtig ist die schützende Distanz. Jede Person hat das Recht auf Wahrung der Privat- und Intimsphäre. Persönliche Grenzen dürfen nicht überschritten werden. Dies wäre eine Verletzung der Würde. Besonders wichtig sind deshalb klare Grenzen, gerade auch in Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen, beispielsweise zwischen Erwachsenen und Kindern.

Wie Druck verantworten und limitieren?
Sport ist wettbewerbsorientiert und daher oft mit Druck verbunden. Ein angemessener Druck ist förderlich, jedoch kann zu viel Druck Stress auslösen. Nicht nur Athlet*innen, sondern auch Trainer*innen, Erziehungsberechtigte, Vereine und Verbände stehen unter Leistungsdruck – manchmal üben sie selbst Druck aus. Sportliche Aktivitäten setzen auch die Umwelt und die Nachhaltigkeit unter Druck. Druck kann viele Formen annehmen. Die Frage ist, wie viel Druck ist zu viel? Ob Schmerzen oder schlechter Schlaf: Wenn die Signale des Körpers ignoriert werden, kann dies die Würde verletzen. Das gilt auch, wenn Selbstbestimmung und Fürsorge missachtet werden.

Die Bedeutung der vier Farben

Korrespondenz

Samuel Wyttenbach
Swiss Olympic
Haus des Sports
Talgut-Zentrum 27
3063 Ittigen b. Bern
samuel.wyttenbach@swissolympic.ch

Referenz

Literatur beim Autor erhältlich.

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