Interview conducted by German Clénin, member of Health4Sport group, and SEMS past president
Can you summarize the most important findings of the Pachmann Report 2021 for our readers in a few sentences?
The Swiss Gymnastics Federation (STV-FSG) operated a completely dysfunctional elite sport concept in rhythmic gymnastics (RG). The goals set could not be achieved with the resources available. This affected not only the human and financial resources, but above all the infrastructure. To this day, there is no training hall with an RG floor in Switzerland. Nevertheless, the training volumes and methods were not adapted to the targets set, which greatly increased the risk injuries. This ultimately led to every athlete being overloaded in many respects.
What has occupied you the most in your work, perhaps even frightened you?
The most publicized issue was the questionable treatment of the gymnasts. Almost all of the gymnasts surveyed were regularly (i.e. at least once a month) shouted at, around half of them were hurt by their coaches and one in ten were beaten. Personally, however, I was most concerned by the fact that there was no gymnast in the STV-FSG’s support systems who was older than an average Olympic participant. Gymnasts regularly had to bury their dreams much earlier for health reasons. As early as the age of 13, half of the gymnasts cited health reasons for retiring from top-level sport.
What reactions have you had following this report? Have other sports federations contacted you?
The public is of course still interested, especially when accusations are made against coaches. However, due to the waves that our report has caused, no sports federation naturally wants such an in-depth investigation, which is probably why no one has come forward. However, this is too short-sighted: sports federations should also regularly audit themselves. Just as companies regularly have external audits carried out in order to develop themselves further, this would certainly also make sense for sports federations. An external audit is probably also needed, especially as the existing institutions cannot approach the issue with the necessary distance.
You were a judoka yourself at a good level and are still a coach in this sport. As a lawyer, you were able to carry out and evaluate such a study. This has given you an in-depth insight into Swiss sport. Now the question: What is wrong with Swiss sport? In your opinion, where should or must we start?
I don’t believe that Swiss sport is generally sick, even if the number of reports to Swiss Sport Integrity is increasing at the moment. However, an absolute focus on the overall well-being of children and young people could certainly bring about a significant improvement. Children should not have to choose between sport and school, but should be able to pursue their interests to the best of their ability and be encouraged to do so. This requires more permeable and professional structures between state and private support for children and young people, a network between private and public sports support, whereby the focus must always be on the child and the young person.
What would you like to see from the public authorities? The Federal Office For Sport (FOSPO), Swiss Olympic and the political decision-makers?
A first step has been taken with the Swiss Sport Integrity Foundation. However, this is just the beginning. This institution should not obscure the fact that Swiss Sport Integrity could not have prevented the problems in the STV-FSG. This would have been the task of the institutions you mentioned, in addition to the STV-FSG itself. They did not manage to turn the available information into effective monitoring of the sports federations. There was a lack of critical debate. There is a need for better, more transparent cooperation between the institutions and the sports federations, whereby the sports federations must also be given sufficient autonomy to find their own solutions, as long as these solutions are critically reviewed on a regular basis. If the institutions in question are unable to exercise the necessary control, additional external control is required.
Interviewer
German Clénin
Dr. med.
german.clenin@smzbi.ch
Korrespondenz
Thilo Pachmann, Rechtsanwalt Dr.
Pachmann AG (www.pachmann.law)
Lehrbeauftragter für Sportrecht an den Universitäten in Seoul und Zürich
E-Mail: thilo.pachmann@pachmann.law
Tel. +41 44 215 11 33
Interview geführt von German Clénin, Mitglied der Health4Sport-Gruppe und ehemaliger SEMS-Präsident
Können Sie die wichtigsten Erkenntnisse des Pachmann- Reports 2021 für unsere Leserinnen und Leser in wenigen Sätzen zusammenfassen?
Der Schweizer Turnverband (STV) betrieb in der Rhythmischen Gymnastik (RG) ein vollkommen dysfunktionales Spitzensportkonzept. Die gesetzten Ziele waren mit den vorhandenen Mitteln nicht zu erreichen. Dies betraf nicht nur die personellen und finanziellen Mittel, sondern vor allem auch die Infrastruktur. Bis heute gibt es in der Schweiz keine Halle mit einem RG-Unterboden. Dennoch wurden aufgrund der gesetzten Ziele die Trainingsumfänge und -methoden nicht angepasst, was Verletzungen stark begünstigte. Dies führte letztlich zu einer Überforderung aller Beteiligten in vielerlei Hinsicht.
Was hat Sie bei Ihrer Arbeit am meisten beschäftigt, vielleicht auch erschreckt?
In der Öffentlichkeit wurde am meisten über den fragwürdigen Umgang mit den Gymnastinnen berichtet. So wurden regelmässig (d. h. mindestens einmal monatlich) fast alle befragten Gymnastinnen angeschrien, etwa der Hälfte wurden von den Trainerinnen Schmerzen zugefügt und jede Zehnte wurde geschlagen. Persönlich hat mich allerdings am meisten beunruhigt, dass es in den Fördersystemen des STV keine Gymnastin gab, welche älter als eine durchschnittliche Olympiateilnehmerin war. Die Gymnastinnen mussten regelmässig aus gesundheitlichen Gründen ihren Traum schon viel früher begraben. Bereits im Alter von 13 Jahren gab die Hälfte der Gymnastinnen gesundheitliche Gründe für den Rücktritt vom Spitzensport an.
Was hatten Sie für Reaktionen nach diesem Report? Haben sich weitere Sportverbände bei Ihnen gemeldet?
Die Öffentlichkeit ist natürlich nach wie vor daran interessiert, vor allem dann, wenn wieder irgendwelche Vorwürfe gegen Trainer in den Raum gestellt werden. Aufgrund der Wellen, welche unser Bericht geworfen hat, will aber natürlich kein Sportverband eine derart tiefgreifende Untersuchung, weshalb sich wohl keiner gemeldet hat. Dies ist allerdings zu kurz gedacht: Die Sportverbände sollten auch sich selbst regelmässig überprüfen. So wie regelmässig Unternehmen externe Audits machen lassen, um sich weiterzuentwickeln, würde dies sicherlich auch für Sportverbände Sinn machen. Vermutlich braucht es denn auch eine externe Kontrolle, zumal die bisherigen Institutionen nicht mit der notwendigen Distanz die Thematik angehen können.
Sie waren selber Judoka auf gutem Leistungsniveau und sind nach wie vor Trainer in dieser Sportart. Als Rechtsanwalt konnten Sie eine solche Studie durchführen und auswerten. Somit haben Sie einen vertieften Einblick in den Schweizer Sport. Nun die Frage: An was krankt denn der Schweizer Sport? Wo sollten bzw. müssen wir Ihrer Ansicht nach ansetzen?
Ich glaube nicht, dass der Schweizer Sport generell krank ist, auch wenn sich momentan die Anzeigen bei Swiss Sport Integrity immer mehr häufen. Eine absolute Fokussierung auf das umfassende Wohl des Kindes und der Jugendlichen könnte allerdings sicher eine deutliche Verbesserung bringen. Kinder sollten sich nicht zwischen Sport und Schule entscheiden müssen, sondern ihren Neigungen bestmöglich nachgehen können und darin gefördert werden. Dafür braucht es durchlässigere und professionellere Strukturen zwischen staatlicher und privater Förderung der Kinder und der Jugendlichen, eine Vernetzung zwischen privater und öffentlicher Sportförderung, wobei stets das Kind und die Jugendlichen im Zentrum stehen müssen.
Was wünschen Sie sich von den öffentlichen Stellen? Dem BASPO, Swiss Olympic und den politischen Entscheidungsträgern?
Mit der Stiftung Swiss Sport Integrity wurde ein erster Schritt getan. Dies ist allerdings erst ein Anfang. Diese Einrichtung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Swiss Sport Integrity die Probleme im STV nicht hätte verhindern können. Dies wäre – neben dem STV selbst – die Aufgabe der von Ihnen angesprochenen Institutionen gewesen. Diese schafften es nicht, die vorhandenen Informationen in eine effektive Kontrolle der Sportverbände umzumünzen. Es fehlte an einer kritischen Auseinandersetzung. Es bedarf einer besseren, transparenteren Zusammenarbeit zwischen den Institutionen mit den Sportverbänden, wobei den Sportverbänden auch genügend Autonomie für ihre eigenen Lösungen gelassen werden muss, solange diese Lösungen regelmässig kritisch überprüft werden. Wenn es die angesprochenen Institutionen nicht schaffen, die notwendige Kontrolle auszuüben, braucht es eine zusätzliche externe Kontrolle.
Korrespondenz
Thilo Pachmann, Rechtsanwalt Dr.
Pachmann AG (www.pachmann.law)
Lehrbeauftragter für Sportrecht an den Universitäten in Seoul und Zürich
E-Mail: thilo.pachmann@pachmann.law
Tel. +41 44 215 11 33
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