Der Begriff «Sportkardiologie» ist manchmal umstritten und wirft Fragen auf. Ist es wirklich notwendig, medizinische Subspezialitäten, zumindest semantisch, mit der Sportmedizin zu vermischen? Das ist es, meiner Meinung nach, absolut. Selbstverständlich ist es in der heutigen Zeit der unzähligen Subspezialisierungen und Nischenbildungen in der Medizin nicht sinnvoll, eine an sich breite, weit über die verschiedensten Fachrichtungen übergreifende Disziplin wie die Sportmedizin künstlich zu kategorisieren. Aber dies geschieht auch nicht. Denn die Sportmedizin ist ein derart komplexes Gebiet, dass ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit eine adäquate Betreuung unserer Sporttreibenden und Athleten gar nicht mehr möglich wäre. Diese Tatsache ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits ist die Sportmedizin gerade durch diese unvergleichliche Facettenvielfalt so faszinierend, andererseits lässt sich ein so vielseitiges Gebiet schlecht eingrenzen, und so findet die Sportmedizin beispielsweise immer noch nicht genügend Abbildung im Lehrplan des Schweizer Medizinstudiums. Dies ist äusserst bedauerlich, da zwar viele Themen der Sportmedizin, wie etwa die Traumatologie, Orthopädie, Bewegungsphysiologie, Kardiologie, Pneumologie usw. zwar behandelt aber nicht integrativ und vor dem Hintergrund des Sportlers diskutiert werden. Und dabei wäre es wichtig, die angehenden Medizinerinnen und Mediziner frühzeitig für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren. Doch die Bemühungen sind gross, diesen Umstand zu ändern: An einzelnen Universitäten wird die Sportmedizin in verschiedenen Gefässen fakultativ gelehrt und erfreut sich einer sehr grossen Beliebtheit. Und auch die «Student and Junior Doctors» der SGSM leisten einen grossartigen Beitrag hierzu.
Doch zurück zur Sportkardiologie: Der Begriff wird heute oftmals ausgedehnt auf die Sport- und Bewegungskardiologie (englisch etwas eleganter auch: «Sports- and Exercise-Cardiology»). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Sportkardiologie nicht nur auf kompetitive Top-Level- Sportler fokussiert, sondern auf jedes Individuum, gerade auch auf Patienten mit einer bestehenden Herzerkrankung, bei der ein regelmässiges Sporttreiben ebenso wichtig, ja geradezu essenziell ist. Die Betreuung dieser Patienten und Sportler stellt eine grosse Herausforderung dar und setzt ein hohes Mass an individuellen Fähigkeiten seitens der Sportärztinnen und Sportärzte voraus. Viele Fachgesellschaften haben darauf reagiert: So besteht auf europäischer Ebene etwa die Möglichkeit, einen ein- bis zweijährigen Masterlehrgang in «Sports- and Exercise Cardiology» zu absolvieren. In Deutschland wurde von der Fachgesellschaft für Kardiologie (DGK) gerade ein eigenes Curriculum für Sportkardiologie ins Leben gerufen, welches auch als Vorbild für uns dienen sollte. Ich wiederhole mich, doch wir müssen uns bewusst werden, wie komplex und herausfordernd die Sportmedizin heute ist. Dies sind wir unseren Sportlern aber vor allem auch unseren Patienten schuldig.
Diese Spezialausgabe der «Swiss Sports & Exercise Medicine» widmet sich der Sport- und Bewegungskardiologie als Schwerpunktthema. Die insgesamt sieben hochklassigen Artikel decken einen grossen Teil des breiten Themenfeldes Sport- und Bewegungskardiologie ab und bieten einerseits einen sehr praxisnahen Überblick über die aktuellen klinischen Standards aber auch über Kontroversen. So wird beispielsweise die grosse Debatte über Sinn und Unsinn von kardialen Vorsorgeuntersuchungen aufgebracht und kritisch beleuchtet. Schliesslich wird der Versuch unternommen, mit durchaus provokativen Vorschlägen, die Diskussion in der Schweizer Fachwelt wieder anzuregen – mit dem Ziel, in naher Zukunft eigene, Schweizer Empfehlungen erarbeiten zu können.
Kardiale Vorsorgeuntersuchungen bei jungen Sportlern sind eine grosse Erfolgsgeschichte. Das kosteneffektive und äusserst zuverlässige Untersuchungskonzept verdankt diesen Umstand dabei vor allem der EKG-Untersuchung, welche in den letzten Jahren immer mehr an diagnostischer Zuverlässigkeit gewann. Mit den aktuellsten, sogenannten «International Criteria», welche der Gast-Editor und Autor dieses Editorials und des entsprechenden Artikels über Jahre mitgestalten durfte, wird eine Sensitivität und Spezifität von über 90% erreicht.
Bei älteren Sportlern, bei denen in einer grossen Mehrzahl der Fälle eine koronare Herzkrankheit bzw. klinisch asymptomatische koronare Plaquebildung mit Ruptur für fatale sport-assoziierte Ereignisse verantwortlich sind, scheitert dieses bei jungen Sportlern bestens etablierte Konzept jedoch. Und ein global akzeptiertes Screeningkonzept hat sich in dieser Altersgruppe noch nicht etabliert. Dies ist besonders vor dem Hintergrund alarmierend, dass die Register-Datenbanken für plötzlichen Herztod im Sport die koronare Herzkrankheit immer häufiger auch bei jüngeren Athleten, unter 30 Jahren, als Todesursache erkennen. In dieser Ausgabe des Journals werden die beiden Datenbanken aus Deutschland und der Schweiz vorgestellt. Diese zeigen weitere interessante Erkenntnisse. Unter anderem weisen sie auf die zunehmende Bedeutung der inflammatorischen Herzkrankheiten, allen voran der Myokarditis hin. Nicht nur eine akute Myokarditis birgt Gefahren. Bei Athleten mit chronischer oder mit residueller Fibrose «ausgeheilter» Myokarditis besteht ein erhöhtes Risiko für sport-assoziierte, potenziell fatale Rhythmusstörungen. Der kardialen Bildgebung kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu, welche ebenfalls beleuchtet wird.
Ausserdem werden in dieser Ausgabe weitere sportkardiologische Kontroversen beleuchtet: Warum kommt es bei Masterathleten nach lebenslangem, regelmässigem Sport zur vermehrten Koronarsklerose, und ist diese wirklich gefährlich? Und wie ist der Befund der Belastungshypertonie im Rahmen von Ergometrien zu werten? Schliesslich erläutert ein fallbasierter Gastartikel die Bedeutung der Spiroergometrie bei Sportlern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, freuen Sie sich auf eine spannende «tour d’horizon» durch die aktuelle Sport- und Bewegungskardiologie. Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre.
The term “Sports Cardiology” sometimes initiates controversy: Is it really necessary to blend subspecialities in Internal Medicine with Sports Medicine? It is, indeed. At least in my opinion. Obviously, it makes no sense to artificially categorise a very broad discipline like Sports Medicine into even more subdisciplines and create more niches that provoke a dilution of the topic. But that won’t happen at all. Sports Medicine is such a complex and diverse discipline that it is not possible to guarantee adequate care of our patients without interdisciplinary collaboration. This fact is “boon and bane” at the same time: On the one hand, diversity is one of the most important reasons why Sports Medicine is so exciting, but on the other hand, it is challenging to set limits to such a broad topic. And as such, Sports Medicine still does not find adequate space and recognition in the curriculum of Swiss Medical Schools. This is a pity, because although many topics in Sports Medicine, as Traumatology, Orthopedics, Exercise Physiology, Cardiology, Pneumology, etc. are addressed, but not particularly with the background of a physically active individual and athlete. But it would be crucial to sensitize medical students for these connections. However, there are huge efforts going on to change these circumstances: Some Universities implemented Sports Medicine, at least, as a facultative subject and these prove to be extremely popular. Furthermore, the Swiss Society’s “Student and Junior Doctors” is doing an awesome job.
But let me get back to «Sports Cardiology»: Recently, the term has been extended to “Sports and Exercise Cardioloy”. This is reasonable, as Sports Cardiology not only addresses top-level athletes but any individual, and particularly cardiovascular patients in which regular exercise is, at least, as important and even essential. Taking care of these patients and athletes poses some tremendous challenges and mandates a high level of individual skills on the side of Sports Physicians. This is why many associations took action: Members of the Sports Cardiology nucleus of the European Society of Cardiology invented the first Sports Cardiology Master course on a European level at St. George’s University in London. And in Germany, the national society of Cardiology (DGK) just started its own curriculum for Sports Cardiology, which should definitely serve as a role model for Switzerland.
I may repeat myself, but we have to be aware of the fact how complex and challenging Sports Medicine is. We do owe this to our athletes but also to our patients.
This special edition of “Swiss Sports- and Exercise Medicine” is dedicated to the topic of Sports- and Exercise Cardiology. Seven high-class articles cover a large part of the field and provide a practical overview of the current clinical standards but also address some controversies. One important issue is the great debate regarding cardiac screening in athletes. With some quite provocative suggestions we try to stimulate the discussion in the Swiss community with the aim to create our own Swiss recommendations in the near future.
Cardiac pre-competition screening in younger athletes is a huge story of success. The concept is cost-effective and amazingly predictable mainly due to the performance of the ECG. Within the last years, diagnostic accuracy of this crucial diagnostic tool has developed massively. With the current, so called “International Criteria”, which the guest editor and author of this editorial was able to create together with an international expert panel, a sensitivity and specificity of more than 90% can be reached.
Obviously, this concept fails in older athletes, where in the vast majority of fatal incidences asymptomatic coronary artery disease and coronary plaque rupture are the responsible underlying disease. Thus, a globally accepted strategy has not yet been established in this group of athletes Which is alarming. Particularly, regarding the fact that recent registry data show that coronary artery disease is massively increasing in a population of younger athletes below the age of 30. In this issue of the journal, we learn more from the German and Swiss registry for sudden cardiac death in sport. These registries provide further interesting data: As such, it is remarkable that inflammatory heart disease, particularly myocarditis, has become one of the most important triggers for fatal events during sport. However, it is not just acute myocarditis, that needs our attention. Athletes with chronic myocarditis or residual fibrosis after acute myocarditis have an increased risk for ventricular arrhythmia. Thus, cardiac imaging holds a crucial role in this context. Another topic in this issue of the journal.
Furthermore, we highlight other controversies in Sports Cardiology: Why do master athletes exhibit more coronary plaques than sedentary controls and are these plaques really relevant? And how to interprete exercise hypertension in athletes, prognostically? Finally, an interesting guest review highlights the importance of cardio-pulmonary exercise testing in athletes.
Dear colleagues, look forward to an exciting “tour d’horizon” through the current hot topics in Sports Cardiology. I hope you will enjoy this special issue of the journal.
PD Dr. med. Christian Marc Schmied, MD
Chief of Service, Lecturer
Director of Sports Medicine/
Sports Cardiology
“approved by Swiss Olympic”
Head of Outpatient Clinic
University Heart Center Zurich
christian.schmied@usz.ch
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