Review
published online on 01.11.2019

Sehnenprobleme rund um das Kniegelenk

Cristian A. Beca1, Dorothee Harder2, Giorgio Tamborrini3, André Leumann4
1 Klinik für Orthopädie und Traumatologie, Universitätsspital Basel
2 Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsspital Basel
3 UltrasoundCenter, Klinik fĂĽr Rheumatologie, Bethesdaspital Basel
4 OrthoPraxis Leumann, Basel

Summary

The knee joint is affected in up to 30% of all sport injuries. A minor precentage of it are tendon injuries. For acute tendon injuries, quadriceps tendon rupture and patellar tendon rupture are most frequent. Beside that, ruptures of distal hamstring tendons or the popliteus tendon may occur. For chronic tendon injuries in sports, the jumpers knee and the runners knee are most frequent. Also insertional enthesopathy of the quadriceps tendon, of the iliotibial band, of the hamstring tendons may occur, furthermore a tendinitis or bursitis at the pes anserinus. These injuries are explained in this article focussing on symptoms, diagnostics and therapy.

Zusammenfassung

Das Kniegelenk ist in bis zu 30% aller Sportverletzungen betroffen. Sehnenverletzungen machen davon einen kleineren Anteil aus. Bei den akuten Sehnenverletzungen stehen die Quadricepssehnenruptur und die Patellarsehnenruptur im Vordergrund. Daneben sind die distale Hamstringruptur und die Popliteussehnenruptur zu erwähnen. Bei den chronischen Sehnenverletzungen dreht sich im Sport viel um das Jumpers Knee und das Runners Knee. Daneben gibt es aber auch die Insertionstendinopathie der Quadricepssehnen, des Tractus iliotibialis und der Hamstring-Sehnen, im Weiteren die Tendinitis/Bursitis am Pes anserinus. Sie werden im vorliegenden Artikel hinsichtlich Symptomatik, Diagnostik und Therapie dargestellt.

Einleitung

Das Kniegelenk ist das am häufigsten betroffene Gelenk im Sport überhaupt. Bis zu 30% der akuten und chronischen Verletzungen betreffen das Kniegelenk. Sehnenverletzungen sind zwar oft nicht so spektakulär wie die Ruptur des vorderen Kreuzbandes oder eine Kniegelenksluxation, aber können bei akuten Verletzungen genauso gravierend sein. Bei einer Quadriceps- oder Patellarsehnenruptur wird der komplette Streckapparat insuffizient und bedarf einer chirurgischen Therapie. Chronische Sehnenprobleme gehören zu den hartnäckigsten Problemen überhaupt. Oft ist eine Therapie über Monate hinweg erforderlich, um die Symptomatik zu lösen.
Es liegen keine detaillierten epidemiologischen Daten vor, da die Häufigkeit und Verteilung sehr stark von der Sportart und der Sportintensität abhängt. Deshalb wird in der vorliegenden Übersicht bei den chronischen Sehnenproblemen auf die Sportartspezifität eingegangen. Ein zweiter Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der Bildgebung mit Darstellung typischer Befunde. Zuletzt erläutern wir in der vorliegenden Arbeit – auch wenn die Behandlung von Sehnenverletzungen in erster Linie eine Domäne der konservativen Therapie ist – wann und wie eine chirurgische Intervention Sinn machen könnte.

Akute Sehnenverletzungen

Quadricepssehnenruptur
Unfallmechanismus
Unerwartete Überbelastung (z.B. als Kompensations-/Stellungskorrekturversuch beim Ausrutschen); eine degenerativ veränderte Sehne reisst auch im Rahmen eines Niedrigenergie-Traumas.

Klinik
Hämatom im Rupturbereich (suprapatellär); palpable Delle; das gestreckte Bein kann nicht angehoben werden; Hämarthros möglich, falls Kapsel mitverletzt wird; Patient kann das Knie nicht kontrollieren (im Stehen).

Diagnostik
In den allermeisten Fällen handelt es sich um eine insertionsnahe Ruptur.
Röntgen: Patellatiefstand? Ossäre Avulsion?
Ultraschall: Ruptur? Tendinopathische Sehnenanteile? Hämatom? Erguss? Ossäre Mitbeteiligung?
MRI: Ruptur? Tendinopathische Sehnenanteile? Ossäre Mitbeteiligung (bone bruise, ossäre Avulsion)? Knorpelschaden der Patellarückfläche? Muskelatrophie bei vorbestehender Degeneration?

Besonderheiten

  • Partiell oder vollständig ossäre Avulsionsverletzungen sind möglich
  • Cave Patella bipartita
  • Oft geht eine degenerative Tendinopathie der Ruptur voraus
  • Abzugrenzen sind Rupturen nach iatrogener Quadricepssehnenschädigung (z.B. nach Quadricepssehnenentnahme fĂĽr eine VKB-Plastik oder eine Umkehrplastik bei chronischem Jumpers Knee oder nach Knietotalprothese mit transtendinösem Zugang) und Rupturen der intramuskulären Sehnenanteile (selten; Mechanismus entsprechend einem Muskelfaserriss)

Therapie

  • Die operative Rekonstruktion zur Wiederherstellung des Streckapparates ist entscheidend
  • In der Regel werden mehrere Knochenanker in der Patella verwendet oder die Quadricepssehne transossär reinseriert
  • Bei der Rekonstruktion ist darauf zu achten, auch die Sehnenansätze von M. vastus medialis und lateralis zu reinserieren, um eine Patella-Dysbalance zu vermeiden
  • Eine leichte VerkĂĽrzung der Sehne ist möglich, kann im Verlauf zu einem leichten endgradigen Flexionsdefizit fĂĽhren
MRI Knie
MRI Knie sagittal und axial: vollständige Ruptur der Quadricepssehne mit perifokal ausgeprägtem Hämatom, keine durchgängigen Faserstrukturen mehr abgrenzbar

Patellarsehnenruptur
Unfallmechanismus
Beim Absprung oder bei der Landung bei einem Sprung. Der Patient verspĂĽrt in der Regel einen Knall. Das Knie ist sofort nicht mehr belastbar.

Klinik
Das gestreckte Bein kann nicht angehoben werden; Schwellung und Hämatom über Patellarsehne, eventuell Delle palpabel; im Seitenvergleich proximalisierte Patella; Patient kann das Knie nicht kontrollieren (im Stehen); Erguss im Kniegelenk eher selten.

Diagnostik
Die typische komplette Patellarsehnenruptur befindet sich im mittleren Drittel der Patellarsehne. Da die Ruptur einem Auseinanderziehen verschiedener Sehnenanteile entspricht, ist eine eigentliche Delle nicht immer palpabel
Röntgen: Patellahochstand?
Ultraschall: Ruptur? Rupturverlauf? Tendinopathische Sehnenanteile?
MRI: Ruptur? Tendinopathische Sehnenateile? Hoffa-Syndrom? Insertionstendinopathie? Knorpelschaden an der Patellarückfläche?

Besonderheiten

  • Lag eine Vorschädigung der Sehne vor (z.B. chronische EntzĂĽndung oder Partialruptur bei Jumpers Knee)?
  • Bei Adoleszenten sind Avulsionsrupturen bei M. Osgood-Schlatter oder M. Sinding-Larsen möglich, aber sehr selten
  • Iatrogen bedingte Rupturen nach Entnahme von der Patellarsehne fĂĽr eine VKB-Rekonstruktion sind sehr selten
Röntgen Knie
Röntgen Knie lateral: deutlicher Patellahochstand als Hinweis auf eine komplette Patellarsehnenruptur. MRI Knie sagittal: vollständige Ruptur der Patellarsehne mit begleitendem Patellahochstand

Therapie

  • Die operative Rekonstruktion zur Wiederherstellung des Streckapparates ist entscheidend
  • Oft wird eine McLaughlin-Schlinge (Drahtschlinge) transossär durch Patella und Tuberositas tibiae gezogen, um fĂĽr drei Monate eine zusätzliche Sicherung der Heilung zu erhalten. Die McLaughlin-Schlinge sollte nach ca. drei Monaten wieder entfernt werden (ambulante OP)
  • Bei schwerer tendinopathischer Vorschädigung ist ggf. ein Sehnentransplantat einzuweben
  • Eine verlängerte Patellarsehne resultiert in einem Patellahochstand. Dadurch ist die Kraftentwicklung funktionell deutlich schlechter. Zusätzlich höheres Risiko der Patellaluxation
  • Die Vernarbung kann zu einer Patellarsehnenkontaktion und zu einem Patellatiefstand fĂĽhren. Das fĂĽhrt zu einer verminderten Patellabeweglichkeit und Beschwerden bei Knieflexion
Röntgen Knie ap
Röntgen Knie ap und lateral postoperativ: St.n. Patellarsehnenruptur, Refixation mit Knochenanker und einer McLaughlin-Schlinge

Distale Hamstringsehnenruptur
Unfallmechanismus
Hyperextension im Kniegelenk oder simultane Dehnung und Kontraktion des Hamstring-Muskelkomplexes

Klinik
Schmerzen und Hämatom in der Kniekehle oder im posterioren Oberschenkelbereich; Streckdefizit im Sinne einer schmerzbedingten Streckhemmung; fehlende Spannung auf den Hamstringsehnen in der Kniekehle

Diagnostik
Röntgen: Ossäre Bicepssehnenavulsionsfraktur am Fibulaköpfchen?
Ultraschall: Ruptur? Hämatom? Sehr gut geeignet für Rupturen im Muskel-Sehnenübergangsbereich (intramuskuläre Sehnenruptur), ossäre Bicepssehnenavulsionsfraktur am Fibulaköpfchen? Beurteilung des N. peroneus
MRI: Sehnenruptur? Insertionsnahe Rupturen? Tendinopathische Sehnenanteile?

Röntgen Knie ap
Röntgen Knie ap: Avulsionsfraktur am Fibulaköpfchen (Ansatz Biceps femoris – Sehne)

Besonderheiten

  • Zu differenzieren sind proximale Hamstringsehnenrupturen (insertionsnahe Ruptur am Tuber ischiadicum). Diese sind häufiger als die distalen Verletzungen
  • Bei Verletzungen der distalen Biceps Femoris-Sehne ist die N. peroneus-Funktion (profundus und superficialis) zu prĂĽfen aufgrund der anatomischen Nähe
  • Ossäre Avulsionsfraktur am Fibulaköpfchen ist möglich

Therapie

  • Konservative Therapie fĂĽr intramuskuläre Rupturen und zumeist auch insertionsnahe Rupturen, ggf. ist eine Teilbelastung an Gehstöcken und Einschränkung der Knieextension (z.B. 60°/30° je drei Wochen) notwendig
  • Aus Studien zur Donor-site Morbidität bei Sehnengraftentnahme bei VKB-Rekonstruktion weiss man, dass das Funktionsdefizit bei Entnahme der Semitendinosus-Sehne sehr gering ist
  • Operative Therapie bei grossem intramuskulären Sehnenriss im Spitzensport (Sprint, Fussball) zu diskutieren


Popliteussehnenruptur
Unfallmechanismus
Eine isolierte Popliteussehnenruptur ist selten. In der Regel treten Popliteussehnenrupturen bei Verletzung des posterolateralen Corners (PLC) auf. Diese ereignen sich bei Rotationsverletzungen des Kniegelenks in Kombination mit einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes (HKB, häufiger) oder des vorderen Kreuzbandes (VKB, selten) sowie weiteren Kniebinnenläsionen (z.B. Meniskusruptur etc.). Zum posterolateralen Corner zählen neben der Popliteussehne das laterale Kollateralligament (LCL), der Tractus iliotibialis, die Bizepssehne und der posterolaterale Kapsel-Meniskus-Bandkomplex (z.B. Lig. arcuatum, Lig. fabellofibulare).

MRI Knie coronar
MRI Knie coronar, sagittal und axial: Ruptur der Popliteussehne mit umgebendem Ă–dem und retrahiertem Sehnenstumpf in sagittaler Ansicht

Klinik
Primäre klinische Befunde gemäss Hauptverletzung (VKB-, HKB-Ruptur); Erguss; positives Dial-Sign (vermehrte (Aussen-) Rotation im Seitenvergleich bei 45° Knieflexion in Bauchlage); positiver Pivot-Shift Test

Diagnostik
Ultraschall: Ruptur? Ligamentäre Verletzungen? Muskulotendinöse Popliteusruptur?
MRI: Ruptur? Begleitverletzungen des PLC? Intraartikuläre Knieverletzungen (Kreuzbänder, Menisci, Knorpel, Kollateralbänder)?

Besonderheiten

  • In der Regel handelt es sich um eine ansatznahe, intraartikuläre Ruptur
  • Als zweite Variante gibt es muskulotendinöse Popliteusrupturen. Diese sind klinisch wenig auffällig und oft Zufallsbefunde bei jedoch ähnlichem Verletzungsmuster
  • In Kombination der Popliteussehnenruptur mit der Verletzung weiterer Strukturen des PLC oder Kreuzband- und Kollateralbandrupturen sowie weiterer intraartikulärer Verletzungen liegt eine komplexe Knieverletzung vor

Therapie

  • Die Behandlung richtet sich primär nach den Kriterien der Behandlung der Hauptverletzung
  • Liegt eine VKB- oder HKB-Ruptur vor, so ist in Kombination mit einer PLC-Verletzung die Operationsindikation grosszĂĽgig zu stellen. Die Rotationsstabilität (Pivotieren) ist durch Kreuzbandruptur und PLC-Verletzung doppelt geschwächt. In diesen Fällen gelingt es nur selten, die Rotationsstabilität ohne Operation wiederaufzubauen
  • Operativ ist zu entscheiden, ob aufgrund der Komplexität der Verletzung eine einzeitige oder zweitzeitige Rekonstruktion erfolgen sollte
  • Die Popliteussehne kann bei frischer Ruptur und bei guter Sehnenqualität im Rahmen einer PLC-Rekonstruktion direkt anatomisch rekonstruiert werden. Bei Insuffizienzen oder ungenĂĽgendem Gewebe ist eine nicht-anatomische Rekonstruktion zu bevorzugen (z.B. Larson-Plastik)

Chronische Sehnenbeschwerden

Jumpers Knee
Synonyme
Springerknie, Patellaspitzensyndrom, Patellarsehneninstertionstendinitis/-tendinopathie

Symptome
Schmerzen beim Springen im Sport; akzentuiert auch im Alltag, insbesondere beim Treppengehen (abwärts>aufwärts); Schmerzen und Druckdolenz am unteren Patellapol; Verdickung der Patellarsehne möglich; Lokales Knistern auf Palpation; Muskelverspannung, ggf. Hypotrophie des M. quadriceps femoris.

Typische Sportarten
Springen; Volleyball; Basketball; Handball; Fussball

Diagnostik
Röntgen: intratendinöse Verkalkung? Traktionssporn?
Ultraschall: Enthesopathie? Tendinose? Tendinopathie? Hypervaskularität? Ruptur? Intratendinöse Verkalkung? Traktionssporn?
MRI: Tendinose? Tendinopathie? Partialruptur? (Peri-)Tendinitis? Ossifikationskerne? Hoffa-EntzĂĽndung?

Sonographie Knie
Sonographie Knie: Verdickung und vermehrte Vaskularisation der Patellarsehne ansatznah

Konservative Therapie

  • Das Jumpers Knee ist eine Domäne der konservative Therapie
  • Schweregrad und Dauer der Erkrankung bestimmt den Umfang der konservativen Therapiemassnahmen
  • Trainingsadaptation/-modifikation: Meiden des Reizes, eventuell auch Ă„nderung von Sprungtechnik
  • Jumpers-Knee-Bandage
  • Lokale oder systemische NSAR fĂĽr eine bestimmte Zeit. NSAR >6 Wochen kann den Umbau- und Regenerationsprozess der Sehne bremsen
  • Physiotherapeutische und physikalische Massnahmen
  • Evidenz verschiedener Therapieoptionen (siehe Tabelle 1)

Operative Therapie

  • Nur bei Versagen der konservativen Therapie (>6 Monate)
  • Arthroskopisches DĂ©bridement in 80% mit guten Resultaten
  • Kein signifikanter Unterschied zu offenem DĂ©bridement
  • Einer schweren Tendinopathie kann eine chronische Partialruptur entsprechen. Dann ist ggf. eine Rekonstruktion mit Auto- oder Allograft notwendig (z.B. Plantaris longus-Sehnengraft), Umkehrplastik mit Knochen-Sehnen-Transplantat aus der Quadricepssehne
Tabelle 1
Tabelle 1: Evidenz verschiedener Therapieoptionen bei Jumpers Knee

Quadricepsinsertionstendinitis/-pathie
Symptome
Sehr ähnlich dem Jumpers Knee, nur am proximalen Patellapol gelegen; Druckdolenz an der Quadricepssehneninsertion, Schmerzen beim Absprung oder beim Aufstehen aus der Hocke; bei ausgeprägt tendinopathischen Anteilen auch Verdickung oder Delle (Partialruptur?) palpabel

Typische Sportarten
Gewichtheber; Basketball; Handball; (Hoch-)Springer

Diagnostik
Röntgen: intratendinöse Verkalkung? Traktionssporn?
Ultraschall: Tendinose? Tendinopathie? Hypervaskularität? Partialruptur?
MRI: Tendinose? Tendinopathie? Partialruptur? (Peri-)Tendinitis? Ossifikationskerne? Hoffa-Entzündung? Knorpel der Patellarückfläche?

Sonographie Knie 1
Sonographie Knie: kleine inhomogene echoärmere Tendinosezone proximal der Insertion in der Rectus femoris-Sehne
Sonographie Knie 2
Sonographie Knie: ausgeprägte Tendinosezone an der Insertion in der Rectus femoris-Sehne (longitudinal A, transverse B, coronar C, 3D Doppler)

Konservative Therapie

  • Trainingsmodifikation, Trainingspause
  • Lokale und systemische NSAR
  • Physikalische Massnahmen
  • Physiotherapie, Detonisation Quadriceps
  • Exzentrisches Krafttraining
  • Stosswellentherapie
  • Bei Therapieresistenz eventuell lokale Infiltration (z.B. PRP/ACP, Hyaluronsäure, Arnika)

Operative Therapie
• Nur bei Therapieresistenz über 6-12 Monate zu diskutieren
• Lokales Débridement bei kleinen tendinopathischen Defekten
• Rekonstruktion mit Sehnen Auto- oder Allograft bei grösseren Defekten (>30-40% des Sehnendurchmessers)

MRI Knie sagittal
MRI Knie sagittal und axial: deutliche Verdickung und Signalalteration des Quadricepssehne ansatznah

Runners Knee
Synonyme
Läuferknie, iliotibiales Bandsyndrom, iliotibial friction syndrome

Symptome
Chronische, belastungsabhängige Schmerzen auf der Knieaussenseite; Druckdolenz über dem Epicondylus lateralis; Ausstrahlung nach proximal oder distal möglich; positiver Nobles-Test (verstärkte Druckdolenz über dem Epicondylus lateralis bei Flexion/Extension des Kniegelenks mit Schmerzmaximum bei ca. 30° Knieflexion entsprechend dem Gleiten des Tractus iliotibialis); Verspannung des M. tensor fasciae latae und der Hüftextensoren; Anspannung des Tractus iliotibialis (Ober-Test)
Alignement der unteren Extremität: statisches oder dynamisches Genu varum; vermehrte Fusspronation im Laufen

Typische Sportarten
Laufsport, Orientierungslauf, Triathlon

Diagnostik
Es handelt sich primär um eine klinische Diagnose.
Stehendes Ganzbeinröntgen (Orthoradiogramm): Vermessung einer statischen Achsfehlstellung (Genu varum)
Dynamische Laufanalyse: Erfassung eines dynamischen Genu varum und einer Ăśberpronation im RĂĽckfuss.
Ultraschall: Tendinose? Tendinopathie? Hypervaskularität? Partialruptur? Meniskusganglion? Pathologie der Popliteussehne? Freier Gelenkkörper im Recessus lateralis?
MRI: dient vor allem dem Ausschluss von Differential­diagnosen bei Therapieresistenz: laterale Meniskusläsion; Meniskusganglion, Pathologie der Popliteussehne, freier Gelenkkörper im Recessus lateralis, laterales Patellahyperkompressionssyndrom; die chronische Bursitis ist im MRI nur bei sehr schweren Fällen eindeutig nachzuweisen

Konservative Therapie

  • Trainingsmodifikation/-pause
  • Lokale und systemische antiphlogistische Massnahmen
  • Ultraschall oder Stosswellentherapie

Und als Therapie der Ursache:

  • Orthopädische Schuheinlagen mit lateraler Fussranderhöhung
  • Detonisation und Lösen von Tractus iliotibialis, M. tensor fasciae latae und Glutealmuskulatur
  • Physiotherapie: Beinachsentraining

Bei Therapieresistenz:
• Infiltration (einmalig): Cortison, PRP, ACP, Hyaluronsäure, Formicain, Arnika

Operative Therapie

  • Nur selten indiziert
  • Exzision der chronischen Bursitis ĂĽber dem Epicondylus lateralis und Release des Tractus iliotibialis
  • Bei schwerem Genu varum ist die proximale Tibiakorrekturosteotomie zu diskutieren
MRI Knie axial
MRI Knie axial und coronar: flächiges Ödemareal zwischen distalem lateralen Femur und Tractus iliotibialis

Tractus iliotibialis Insertionstendinitis/-tendinopathie
Symptome
Sehr ähnlich dem Runners Knee, die Lokalisation liegt jedoch auf der Tractus iliotibialis-Insertion am Tuberculum Gerdy zwei Finger breit lateral und leicht proximal der Tuberositas tibiae.
Chronische, belastungsabhängige Schmerzen auf dem Tuberculum Gerdy; Verspannung des M. tensor fasciae latae und der Hüftextensoren; Anspannung des Tractus iliotibialis (Ober-Test)
Alignement der unteren Extremität: statisches oder dynamisches Genu varum; vermehrte Fusspronation im Laufen

Typische Sportarten
Laufsport, Orientierungslauf, Triathlon

Diagnostik
Es handelt sich primär um eine klinische Diagnose.
Stehendes Ganzbeinröntgen (Orthoradiogramm): Vermessung einer statischen Achsfehlstellung (Genu varum)
Ultraschall: Tendinose? Tendinopathie? Hypervaskularität? Meniskusganglion?
MRI: Tendinitis? Tendinopathie? Ausschluss von Differentialdiagnosen bei Therapieresistenz: laterales, nach subkutan reichendes Meniskusganglion, Stressfraktur Tibiakopf

Sonographie Knie 4
Sonographie Knie: Verdickung und vermehrte Vaskularisation des Tractus iliotibialis ansatznah

Konservative Therapie (analog Runners Knee)

  • Trainingsmodifikation/-pause
  • Lokale und systemische antiphlogistische Massnahmen
  • Ultraschall oder Stosswellentherapie

Und als Therapie der Ursache:

  • Orthopädische Schuheinlagen mit lateraler Fussranderhöhung
  • Detonisation und Lösen von Tractus iliotibialis, M. tensor fasciae latae und Glutealmuskulatur
  • Physiotherapie: Beinachsentraining

Bei Therapieresistenz:

  • Infiltration (einmalig): Cortison, PRP, ACP, Hyaluronsäure, Formicain, Arnika

Operative Therapie

  • Nur selten indiziert
  • Release des Tractus iliotibialis
  • Bei schwerem Genu varum ist die proximale Tibiakorrekturosteotomie zu diskutieren
MRI Knie axial 2
MRI Knie axial: ausgeprägte Verdickung des Tractus iliotibialis distal ansatznah

Tendinitis am Pes anserinus (Bursitis)
In der Regel handelt es sich um eine Bursitis am Pes anserinus.

Symptome
Lokale Druckdolenz über dem Pes anserinus, Schmerzzunahme bei forcierter Knieflexion, selten ist ein Knistern zu palpieren, bei sehr schlanken Ausdauersportlern auch ein flüssigkeitsgefülltes Kissen. Bei älteren Sportlern und beginnender Gonarthrose kann die Bursa mitreagieren. Die Bursa liegt zwischen Pes anserinus-Aponeurose (Co-Insertion der Semitendinosus-, Gracilis- und Sartoriussehne) und der Insertion des Ligamentum collaterale mediale 5-6 cm distal der Gelenkslinie.

Typische Sportarten
Laufsport, Langlauf, Radfahren

Diagnostik
Ultraschall: Bursitis? Enthesopathie? Tendinopathie? Hypervaskularität? Verletzung Lig. collaterale mediale? Meniskusganglion?

Ultraschall
Ultraschall und Röntgen Knie: mediales, nach subkutan reichendes Meniskusganglion

Konservative Therapie

  • Sportmodifikation, Trainingspause
  • Lokale, selten systemische antiphlogistische Massnahmen
  • Physiotherapie
  • Cortison-Injektion (ggf. Ultraschall-gesteuert)

Operative Therapie

  • Höchstens im Rahmen einer zu Grunde liegenden Pathologie (z.B. Gonarthrose)

Tendinopathie der Hamstringsehnen
Symptome
Lokale Druckdolenz, belastungsabhängige Schmerzen, vor allem bei forcierter Flexion
Eine Tendinopathie der Hamstringsehnen ist sehr selten, am ehesten als Insertionstendinopathie der Biceps Femoris-Sehne am Fibulaköpfchen

Typische Sportarten
Laufsport

Diagnostik
Es handelt sich um eine klinische Diagnose.
Ultraschall: Tendinopathie? Hypervaskularität? Verletzung Lig. collaterale mediale/laterale?
MRI: bei unklarem Befund, teilweise auch als Zufallsbefund

Sonographie Knie 5
Sonographie Knie: Verdickung des oberflächlichen Pes anserinus-Anteils (Pfeil), Sehnenansatz des M. semimembranosus (>), mediales Kollateralband (*), oberflächliches Pes anserinus (pa)

Konservative Therapie

  • Sportmodifikation, Trainingspause
  • Lokale, selten systemische antiphlogistische Massnahmen
  • Physiotherapie
  • Ultraschall, Stosswellentherapie (Cave N. peroneus communis um das Fibulaköpfchen)

Operative Therapie

  • Keine bekannt

Morbus Osgood-Schlatter und Morbus Sinding-Larsen-Johannson
Symptome
Morbus Osgood-Schlatter: Schmerzhafte Schwellung auf der Tuberositas tibiae
Morbus Sinding-Larsen-Johannson: Schmerzen und Druckdolenz am distalen Patellapol
12.-16. Lebensjahr: einhergehend mit einem Wachstumsschub der distalen Femurepiphyse und hoher sportlicher Belastung auf den Streckapparat

Typische Sportarten
Fussball; allgemein Sportarten mit hoher Belastung auf den Streckapparat

Diagnostik
Röntgen: M. Sinding-Larsen-Johannson: schollige Veränderung am distalen Patellapol; M. Osgood-Schlatter: aufgetriebene Epiphysenfuge an der Tuberositas tibiae, schollige Veränderungen des Apophysenkerns der Tuberositas tibiae
Bei längerdauernden Beschwerden empfiehlt sich eine weitere Bildgebung zum Ausschluss einer malignen Knochenerkrankung
MRI, Ultraschall: maligne Knochenerkrankung? Fragmentation der Tuberositas tibiae?

Konservative Therapie

  • Sportmodifikation, von einem frĂĽher empfohlenen, kompletten Sportverbot ist man abgewichen
  • Therapie ähnlich dem Runners Knee
  • Reduktion der Belastung des Streckapparates, Stärkung der Kniebalance

Operative Therapie

  • Im ausgeheilten Stadium, falls intratendinöse Ossifikationen ĂĽbrigbleiben, können diese reseziert werden
  • Beim Abriss des Apophysenkerns der Tuberositas tibiae (sehr selten) ist gegebenenfalls eine Osteosynthese notwendig
MRI Knie sagittal 2
MRI Knie sagittal, Ultraschall 3D longitudinal und transversal: Fragmentation (f) der Tuberositas tibiae, p=ligamentum patellae

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dr. phil.
André Leumann
OrthoPraxis Leumann
Am Claraplatz/Claragraben78
4058 Basel
leumann.andre@gmail.com

Literaturauszug

  1. DeLee & Drez´s. Orthopaedic Sports Medicine – Principles and Practice. Saunders, Philadelphia (USA), 2. Auflage 2002
  2. Engelhardt M. Sportverletzungen – Diagnose, Management und Begleitmassnahmen. Elsevier GmbH, Urban&Fischer Verlag, München, 2. Auflage 2009
  3. Larsson ME, Käll I, Nilsson-Helander K. Treatment of patellar tendinopathy – a systematic review of randomized controlled trials. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2012;20:1632-2646.
  4. Mani-Babu S, Morrissey D, Waugh C, Screen H, Barton C. The effectiveness of extracorporeal shock wave therapy in lower limb tendinopathy: a systematic review. Am J Sports Med. 2015;43:752-761.
  5. Marcheggiani Muccioli GM, Zaffagnini S, Tsapralis K, Alessandrini E, Bonanzinga T, Grassi A et al. Open versus arthroscopic surgical treatment of chronic proximal patellar tendinopathy. A systematic review. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2013;21:351-357.
  6. Moraes VY, Lenza M, Tamaoki MJ, Faloppa F, Belloti JC. Platelet-rich therapies for musculoskeletal soft tissue injuries. Cochrane Database Syst. Rev. 2014, April 29. Peterson L, Renström P. Verletzungen im Sport – Prävention und Behandlung. Deutscher Ärzte-Verlag Köln, 3. Auflage 2002
  7. Tamborrini G, Marx C. Muskuloskelettaler Ultraschall. Band 2. ISBN 978-3-9524150-1-6. 2. Ausgabe 2014

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