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published online on 19.08.2024https://doi.org/10.34045/SEMS/2024/39
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Ghafoor Haval
Kantonsspital Aarau, Klinik für Orthopädie und Traumatologie, Tellstrasse 25, 5001 Aarau

Abstract

Hip pain is a common clinical problem caused by a variety of orthopedic and non-orthopedic factors. While orthopedic causes such as osteoarthritis and femoroacetabular impingement (FAI) are well documented, non-orthopedic causes such as sports hernias, peritrochanteric pain syndrome, psoas syndrome, adductor strains, symphysitis and hamstring pathologies require more differentiated consideration. This paper focuses on the differential diagnosis of hip pain, with particular emphasis on non-orthopedic causes. We discuss various diagnoses, including the latest findings on these conditions. Methods of diagnosis, including clinical examination and imaging techniques, are also addressed. This article aims to improve the understanding and treatment of hip pain caused by non-orthopedic factors.

Zusammenfassung

Hüftschmerzen sind ein verbreitetes klinisches Problem, das durch eine Vielzahl von orthopädischen und nicht orthopädischen Faktoren verursacht werden kann. Während orthopädische Ursachen wie Arthrose und Femoroacetabuläres Impingement (FAI) gut dokumentiert sind, erfordern nicht-orthopädische Ursachen wie Sportlerhernien, das peritrochantäre Schmerzsyndrom (PTSS), das Psoas-Syndrom, Adduktorenzerrungen und die Symphysitis und Verletzungen der Hamstrings-Muskulatur eine differenziertere Betrachtung. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Differenzial­diagnose von Hüftschmerzen unter besonderer Berücksichtigung nicht orthopädischer Ursachen. Wir diskutieren verschiedene Diagnosen, einschliesslich der neuesten Erkenntnisse über die Beschwerdebilder. Methoden zur Diagnosestellung, einschliesslich klinischer Untersuchungen und bildgebender Verfahren, werden ebenfalls behandelt. Diese Übersicht zielt darauf ab, das Verständnis und die Behandlung von Hüftschmerzen, die durch nicht orthopädische Faktoren verursacht werden, zu verbessern.

Schlüsselwörter: Hüftschmerzen, Sport, Überbelastung, Tendinitis

Einführung

Hüftschmerzen stellen eine häufige Beschwerde dar, besonders bei sportlich aktiven Personen. Sie können signifikante Einschränkungen verursachen und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Während viele Fälle auf strukturelle oder orthopädische Anomalien zurückgeführt werden können, existieren auch Hüftschmerzen ohne solche eindeutigen Befunde. Diese Schmerzen können durch eine Reihe von nicht orthopädischen Krankheitsbildern verursacht werden, deren Verständnis für die Diagnose, Behandlung und Prävention von essenzieller Bedeutung ist.

Sportlerhernien und Leistenschmerzsyndrome

Sportlerhernien und Leistenschmerzsyndrome nehmen eine besondere Stellung in der Sportmedizin ein, insbesondere bei Disziplinen mit intensiven physischen Anforderungen wie Fussball, Hockey oder Leichtathletik. Charakteristisch sind chronische Schmerzen in der Leistengegend, die durch sportliche Aktivität exazerbiert werden, ohne dass eine Hernie im eigentlichen Sinn vorliegt. Ätiologisch liegt meist eine Dysbalance von muskulärer Aktivität, Sehnenüberlastungen und Nervenkompressionen vor.
Insbesondere eine Dysbalance zwischen der Stärke und Flexibilität der Abdominal- und Adduktorenmuskulatur führt zu einer Belastung im Bereich der Leistenregion. Die Beschwerden führen auch zu einer Einschränkung der sportlichen Leistungsfähigkeit und benötigen eine multifaktorielle Behandlungsstrategie, die sowohl konservative als auch operative Ansätze umfassen kann.
Die Diagnose kann durch eine gründliche körperliche Untersuchung, unterstützend mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall oder MRT, gestellt werden. Gleichzeitig werden so strukturelle von nicht strukturellen Ursachen unterschieden. Zur konservativen Therapie gehört eine gezielte Physiotherapie mit Fokus auf Verbesserung der Muskelbalance, Erhöhung der Flexibilität und dem Kraftaufbau.
Bei frustraner konservativer Therapie können operative Therapieansätze gewählt werden, die sich nach der Ursache der Beschwerden richten. Hier können oft gute bis exzellente Ergebnisse in Bezug auf die Rückkehr zum Sport erzielt werden.

Peritrochantäres Schmerzsyndrom (PTSS)

Das peritrochantäre Schmerzsyndrom (PTSS), auch als ­Trochanter-major-Schmerzsyndrom bekannt, beschreibt Schmerzen und Entzündungen im Bereich des Trochanter major des Oberschenkelknochens. Dieses Syndrom betrifft häufig die Weichteile, einschliesslich der Bursa, Sehnen und Muskeln, die den Trochanter major umgeben.
Die Bursitis trochanterica, eine Entzündung der Bursa trochanterica, ist eine der häufigsten Ursachen. Der Schleimbeutel dient als Polster zwischen dem Trochanter major und den umliegenden Sehnen. Überbeanspruchung, wiederholte Mikrotraumata oder direkte Verletzungen können zu einer Entzündung der Bursa führen. Auch spielen Tendinopathien eine Rolle, insbesondere degenerative oder entzündliche Veränderungen der Sehnen der Gluteus medius und Gluteus ­minimus.

Auch biomechanische Faktoren, wie Achsenfehlstellungen und Beinlängendifferenzen, können zu einer Fehlbelastung der Hüftmuskulatur und der Bursa führen. Ebenso erzeugt Übergewicht einen erhöhten Druck auf die Hüfte und kann so auch eine Entzündung begünstigen. Interessanterweise tritt das PTSS meist entweder bei sportlich sehr aktiven Menschen oder bei sportlich inaktiven Menschen auf.
Die Erstlinientherapie beinhaltet eine Reduktion der auslösenden übermässigen sportlichen Belastung und eine gezielte Physiotherapie zur Kräftigung, Erhöhung der Mobilität und Detonisierung der Hüftmuskulatur, um somit die muskuläre Dysbalance auszugleichen. In der Akutphase können insbesondere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung eingesetzt werden.
Bei therapierefraktären Fällen können invasive Mass­nahmen wie PRP (platelet rich plasma aus Eigenblut) an die betroffenen Sehnen oder Kortikosteroid-Injektionen in die betroffene Bursa helfen, Entzündungen und Schmerzen zu reduzieren. Stosswellentherapie zeigt ebenfalls gute Ergebnisse bei der Reduktion chronischer Beschwerden.
Operative Eingriffe kommen bei Versagen konservativer Massnahmen zum Zuge und beinhalten beispielsweise die chirurgische Entfernung der entzündeten Bursa oder die Sehnen­rekonstruktionen bei schweren Sehnenpathologien oder Rissen.

Psoas-Syndrom

Das Psoas-Syndrom zeigt sich meist durch Schmerzen und Funktionsstörungen der Hüfte und des unteren Rückens und resultiert häufig aus einer Reizung oder Überbeanspruchung des M. psoas major, welcher eine zentrale Rolle in der Beweglichkeit der Hüfte spielt. Wiederholte Hüftbeugung, Muskelverspannungen aufgrund längeren Sitzens, akute Traumata sowie biomechanische Fehlstellungen der Hüfte oder des Beckens können Auslöser hierfür sein. Betroffene berichten oft über tiefe Schmerzen im Lendenbereich, ausstrahlend in die Leistengegend und den vorderen Oberschenkel, Bewegungseinschränkungen, Triggerpunkte im Muskelbereich sowie Haltungsänderungen.
In der Untersuchung zeigt sich ein positiver Thomas-Test. Die Diagnose erfolgt unterstützt durch bildgebende Verfahren wie MRT und Ultraschall zur Darstellung von Muskelverletzungen und Entzündungen.


Auch hier ist die Behandlung primär konservativ mit gezielter Physiotherapie zur Dehnung/Detonisierung der Muskulatur, Kräftigungsübungen und Stabilisierung der Hüfte sowie manueller Therapie. Wie bei anderen entzündlichen Veränderungen hilft in der Akutphase eine Therapie mit NSAR oder lokale Injektionstherapie mit PRP zur Förderung der Heilung durch Wachstumsfaktoren. Eine temporäre Lähmung des Muskels durch Botulinum-Toxin kann auch angewandt werden. Ein chirurgisches Release mit Durchtrennung der Sehne bzw. der Faszie bleibt für schwere Fälle indiziert, welche nicht auf konservative Therapie ansprechen.

Adduktorenzerrung in der Hüfte

Hierbei handelt es sich um eine häufige Verletzung bei Sportlern mit intensiven Aktivitäten wie Fussball oder Hockey. Ursächlich sind oft plötzliche Richtungswechsel, unzureichendes Aufwärmen, muskuläre Dysbalance und bereits vorbestehende Verletzungen. Klinisch zeigt sich meist eine akute Schmerzsymptomatik der Leiste mit Schwellung, teilweise Hämatomen und Bewegungseinschränkung. Die Diagnosestellung erfolgt primär klinisch, kann jedoch mittels Ultraschall oder MRT ergänzt werden, um den Schweregrad zu ermitteln. Auch hier ist die Behandlung meist konservativ mit einer Schonung, Kühlung, Kompression und Hochlagerung (R.I.C.E. Prinzip) und der Gabe von NSAR in der Akutphase. In der darauffolgenden Rehabilitationsphase spielt wiederum die Physiotherapie eine zentrale Rolle mit Dehnung und Kräftigung der Adduktoren sowie manueller Therapie zur Wiederherstellung der Muskelkraft und Flexibilität. Additiv kann ebenso eine Ultraschall-Therapie als antiphlogistische Massnahme erfolgen.
Wichtig sind hierbei ein gradueller, physiotherapeutisch begleiteter und sportartspezifischer Wiedereinstieg in die sportliche Aktivität und die Schulung über Präventionsstrategien, um zukünftige Verletzungen zu vermeiden. In therapierefraktären Fällen können unterstützend interventionelle Massnahmen wie Injektionen unter anderem mit PRP erfolgen, um die Gewebeheilung zu unterstützen.
Präventive Massnahmen umfassen regelmässiges Aufwärmen vor körperlicher Aktivität, gezieltes Muskeltraining zur Ausbalancierung der Muskelkraft, Flexibilitätsübungen und ergonomische Anpassungen des Trainings, um Überlastungen zu vermeiden.

Symphysitis

Die Schambeinentzündung ist eine häufige Ursache von Leistenschmerzen bei Sportlern, vor allem bei Sportarten mit schnellen Richtungswechseln. Ursächlich sind Mikrotraumata der Symphyse durch biomechanische Ungleichgewichte. Diese entstehen z. B. durch eine Überbeanspruchung der Adduktoren oder eine Beckenfehlstellung. Oft präsentieren sich die Patientin mit chronischen Schmerzen im Schambereich, welche bei körperlicher Aktivität zunehmen sowie eine Druck­empfindlichkeit im Bereich der Symphyse. Auch Beschwerden im Gangbild oder bei Bewegungen unter Anspruchnahme der Adduktoren sind charakteristisch. Wie bei vielen der Krankheitsbilder ist hier vor allem die klinische Untersuchung wegführend, apparative Zusatzdiagnostik wird vor allem zur Beurteilung des Ausmasses der Entzündung und Ermittlung von Begleitverletzungen eingesetzt. Im MRT können Weichteilveränderungen oder Knochenödeme festgestellt werden. Die Therapie der Wahl ist konservativ: In der Akutphase ist die Reduktion oder Vermeidung schmerz­auslösender Aktivitäten wichtig mit Schonung und symptomatischer Therapie (z. B. mit NSAR). Sportarten mit geringer Belastung der Symphyse, wie Schwimmen und Radfahren, können in dieser Phase als «active recovery» sinnvoll sein.
Physiotherapeutisch sollte eine beschwerdeadaptierte Dehnung der Adduktoren im Vordergrund stehen zur Verbesserung der Flexibilität sowie eine Kräftigung der Becken- und Rumpfmuskulatur und somit der Beckenstabilität. In schweren Fällen kann als Intervention eine Kortikosteroid-Injektion evaluiert werden bzw. eine Ultraschall-/Stosswellentherapie.
Bei fehlender Besserung unter konservativer Therapie oder einer chronischen Beschwerdesymptomatik kann keine operative Therapie in Erwägung gezogen werden. Hierbei ist am häufigsten die Adduktorentenotomie zu nennen, bei der die Sehnenansätze der Adduktoren durchtrennt werden und damit die Spannung auf die Symphyse zu reduzieren. Vor allem bei im MRT nachgewiesenen strukturellen Veränderungen oder chronischen Entzündung der Adduktorensehnen kann dies hilfreich sein. Auch hier ist postoperativ jedoch eine intensive weiterführende Physiotherapie sinnvoll, um die Funktion wiederherzustellen und einem Rezidiv vorzubeugen sowie die Rückkehr in den Sport zu fördern.

Zerrungen und Avulsion der Hamstrings-Muskulatur

Grundlegend besteht die Hamstrings-Muskulatur aus drei Hauptmuskeln: dem Bizeps femoris, dem semitendinosus und dem semimembranosus. Die Handfunktion dieser Muskulatur besteht in der Beugung des Knie und Streckung der Hüfte. Vor allem Sportler, welche häufig schnelle Sprints oder plötzlich Richtungswechsel vollziehen, sind von Zerrungen und Avulsionen dieser Muskulatur betroffen.


Gründe für eine Zerrung sind beispielsweise eine akute Überdehnung, eine muskuläre Dysbalance, unzureichendes Aufwärmen und vorbestehende Verletzungen. Avulsionen entstehen meist durch gewaltsame Kontraktion der Muskulatur, wobei der Muskelansatz vom Knochen abgerissen wird. Vor allem Sportarten wie Fussball und Rugby oder auch der Antritt beim Sprinten sind hiervon betroffen. Betroffene berichteten meist von einem plötzlichen, stechenden Schmerz im Bereich des hinteren Oberschenkels und dem Gesäss nach entsprechendem Unfallmechanismus. Bei der Untersuchung zeigt sich bereits nach kurzer Zeit ein Bluterguss im Bereich des dorsalen Oberschenkels und eine Schwellung. Bei Zerrung zeigt sich eine Einschränkung der Kniebeugung und Hüftstreckung, bei Flexion besteht sogar teilweise eine Unfähigkeit, das Bein zu belasten. Unter Umständen lässt sich auch eine spürbare Muskellücke ertasten. Zur Diagnose führt vor allem das Wissen über den Unfallhergang und die klinische Untersuchung. Sonographisch kann die Diagnose mit wenig Aufwand gesichert werden. Im MRT lässt sich der Schweregrad der Verletzung am besten beurteilen.
Auch hier spielt in der Akutphase das R.I.C.E.-Prinzip eine zentrale Rolle. Zur Analgesie zeigen NSAR eine gute Wirkung. Physiotherapeutisch werden Dehn- und Kräftigungsübungen durchgeführt und ein progressives Training empfohlen.
Eine operative Therapie kommt zum Zug bei knöchernen Avulsionen oder hochgradigen Zerrungen, und bei signifikanten Funktionsstörungen, die nicht auf konservative Massnahmen ansprechen. Hierbei erfolgt eine chirurgische Refixation der abgerissenen Sehne am Ansatzbereich am Tuber ischiadicum. Auch hier spielt postoperativ die physiotherapeutische Rehabilitation eine zentrale Rolle.

Zusammenfassung

Hüftschmerzen ohne strukturelle oder orthopädische Probleme umfassen ein breites Spektrum von Bedingungen, die besonders bei sportlich aktiven Individuen relevant sind. Die genaue Diagnose dieser Bedingungen erfordert ein umfassendes Verständnis der Hüftanatomie, der biomechanischen Belastungen im Sport und der spezifischen Symptomatik. Entscheidend für die erfolgreiche Behandlung und Präven­tion dieser Hüftschmerzen ist die Identifizierung der zugrunde liegenden Ursache, um eine gezielte Therapie und angepasste Trainingsmodifikationen einzuleiten. Die frühzeitige Erkennung und das Management dieser nicht orthopädischen Hüftschmerzen können dazu beitragen, langfristige Schäden zu vermeiden und die sportliche Leistungsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen.

Korrespondenz

Haval Ghafoor
Kantonsspital Aarau
Klinik für Orthopädie und Traumatologie
Tellstrasse 25, 5001 Aarau
E-Mail: haval.ghafoor@ksa.ch

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