Brunner Carina1, König Ernst2
1 Eidg. dipl. Apothekerin, Pharmazie & Medizin
2 Direktor

Rückblick 2023
Mit der Lancierung der nationalen, unabhängigen Melde- und Untersuchungsstelle für Ethikverstösse und Missstände wurde ein starkes Bedürfnis im Schweizer Sport erkannt. Nachdem im ersten Jahr bereits 264 Meldungen bei Swiss Sport Integrity eingegangen sind, werden bis Ende Jahr voraussichtlich gegen 400 Meldungen zu potenziellen Ethikverstössen oder Missständen erwartet. Aufgrund der Dringlichkeit und der Notwendigkeit erhöhen das Bundesamt für Sport (BASPO) wie auch Swiss Olympic die finanziellen Beiträge an Swiss Sport Integrity. Die Meldestelle für Ethikverstösse wird in den kommenden Jahren mit einer zusätzlichen Million Franken gestärkt und wird so den steigenden Personalbedarf sowie externe Expertise finanzieren können. Die zusätzlichen Gelder werden es ermöglichen, auch bei einer weiterhin hohen Anzahl, die Meldungen fristgerecht und in der hohen Qualität zu bearbeiten, die von den Beteiligten zu Recht erwartet wird.
Gemäss der festgelegten Strategie 2021–2024 wurden auch in diesem Jahr die Anti-Doping-Arbeiten kontinuierlich ausgebaut, intensiviert und verbessert. Im Bereich der Kontrolltätigkeit dürften bis Ende Jahr rund 2500 Dopingkontrollen durchgeführten werden. Für die Entwicklung der neuen Trockenblut-Methode DBS im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit wurden in der Schweiz bereits in den vergangenen Jahren zahlreiche DBS-Proben entnommen. Dieses Jahr konnte das nun vollständig homologierte und standardisierte Kontrollverfahren häufiger und breitflächiger eingesetzt werden. Des Weiteren wurden finanzielle wie strukturelle Investitionen getätigt, um die Datensicherheit und den Datenschutz weiterhin sicherzustellen oder gar zu verbessern.
Der Prävention wurde ebenfalls grosses Gewicht beigemessen. Die Ausbildungstätigkeiten in Präsenz wurden nochmals intensiviert und gesteigert, sodass bis Ende Jahr die Marke von 200 Schulungen deutlich übertroffen wird. Besonders erfreulich ist das positive Echo bezüglich des neuen Online-Formats für Eltern, mit einem Publikum von rund 250 Personen. Intensiv wurde auch am neuen E-Learning für Nachwuchs- und Leistungssportler:innen gearbeitet, welches in Kürze auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zur Verfügung stehen wird.
Safeguarding im Sport
Die Prävention von Gewalt und Missbrauch im Sport funktioniert nur, wenn alle Beteiligten im Schweizer Sport ihren Beitrag leisten. Gerade die Sportärztinnen und Sportärzte nahmen von Beginn weg eine klare Haltung und eine aktive Vorreiterrolle ein. Auch beim SEMS-Kongress 2023 in Interlaken wurde dem Thema «Safeguarding and Sport» ein ganzer Tag gewidmet. Für dieses vorbildliche Engagement bedankt sich Swiss Sport Integrity bei der SEMS sowie bei Health4Sport (dem Zusammenschluss der vier Gesundheitsfachverbände im Sport) ausdrücklich.
Intravenöse Infusionen: Verbot mit Ausnahmen
Aufgrund verschiedener Fälle von Unklarheiten im ATZ-Prozess und Anfragen von Athlet:innen und Ärzt:innen, erinnern wir an die Bestimmungen für Infusionen. Intravenöse Infusionen und/oder Injektionen von mehr als 100 ml innerhalb eines Zeitraums von 12 Stunden von jeglicher Substanz gelten als verbotene Methode, selbst wenn die verabreichte Substanz nicht verboten ist. Es gibt jedoch einige Ausnahmen von dieser Regel: Intravenöse Infusionen und Injektionen sind erlaubt, wenn sie berechtigterweise im Rahmen von Spitalbehandlungen, chirurgischen Eingriffen oder während klinisch-diagnostischer Untersuchungen durchgeführt werden.
Beispiel: Wird eine Infusion von mehr als 100 ml im Sanitätszelt eines Wettkampfortes oder in der ärztlichen Praxis verabreicht, gilt dies als verbotene Methode. Hingegen ist die Infusion erlaubt, wenn sie berechtigterweise im Spital verabreicht wird.
In den letzten Monaten erreichten uns zudem vermehrt Anfragen zu Eiseninfusionen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Volumen-Regelung auch für intravenöse Infusionen und/oder Injektionen von Eisen gilt. Das bedeutet, dass Eiseninfusionen von mehr als 100 ml innerhalb von 12 Stunden gemäss Dopingliste verboten sind. Für Athlet:innen, die unter Eisenmangel leiden, bleibt die orale Substitution die erste Wahl. In Fällen, in denen orale Therapien einen unzureichenden Effekt bringen, besteht die Möglichkeit parenterales Eisen langsam intravenös, entweder unverdünnt oder verdünnt mit NaCl 0,9% bis zu einem Volumen von 100 ml, zu verabreichen.
Blutspenden
Athletinnen und Athleten, die Blut oder Blutbestandteile spenden möchten, müssen mit den Anti-Doping-Bestimmungen vertraut sein. Es ist zu beachten, dass die Verabreichung oder Wiederzufuhr von Blut in das Kreislaufsystem gemäss der Dopingliste verboten ist. Folglich ist die «klassische» Blutspende erlaubt, während Spenden, bei denen eine Apherese durchgeführt wird, grundsätzlich verboten sind. Die Thrombozytenspende und die periphere Blutstammzellspende stellen damit verbotene Methoden dar. Ab 2024 wird das Spenden von Plasma und Plasmabestandteilen, welches ebenfalls mittels Apherese erfolgt, explizit von diesem Verbot ausgenommen und ist gemäss Dopingliste in registrierten Spendezentren erlaubt.
Empfang von Blut und Blutbestandteilen
Der Empfang von (Voll-)Blut oder Blutbestandteilen ist gemäss Dopingliste verboten. Da bei einem Plasmaempfang nur Plasma, und somit beispielsweise keine roten Blutkörperchen, in den Kreislauf zurückgeführt wird, ist dessen Wiederzufuhr gemäss Dopingliste nicht verboten. Allerdings sind die gemäss Dopingliste geltenden Bestimmungen für intravenöse Infusionen zu beachten. Der Empfang des Plasmas wäre zum Beispiel verboten, wenn ein Volumen von mehr als 100 ml pro 12 Stunden ausserhalb eines Spitals verabreicht wird.
Für alle verbotenen Spenden oder Therapien ist eine Ausnahmebewilligung zu therapeutischen Zwecken (ATZ) notwendig.
ATZ-Prozess: Transfers und Ligawechsel
Im vergangenen Jahr kam es mehrfach vor, dass Athlet:innen aus dem Ausland in eine schweizerische Liga wechselten oder (Nachwuchs-)Athlet:innen an internationalen Wettkämpfen teilnahmen, ohne die ATZ-Bestimmungen zu beachten. Wir erinnern an folgende Punkte:
- Athlet:innen im ATZ-Pool und International-Level-Athlet:innen (ILA) benötigen eine vorgängige ATZ, d.h. Antragstellung und Bewilligung vor dem Therapiestart.
- Transfers im Teamsport und Athlet:innen vor dem Schritt zu internationalen Wettkämpfen benötigen besondere Aufmerksamkeit, um keine erforderlichen vorgängigen ATZ zu verpassen.
- Sind Athlet:innen im Besitz einer gültigen ATZ einer Nationalen Anti-Doping-Organisation (NADO), ist diese ATZ auf nationaler Ebene global gültig. Liegt bei einem Transfer aus dem Ausland eine gültige ATZ der dortigen NADO vor, ist diese auf nationaler Ebene in der Schweiz gültig. Es sollen unbedingt die Gültigkeitsdauer und die bewilligte Therapie überprüft werden.
- Eine von Swiss Sport Integrity bewilligte ATZ ist auf nationaler Ebene gültig. Sie muss jedoch vom internationalen Sportverband anerkannt werden, damit sie auch auf internationaler Ebene gültig ist.
Schmerzmittel: Verbot von Tramadol
Gemäss Dopingliste sind gewisse Narkotika im Wettkampf verboten. Die Klasse der Narkotika ist geschlossen formuliert, d.h. ausschliesslich die genannten Narkotika sind gemäss Dopingliste verboten. Dies stellt einen Unterschied zu diversen anderen Klassen dar, welche auch andere Substanzen mit ähnlicher Struktur und Wirkung einschliessen.
Bereits ein Jahr zuvor hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) das Verbot von Tramadol im Wettkampf angekündigt, welches nun zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Gleichzeitig werden andere schwachwirksame Opioide in das Überwachungsprogramm aufgenommen, um Anwendungsmuster im Wettkampf zu erfassen. Nachdem Codein und Hydrocodon bereits länger überwacht wurden, können nach der Ergänzung von Tapentadol und Dihydrocodein Verschiebungen in der Anwendung noch besser beobachtet werden.
Sollten Sie Athlet:innen betreuen, die Tramadol anwenden, weisen Sie diese bitte auf das Verbot hin und leiten Sie wo möglich Therapieumstellungen auf erlaubte Alternativen ein. Sollte dies nicht möglich sein oder ein Therapieversuch mit einer anderen Substanz nicht den gewünschten Therapieerfolg bringen, begründen und dokumentieren Sie dies entsprechend, damit die Dokumentation für einen ATZ-Antrag vorliegt.
Das Vorgehen hinsichtlich ATZ ist abhängig vom Anwendungszeitpunkt des Narkotikums und der Wettkampfplanung: Für die Anwendung «im Wettkampf» (23:59 Uhr am Tag vor einem Wettkampf bis zum Ende des Wettkampfs und allfälliger Dopingkontrolle) benötigen ATZ-Pool- und International-Level-Athlet:innen eine vorgängige ATZ. Für eine ärztlich verordnete Anwendung von Narkotika nur ausserhalb des Wettkampfes können alle Athlet:innen nach einer allfälligen positiven Dopingprobe im Wettkampf eine nachträgliche ATZ beantragen (Regelung analog Glukokortikoiden).
Die WADA gibt für Narkotika, mit Ausnahme von Tramadol, keine Auswaschphasen an. Sofern eine Therapie mit Narkotika nur ausserhalb des Wettkampfes notwendig ist und Sie die Auswaschphasen einhalten möchten, müssen Sie die Auswaschphasen für Narkotika selbstständig abschätzen. Bei der therapeutischen Anwendung wurde die Auswaschphase von Tramadol auf 24 Stunden festgelegt.
Dopingliste 2024: Weitere Änderungen

Für die Dopingliste 2024 hat die WADA diverse zusätzliche Beispiele bereits verbotener Substanzen ergänzt und formale Anpassungen vorgenommen. Die von Swiss Sport Integrity übersetzte Dopingliste ist unter http://www.sportintegrity.ch/dopingliste verfügbar. Als einfache Hilfe für die Praxis zur Prüfung des Doping-Status von Arzneimitteln dient die Medikamentenabfrage Global DRO auf unserer Webseite oder via Mobile App (www.sportintegrity.ch/medikamente).
Neue Beispiele und Synonyme verbotener Substanzen
Die Klasse der «nicht genehmigten Substanzen» der Dopingliste umfasst alle neu entwickelten Medikamente, die noch keine Zulassung haben, um deren missbräuchliche Anwendung zu verbieten. Diese Klasse umfasst damit viele verschiedene Substanzen, auch wenn nur wenige namentlich genannt sind. Neu führt die WADA als Beispiele 2,4-Dinitrophenol (DNP) und Troponin-Aktivatoren (z.B. Reldesemtiv und Tirasemtiv) auf.
Für die Klassen der Anabolika und der Stimulanzien wurden neue Beispiele und Synonyme bereits verbotener Substanzen ergänzt.
Die meisten Ergänzungen betreffen die Unterklasse der Peptidhormone und deren Releasingfaktoren. Für mehr Klarheit wurde die Überschrift «Testosteronstimulierende Peptide bei Männern» eingefügt und der Absatz neu formuliert. Der gängige, bisher jedoch nicht genutzte Begriff der Gonadotropin-Releasing-Hormone (GnRH) wird nun explizit genannt. Wie bisher werden dessen agonistische Analoga aufgeführt und mit Histrelin wurde ein weiteres Beispiel aufgenommen. Kisspeptin und seine agonistischen Analoga, die die GnRH-Sekretion und damit auch die Testosteronausschüttung stimulieren, wurden ebenfalls ergänzt.
Capromorelin und Ibutamoren (MK-677) wurden als weitere Beispiele von Wachstumshormon-Sekretagoga (GHS) und deren Mimetika aufgenommen. Es handelt sich um Mimetika des natürlichen Hormons Ghrelin, das die Produktion von Wachstumshormon und damit auch des insulinähnlichen Wachstumsfaktors-1 anregt. Für IGF-1 wurde zudem der INN Mecasermin ergänzt.
Eine umfassende Aufführung aller Änderungen wird von der WADA zur Verfügung gestellt [1].

Korrespondenzadresse
Carina Brunner 
Pharmazie & Medizin
Eidg. dipl. Apothekerin
Ernst König 
Direktor
Stiftung Swiss Sport Integrity
Eigerstrasse 60, 3007 Bern
med@sportintegrity.ch
http://www.sportintegrity.ch
Referenz
1. https://www.wada-ama.org/sites/default/files/202309/2024list_
explanatory_list_en_final_22_september_2023.pdf
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