SEMS Education review

Kraus Leonie
Medbase Abtwil Sports Medical Center, Wiesenbachstrasse 5, 9030 Abtwil

Abstract

Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) belong to the most prescribed and used drugs in sports medicine. Not as prevalent as the well-known gastrointestinal side effects and bleeding complications is a nephrogenic complication. This case report is supposed to sharpen the differential diagnostic view on a patient with flank pain and acute renal dysfunction. It should also emphasize the etiology, course, pathophysiology and therapy of a rare but possible consequence of NSAID intake.

Zusammenfassung

Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) gehören zu den in der Sportmedizin am häufigsten eingenommenen und verordneten Medikamenten. Neben den gängigen gastrointestinalen Nebenwirkungen und Blutungskomplikationen besteht auch das Risiko einer deutlich selteneren nephrogenen Komplikation. Dieser Case Report soll den differentialdiagnostischen Blick auf einen Patienten mit Flankenschmerzen und akuter Nierenfunktionsverschlechterung schulen. Des Weiteren sollen Ätiologie, Verlauf, Pathophysiologie sowie Therapie einer seltenen, aber möglichen Konsequenz einer NSAR-Einnahme veranschaulicht werden.

Schlüsselwörter: NSAR, Differentialdiagnosen der Nierenfunktionsverschlechterung, tubulointerstitielle Nephritis

Fallbericht

Ein 18-jähriger, gesunder Eishockeyspieler zog sich im Rahmen einer OSG-Distorsion eine komplexe ligamentäre Verletzung des oberen Sprunggelenks zu, welche zunächst mittels Vacuped ruhiggestellt wurde. Zur Analgesie erfolgte in den ersten posttraumatischen Tagen der bedarfsweise Einsatz von 1–2 Tabletten Ibuprofen à 400 mg pro Tag und eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (Fondaparinux).
Fünf Tage nach dem Verletzungsereignis traten erstmalig ausgeprägte Flankenschmerzen, subfebrile Temperaturen, Gliederschmerzen, Malaise sowie ein leichtgradiges Brennen beim Wasserlösen auf.
In der sportmedizinischen Konsultation sechs Tage posttraumatisch präsentierte sich der Sportler in leicht reduziertem, deutlich schmerzgeplagtem, kreislaufstabilen und afebrilen Allgemeinzustand. Klinisch imponierte eine ausgeprägte beidseitige Flankenklopfdolenz, bei ansonsten weitestgehend unauffälliger körperlicher Untersuchung.

Befunde

Laborchemisch zeigte sich eine Kreatinin-Erhöhung im Sinne einer akuten Nierenfunktionsverschlechterung (AKIN 3) ohne Elektrolytverschiebungen sowie eine milde CRP-Erhöhung bei fehlender Leukozytose (Tabelle 1). Im Urinstatus konnten eine Protein- und Mikrohämaturie, jedoch keine Leukozyturie nachgewiesen werden (Tabelle 2).
Sonographisch imponierten die Nieren beidseits vergrössert und mit prominentem Nieren-Becken-Kelch-System ohne Nachweis eines Harnstaus (Abb. 1).
In der weiterführenden nephrologischen Diagnostik wurde im Spoturin eine Proteinurie von 820 mg/d und eine Albuminurie von 480 mg/d quantifiziert. Das Urinsediment sprach eher gegen eine glomeruläre Genese der Hämaturie. Eine fraktionierte Harnstoffexkretion von 38,9% sprach für eine intrarenale Genese der Nierenfunktionsverschlechterung.
In der Nierenbiopsie präsentierte sich das Bild einer fokalen akuten interstitiellen Nephritis mit Zeichen einer leichtgradigen akuten Tubulusnekrose.

Abb. 1: Sonographie der linken Niere am Tag der ärztlichen Vorstellung. 1: 13.80 cm; 2: 7.05 cm; 3: 1.83 cm. Die Bilder wurden freundlicherweise durch die Nephrologie des Kantonsspitals St. Gallen zur Verfügung gestellt.
Abb. 2: Sonographie der linken Niere in der Verlaufskontrolle eine Woche später. 1: 12.33 cm; 2: 6.60 cm.
Tabelle 1: Laborchemie, Verlauf

Differentialdiagnosen

Das klinische Bild ähnelte am ehesten einer Pyelonephritis, wobei diese bei fehlender Leukozyturie und praktisch normalen Entzündungswerten letztlich unwahrscheinlich erschien und ein Keimwachstum in der Urinkultur ausblieb. Trotz der anamnestischen Subfebrilität wurde eine Nephrolithiasis differentialdiagnostisch in Betracht gezogen, wobei sonographisch keine Hinweise für eine postrenale Stauung oder ein Twinkling Sign bestanden. Bei fehlendem Nachweis von dysmorphen Erythrozyten im Urinsediment erschien eine Glomerulonephritis nicht sehr wahrscheinlich.

Diagnose

Letztlich bestätigten die Befunde einer durchgeführten Nierenbiopsie die per Ausschlussverfahren bereits vermutete Diagnose einer tubulointerstitiellen Nephritis im Rahmen der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR), in diesem Fall Ibuprofen.
Sekundäre Ursachen der tubulointerstitiellen Nephritis konnten mittels negativer Komplementfaktoren, einer negativen Rheumaserologie (Rheumafaktor, ANA, PR3-ANCA, MPO-ANCA), Ausschluss einer akuten Hepatits B/C oder HIV-Infektion sowie anhand ausführlicher Anamneseerhebung ausgeschlossen werden.

Tabelle 2: Urinbefund, Verlauf

Hintergrund

Die tubulointerstitielle Nephritis (TIN) ist eine Entzündung der Tubuli und des Interstitiums der Nieren, die akut oder chronisch auftreten kann. Die häufigste Ursache der akuten Form ist medikamentös bedingt, wobei NSAR, Protonenpumpeninhibitoren und Antibiotika zu den häufigsten Auslösern zählen (80–90%). Zunehmend als medikamentöser Auslöser in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten Checkpoint-Inhibitoren aus der modernen Tumortherapie. Eine infektiöse Genese v.a. im Rahmen einer Hantavirus-Infektion sowie parainfektiös bei bakteriellen Erkrankungen (z.B. Streptokokken, Staphylokokken, Legionellen) ist möglich [1,2,3].
Mehr als 250 Medikamente tragen ein geringes, dosis-unabhängiges Risiko, Auslöser einer akuten tubulointerstitiellen Nephritis sein zu können (Tabelle 3) [4].
Die chronische Form kann mit Stoffwechselerkrankungen wie Hyperurikämie (Gicht), Hyperkalziämie, Hyperoxalurie, Myelomniere (Cast-Nephropathie), Sjörgren-Syndrom, Lupusnephritis, polyzystischer Nierenerkrankung oder einer Strahlennephritis assoziiert sein. Auch die chronische Form kann medikamentös-toxisch bedingt sein, beispielsweise als Reaktion auf Mesalazin (Immunmodulator aus der Gruppe der Aminosalicylate), chinesische Kräutermischungen oder i.R. einer Balkannephritis bei Exposition gegenüber Aristolochiasäuren, die v.a. im Balkanraum zu Kontaminationen von Mehlprodukten führen können [2,3].

Tabelle 3: Eine Auswahl medikamentöser Auslöser einer TIN [3]

Prävalenz

Zwei Prozent aller Nierenbiopsien ergeben eine TIN und bis zu 27% aller Nierenerkrankungen unklarer Ätiologie sind auf eine TIN zurückzuführen. Bei Kindern beträgt die Häufigkeit ca. 1–7% aller Nierenbiopsien. Medikamentös induzierte TIN ist Ursache für 7–27% aller akuten Nierenfunktionsverschlechterungen unklarer Ätiologie [5].

Pathophysiologie

Pathophysiologisch geht man davon aus, dass die medikamentös bedingte TIN immun-vermittelt ist und einer allergischen Hypersensitivitätsreaktion ähnelt. Es besteht keine Dosis-Abhängigkeit. Ein Wiederauftreten nach erneuter Exposition ist möglich. Häufig, wenn auch nicht immer, finden sich Eosinophile in den Nierenbiopsien. Die Manifestation der medikamentös induzierten Form tritt innerhalb von 1–3 Wochen (im Durchschnitt ca. 10 Tage) nach Exposition auf [3,4].

Therapie

Je nach Schwere des Tubulusschadens ist der therapeutische Einsatz von Steroiden in Erwägung zu ziehen. In der Literatur wird diskutiert, dass ein früher Einsatz von Steroiden durch Reduktion der entzündlichen Infiltrate eine Fibrose möglicherweise verhindern kann, wobei an dieser Stelle keine konklusive Datenlage besteht und Daten aus randomisiert kontrollierten Studien fehlen [8]. Die medikamentös induzierte Form hat bei frühzeitiger Beendigung des Auslösers meist eine hohe Spontanheilungsrate und eine entsprechend gute Prognose. Die chronische Form endet meist in der terminalen Niereninsuffizienz und geht mit einem erhöhten ­Risiko für Urothelkarzinome einher [2,3,6].

Verlauf

Im vorliegenden Fall verbesserte sich die Nierenfunktion nach Beendigung der NSAR-Einnahme und Pausieren der prophylaktischen Antikoagulation rasch, sodass auf eine Steroidgabe verzichtet werden konnte. Es erfolgte eine dreitägige Überwachung im Spital. Ca. 10 Tage nach dem Auftreten erster Symptome war die Nierenfunktion weitestgehend normalisiert und der Sportler beschwerdefrei (Abb. 2). Aufgrund der Möglichkeit eines Wiederauftretens nach Reexposition besteht ein lebenslanges Verbot einer NSAR-Einnahme.

Klinik

Im klinischen Setting ist die Diagnosestellung einer TIN mitunter herausfordernd, da es keine typische klinische Manifestation gibt. Die klassischen Symptome einer Hypersensitivitätsreaktion mit Exanthem, Arthralgie und Fieber präsentieren sich eher selten. Die tubulointerstitielle Entzündungsreaktion kann zu einem Ödem und somit einer schmerzhaften Dehnung der Nierenkapsel führen, Flankenschmerzen auslösen und somit dem klinischen Bild einer ­Pyelonephritis ähneln. Die Papillennekrosen können eine Hämaturie bedingen [3,8].
Neben einem Anstieg der Retentionsparameter ist eine tubuläre Proteinurie (meist <2g/Tag) und häufig eine Glucosurie, aufgrund einer gestörten Rückresorption in den erkrankten Tubuli typisch. Letztere lag in diesem Fall nicht vor. Häufig treten Elektrolytstörungen, eine metabolische Azidose, eine Erhöhung der fraktionierten Natriumexkretion sowie eine Eosinophilurie auf. Die Nierenbiopsie ist die einzige diagnostische Möglichkeit, eine TIN zu bestätigen, wobei auch unspezifische histologische Befunde auftreten können [2,3]. Die Histologie erlaubt eine prognostische Aussage (je mehr Fibrose und Tubulusatrophie, desto geringere Chance auf Erholung) und sollte daher frühzeitig erfolgen [8].

Ausblick

Nichtsteroidale Antirheumatika zählen in der Sportmedizin immer noch zu den am häufigsten angewendeten Medikamenten. Einige Daten weisen darauf hin, dass jeder dritte Athlet, sowohl im Profi- als auch im Breitensport, vor Wettkämpfen auf deren schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung zurückgreift. Mittlerweile besteht Konsens, dass eine mehrtägige Einnahme (länger als 2–3 Tage) Heilungsprozesse von Muskulatur, Knochen und Sehnen durch Unterdrückung einer natürlichen Inflammationsreaktion negativ beeinflussen und den Heilungsverlauf von Verletzungen qualitativ beeinträchtigen und zeitlich verzögern kann [7].
Neben den häufiger beschriebenen Blutungs- und gastrointestinalen Komplikationen bleibt die in diesem Artikel beschriebene schwere nephrogene Komplikation eine seltene. Auch wenn der Einsatz von NSAR bei überschiessenden Entzündungsreaktionen und in der Frühphase von Verletzungen seine Berechtigung haben kann, sollte unter Sportmediziner/innen und Athlet/innen das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass eine NSAR-Therapie nicht aus-
schliesslich mit positiven Effekten einhergeht. Eine adäquate Nutzen-Risiko-Abwägung sollte in jedem Fall vollzogen werden, auch – und im Besonderen – wenn die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel steht [7].

Korrespondenz

Dr. med. Leonie Kraus
Medbase Abtwil Sports Medical Center
Wiesenbachstrasse 5
9030 Abtwil
Leonie.Kraus@medbase.ch

References

  1.  Sanchez-Alamo B, Cases-Corona C, Fernandez-Juarez G. Facing the Challenge of Drug-Induced Acute Interstitial Nephritis. Nephron. 2023 Jul 13;147(2):78-90.
  2.  Dietel et al. Harrisons Innere Medizin. 16th ed.: Wissenschaftsverlagsgesellschaft; 2005.
  3.  Joyce E, Glasner P, Ranganathan S, Swiatecka-Urban A. Tubulointerstitial nephritis: diagnosis, treatment, and monitoring. Pediatr Nephrol. 2017 Apr;32(4):577-587.
  4.  Eddy, AA. Drug-induced tubulointerstitial nephritis: hypersensitivity and necroinflammatory pathways. Pediatr Nephrol. 2020 Apr;35(4): 547-554.
  5.  Ruebner RL Fadrowski JJ. Tubulointerstitial Nephritis. Pediatr Clin North Am. 2019 Feb;66(1):111-119.
  6.  Moledina DG PM. Treatment of Drug-Induced Acute Tubulointerstitial Nephritis: The Search for Better Evidence. Clin J Am Soc Nephrol. 2018 Dec;13(12):1785-1787.
  7.  Tscholl PM. Der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) im Spitzensport. Dtsch Z Sportmed. 2014;65:34-37.
  8.  Kistler, AD. Interstitielle Nephritis. Swiss Med Wkly 2016;16(5):108-113.

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