Krafttraining im Kindes- und Jugendalter: Bedeutung, Wirkung und Handlungsempfehlungen
Büsch D1, Prieske O2, Kriemler S3, Puta C4, Gabriel H4, Granacher U2
1 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät IV Human- und Gesellschaftswissenschaften, Institut für Sportwissenschaft, Arbeitsbereich Sport und Training, Oldenburg, Deutschland
2 Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät, Forschungsschwerpunkt Kognitionswissenschaften, Professur für Trainings- und Bewegungswissenschaft, Potsdam, Deutschland
3 Universität Zürich, Institut für Epidemiologie, Biostatistik & Prävention, Gruppe CHIPAH, Zürich, Schweiz
4 Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehrstuhl für Sportmedizin und Gesundheitsförderung, Jena, Deutschland
Abstract
During the last years, muscle strengthening exercises have been included as an essential part in youth physical activity guidelines of national and international health organisations. It is well-documented that strength training is effective in improving physical fitness and promoting health and psycho-social well-being. Therefore, the purpose of this review article is to present empirical evidence on the effectiveness of strength training in children and adolescents. Additionally, and with reference to an established youth physical development model, conceptual and methodological aspects of safe and effective strength training in youth will be discussed and specific practical recommendations will be presented.
Zusammenfassung
In den Bewegungsempfehlungen nationaler wie internationaler Gesundheitsorganisationen wird für Kinder und Jugendliche seit einigen Jahren die verstärkte Förderung der Kraft ausgewiesen. Für ein Krafttraining im Kinder- und Jugendbereich werden positive Effekte auf die Entwicklung der sportlichen und alltagsmotorischen Leistung, Förderung der Gesundheit und des psychosozialen Wohlbefindens berichtet. Auf Grundlage empirischer Befunde werden im vorliegenden Überblicksbeitrag die Wirkungen eines Krafttrainings für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Darüber hinaus werden bezugnehmend auf ein ganzheitliches Entwicklungsmodell inhaltliche und methodische Aspekte zur sicheren und effektiven Gestaltung beim Krafttraining mit Heranwachsenden diskutiert und konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Einleitung
Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) sollten junge Menschen, d. h. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 17 Jahren, täglich mindestens 60 Minuten mit moderater bis intensiver körperlicher Aktivität (moderate- to vigorous-intensity physical activity daily, MVPA) erreichen, um eine gesunde Entwicklung sicherzustellen [45]. Eine darüber hinaus gehende tägliche körperliche Aktivität wird mit einem zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen assoziiert, sodass bspw. die deutschen Empfehlungen zur Bewegung und Bewegungsförderung täglich mindestens 90 Minuten für 6- bis 18-jährige Grundschulkinder und Jugendliche fordern, von denen 60 Minuten auch mit Alltagsaktivitäten, z. B. 12 000 Schritte/Tag, erbracht werden können [39]. Leider konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass diese Empfehlungen nur von ungefähr einem Viertel der Kinder und Jugendlichen erreicht werden und die Aktivitätszeiten mit zunehmendem Alter weiter zurückgehen [22,31].
Während bisher der Schwerpunkt bei der körperlichen Aktivität auf die aerobe Leistungsfähigkeit gelegt wurde, zeigt sich seit einigen Jahren ein «Paradigmenwechsel» zur spezifischen Förderung der Kraft durch Krafttraining, um dadurch eine positive körperliche Entwicklung und sportliche Partizipation zu erlangen und einer zu konstatierenden «juvenilen Dynapenie», d. h. einem Verlust von Kraft bereits im Kindesalter entgegenzuwirken [11,12]. Bereits seit 2010 empfiehlt die WHO, neben der aeroben körperlichen Aktivität zusätzlich dreimal in der Woche intensive körperliche Aktivitäten zu integrieren, mit denen die Muskulatur gekräftigt und die Knochen und Sehnen gestärkt werden [45]. Eine systematische Literaturrecherche in der Datenbank PubMed für den Zeitraum von 1970 bis 2017 und unter Verwendung der Booleschen Operatoren «AND», «OR» und der folgenden Suchsyntax («strength» OR «resistance» OR «strength training» OR «resistance training» OR «weight training» OR «power training» OR «plyometric training» OR «complex training» OR «weight-bearing exercise») AND (child* OR adolescent OR youth OR puberty OR kid* OR teen* OR girl* OR boy*) sowie den Spezifikationen («humans», «child: 6–12 years» und «adolescent: 13–18 years») ergab eine Trefferanzahl von 68.649 Publikationen (siehe Abbildung 1). Dies zeigt deutlich, dass das Forschungsinteresse an der Thematik Kraft und Krafttraining im Kindes- und Jugendalter seit den 1970er-Jahren deutlich gestiegen ist.

Die Zielgrössen eines Krafttrainings im Kinder- und Jugendbereich können in drei übergeordnete Bereiche aufgeteilt werden: (1) Entwicklung der sportlichen und alltagsmotorischen Leistung, (2) Förderung der Gesundheit und (3) des psycho-sozialen Wohlbefindens. Der aktuelle empirische Kenntnisstand dokumentiert (siehe Tabelle 1), dass (ad 1) die Maximal-/Schnellkraft, die Kraftausdauer, die Reaktivkraft, die kardio-respiratorische Fitness (Ausdauer), die Ausführung elementarer und sportmotorischer Bewegungstechniken, die sportartspezifische Leistung, (ad 2) die Körperzusammensetzung, die Knochendichte, kardio-vaskuläre Faktoren, die Verletzungsprophylaxe, die langfristige Belastungsverträglichkeit, (ad 3) die psychische Gesundheit, das Wohlbefinden und die Einstellung zum lebenslangen Sporttreiben durch ein Krafttraining im Kinder- und Jugendbereich verbessert werden können [8,9,19,33,44]. Des Weiteren ist positiv hervorzuheben, dass ein angeleitetes Krafttraining auch eine extrem geringe Verletzungsinzidenz per se (0,003 Verletzungen pro 100 Stunden Krafttraining mit Adoleszenten) sowie eine deutlich geringere Verletzungsinzidenz im Vergleich zu anderen sportlichen Aktivitäten, z. B. im Fussball 6,2 und im Badminton 0,05 Verletzungen pro 100 Stunden Training/Spiel aufweist [3,13,15,16,20,30,34].
Da die Durchführung eines angeleiteten Krafttrainings im Kindes- und Jugendalter u. a. auch aufgrund eines sich stetig verändernden Freizeitverhaltens nachdrücklich zu fordern ist, fokussieren die aktuellen Fragestellungen auf den potenziellen Krafttrainingsbeginn, die altersadäquaten Krafttrainingsmethoden und -inhalte in Abhängigkeit der individuellen Entwicklung. Im Folgenden soll bezugnehmend auf ein ganzheitliches Entwicklungsmodell [29] mit dem Fokus auf die Kraft gezeigt werden, welche trainingsmethodischen Konsequenzen, z. B. unter Berücksichtigung des biologischen Alters, resultieren und mit welchen Trainingsinhalten und zu welchem Zeitpunkt die Kraftentwicklung systematisch und zielorientiert entwickelt werden kann.
Entwicklungsmodell für das Kinder- und Jugendtraining
Lloyd et al. [29] haben im Überblick der verschiedenen langfristigen Ansätze für die motorische und athletische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ein ganzheitliches Modell extrahiert (siehe Abbildung 2), welches zwar primär auf die Entwicklung von sportlichen Talenten fokussiert, aber durch die Berücksichtigung von gesundheitlichen Aspekten, langfristiger sportlicher Partizipation und Wohlbefinden auch für den gesamten Kinder- und Jugendbereich als Orientierung dienen kann.
Ein wesentlicher Aspekt in diesem ganzheitlichen Modell bezieht sich auf die altersgemässe Zuordnung und Priorisierung von psycho-sozialen und körperlichen Entwicklungsinhalten. Dabei ist zu beachten, dass die oftmals gewählte Einordnung in die Altersstufen mittleres Kindesalter, spätes Kindesalter, Jugend- und Erwachsenenalter anhand des kalendarischen Alters nur als grobe Orientierung dienen kann. Differenzierter und für sportliche Belange besser geeignet ist die Orientierung am biologischen Reifegrad, bei dem zwischen der präpubertären, der pubertären sowie der postpubertären Phase unterschieden wird. Diese Unterteilung orientiert sich am Beginn des sogenannten Wachstumsschubs, d. h. an der Phase mit der grössten (erwarteten) Körperhöhenveränderung (Peak Height Velocity, PHV), woraus trainingspraktische Konsequenzen, z. B. bei der Übungsauswahl oder der Belastungshöhe resultieren. Der biologische Reifegrad bzw. der Beginn des Wachstumsschubs kann nicht-invasiv und nicht-röntgenologisch, aber hinreichend genau mit dem Regressionsmodell von Mirwald et al. [32,42] durch die Angaben zum Geschlecht, zum Geburts- sowie Testdatum, zur Körperhöhe stehend, Körperhöhe sitzend sowie der Körpermasse abgeschätzt werden [7,32,41]. Die Berechnung kann für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 16 Jahren z. B. online für einzelne Personen (https://kinesiology.usask.ca/growthutility/ahp_ui.php) oder offline mit einer kostenfreien Software des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig für grössere Personengruppen mit einem Datenimport durchgeführt (http://www.iat.uni-leipzig.de/service/downloads/fachbereiche/technik-taktik/biofinal/view) und heruntergeladen werden.
Auch wenn die psycho-sozialen Inhalte, insbesondere die Motivation zu einem lebenslangen Sporttreiben, sowie die körperlichen Entwicklungsinhalte, Beweglichkeit, Gewandtheit, Schnelligkeit und Ausdauer wichtige Bausteine für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen darstellen, so lässt sich aus der Abbildung 2 die grosse Bedeutung der unterschiedlichen Kraftdimensionen und -methoden erschliessen, die im Folgenden mit Bezug auf die Wirkungen eines Krafttrainings in den Fokus der weiteren Betrachtungen gestellt werden.


Wirkungen von Krafttraining im Entwicklungsverlauf
Ein altersgerechtes Krafttraining führt sowohl im präpubertären (Mädchen: 11–12 Jahre; Jungen: 13–14 Jahre) als auch im pubertären Alter (Mädchen: 12–18 Jahre; Jungen: 14–18 Jahre) zu Kraftsteigerungen im Bereich von 10–40% [2,17,35]. Aus einer meta-analytischen Perspektive handelt es sich hierbei um grosse Effekte durch ein Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen zur Verbesserung des Kraftniveaus gegenüber einer vergleichbaren Kontrollgruppe [2]. Jedoch sind bei der Bewertung bestimmte Faktoren wie das biologische Alter, das Geschlecht, die Trainingsmethode, die Belastungsgestaltung (Belastungshöhe, Belastungsdauer) oder die trainierten Muskelgruppen zu beachten, die die unterschiedlichen Zuwachsraten beeinflussen können. Beispielsweise fallen die Krafttrainingseffekte in Bezug auf die absoluten Verbesserungen bei postpubertären Jungen grösser als bei präpubertären Jungen aus. Demgegenüber unterscheiden sich die relativen Kraftzuwachsraten, d. h. der Kraftgewinn in Relation zur Körpermasse, in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen nicht bedeutsam [27].
Auch für den Nachwuchsleistungssport konnte anhand einer Meta-Analyse von Lesinski et al. [26] sowie eines Literaturüberblicks von Granacher et al. [19] gezeigt werden, dass ein Krafttraining – unabhängig von Alter, Geschlecht und Trainingsform – zu bedeutsamen Kraftzuwächsen führt. Die Bedeutsamkeit der Kraftzuwächse kann mit Hilfe von standardisierten Effektgrössen (EG) berechnet werden. Die Klassifizierung der EG erfolgt zielgruppenspezifisch (Personen mit kontinuierlicher ein- bis fünfjähriger Krafttrainingserfahrung) für das Krafttraining in Anlehnung an Rhea [38]: EG < 0,35 = trivialer Effekt, 0,35 ≤ EG < 0,80 = kleiner Effekt, 0,80 ≤ EG < 1,50 = mittlerer Effekt und EG ≥ 1,50 = grosser Effekt.
Effekte von Krafttraining auf die Maximal-/Schnellkraft, die Kraftausdauer sowie auf sportartspezifische Leistungen in Abhängigkeit vom kalendarischen Alter
Unter Berücksichtigung des kraftspezifischen Klassifikationsschemas sind mittlere Effekte auf die Maximal- (EG = 1,09) und Schnellkraft (EG = 0,80) sowie kleine Effekte auf die Kraftausdauer (EG = 0,57) und auf sportartspezifische Leistungen (z. B. Wurfgeschwindigkeit; EG = 0,75) zu konstatieren. Die Subanalysen unter Berücksichtigung des Faktors kalendarisches Alter ergaben für die Maximalkraft im Kindes- (EG = 1,35) und im Jugendalter (EG = 0,91) mittlere Effekte. Für die Schnellkraft konnten kleine (Kinder: EG = 0,78) bis mittlere (Jugendliche: EG = 0,85) Effekte und für die Kraftausdauer triviale Effekte (Kinder: k. A. [keine Angaben möglich, da entweder keine oder ≤ 2 Studien vorliegen], Jugendliche: EG = 0,19) ermittelt werden. In Bezug auf sportartspezifische Leistungen zeigte sich eine praktisch bedeutsame Tendenz zu altersspezifischen Wirkungen (Kinder: EG = 0,50; Jugendliche: EG = 1,03) zugunsten von Athleten im Jugendalter (siehe Abbildung 3).
Effekte von Krafttraining auf die Maximal-/Schnellkraft, die Kraftausdauer sowie auf sportartspezifische Leistungen in Abhängigkeit vom biologischen Alter
In Abhängigkeit des Faktors biologisches Alter, das z. B. über das Regressionsmodell von Mirwald et al. [32,42] bestimmt werden kann, zeigen sich für die Maximalkraft kleine Effekte (präpubertär: k. A.; [post-]pubertär: EG = 0,61) und für die Schnellkraft mittlere Effekte (präpubertär: EG = 0,91; [post-]pubertär: EG = 1,15). Aufgrund einer unzureichenden Studienanzahl (≤ 2 Studien) war es für präpubertäre und (post-)pubertäre Athleten nicht möglich, Effektgrössen für die Kraftausdauer zu berechnen (siehe Abbildung 4).

Effekte von Krafttraining auf die Maximal-/Schnellkraft, die Kraftausdauer sowie auf sportartspezifische Leistungen in Abhängigkeit vom Geschlecht
Im Hinblick auf die Subkategorie Geschlecht konnten für die Maximalkraft mittlere Effekte (Mädchen: k. A.; Jungen: EG = 1,21), für die Schnellkraft kleine (Mädchen: EG = 0,61) bis mittlere (Jungen: EG = 0,85) Effekte und für die Kraftausdauer kleine Effekte (Mädchen: k. A.; Jungen: EG = 0,77) berechnet werden (siehe Abbildung 5).
Effekte von Krafttraining auf die Maximal-/Schnellkraft, die Kraftausdauer sowie auf sportartspezifische Leistungen in Abhängigkeit von der Trainingsform
Die Subanalyse für unterschiedliche Trainingsformen ergab ein uneinheitliches Bild. Zum Beispiel wurden für die Verbesserung der Maximalkraft praktisch bedeutsame Effekte, d. h. höhere Wirkungen zugunsten des Krafttrainings mit Freihanteln (EG = 2,97) gegenüber einem Krafttraining an Maschinen (EG = 0,36), einem Krafttraining an Maschinen in Kombination mit Freihanteln (EG = 1,16), einem funktionellen Training (EG = 0,62) und einem Reaktivkrafttraining (EG = 0,39) gefunden. Im Hinblick auf die Steigerung sportartspezifischer Leistungen offenbarten sich höhere resp. praktisch bedeutsame Wirkungen zugunsten eines Komplextrainings (EG = 1,85) im Vergleich zu einem Krafttraining an Maschinen (EG = 0,30), einem funktionellen Training (EG = 0,79) und einem Reaktivkrafttraining (EG = 0,74) (siehe Abbildung 6).
Zusammenfassend ist unabhängig vom Alter, Geschlecht und der Trainingsform zu konstatieren, dass ein angeleitetes Krafttraining im Kindes- und Jugendalter für die Zielgrössen (1) Entwicklung der sportlichen und alltagsmotorischen Leistung, (2) Förderung der Gesundheit und (3) des psycho-sozialen Wohlbefindens grundsätzlich empfehlenswert erscheint.



Empfehlungen für das Krafttraining im Entwicklungsverlauf
Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen sollten bei der Konzeption eines Krafttrainings mit Kindern und Jugendlichen sowie Nachwuchsathletinnen und -athleten die Faktoren kalendarisches und biologisches Alter, Geschlecht und Trainingsform berücksichtigt werden. Diese Erkenntnisse wurden von einem Expertenkonsortium aufgegriffen und in Anlehnung an das Modell zur ganzheitlichen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter [29] in ein konzeptionelles Modell zur Implementierung von Krafttraining im Entwicklungsverlauf überführt [19] (siehe Abbildung 7).

Aus diesem Modell geht hervor, dass ein Krafttraining in seinen unterschiedlichen Ausprägungsformen, z. B. Komplextraining, Hypertrophietraining, Reaktivkrafttraining, Rumpfkrafttraining usw. zur Steigerung der Muskelkraft, d. h. der Maximal-/Schnellkraft sowie der Kraftausdauer in allen Etappen einer langfristigen Leistungsentwicklung durchgeführt werden kann (siehe im Detail die Trainingsformen in Abbildung 7). Darüber hinaus kommt dem Gleichgewichtstraining als krafttrainingsvorbereitende sowie krafttrainingsunterstützende Massnahme in allen Etappen eine bedeutsame Rolle zu [24]. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass (i) die Anordnung von Gleichgewichts- vor Reaktivkrafttraining (jeweils vier Wochen) bei Athleten (12–13 Jahre) zu grösseren Leistungszuwächsen (z. B. Reaktivkraftindex) als die umgekehrte Reihung [21] und (ii) die Anordnung von Gleichgewichts- vor Reaktivkrafttraining sowie ein alternierendes Gleichgewichts- und Reaktivkrafttraining über acht Wochen zu vergleichbaren Leistungszuwächsen von > 30% bei durchschnittlich 14-jährigen Athleten [5] führte.
Für eine methodisch sinnvolle Gestaltung von Krafttrainingsmassnahmen, insbesondere mit Kindern, aber auch mit Jugendlichen sollten die folgenden Expertenempfehlungen als initiale allgemeine Handlungsorientierung beachtet werden [33]:
- Erst leichte, dann schwere Widerstände verwenden!
- Erst Einsatztraining, dann Mehrsatztraining!
- Erst die Armmuskulatur, dann die Bein- und Rumpfmuskulatur trainieren!
- Erst grosse, dann kleine Muskelgruppen trainieren!
- Erst mehrgelenkige, dann eingelenkige Übungen ausführen!
- Koordinativ herausfordernde Übungen zu Beginn einer Trainingseinheit, d. h. im «ermüdungsfreien» Zustand durchführen!
- Eine ausgeglichene Übungsverteilung für Agonisten und Antagonisten, z. B. durch ein Training der Beinstrecker und Beinbeuger vornehmen!
Für die konkrete Festlegung der Belastungsgrössen kann aus Meta-Analysen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung abgeleitet werden, dass die Modulation der einzelnen Belastungsparameter vor allem für die Entwicklung der Maximalkraft entscheidend ist [26]. Es empfiehlt sich daher, ein langfristiges Krafttraining zu planen und durchzuführen (> 23 Wochen), eine relative Belastungshöhe von 80–89% des Ein-Wiederholungsmaximums zu verwenden, 5 Sätze pro Übung und 6–8 Wiederholungen pro Satz zu realisieren sowie 3–4 Minuten Satzpause einzuhalten, um grösstmögliche Zuwächse in der Maximalkraft zu erreichen. Diese Dosis-Wirkungs-Beziehungen stellen eine empirisch evaluierte Empfehlung zur Belastungsdosierung für das Krafttraining im Kinder- und Jugendbereich dar, die aber individualisiert, d. h. insbesondere in Abhängigkeit vom biologischen Alter, aber auch vom Geschlecht sowie vom Trainings- resp. Leistungszustand angepasst werden muss (siehe Tabelle 2).
Eine wesentliche Voraussetzung bei allen trainingsmethodischen Überlegungen ist – und dies kann gar nicht oft genug eingefordert werden – eine technisch einwandfreie Bewegungsausführung, bevor die Durchführung moderater und intensiver Kraftübungen erfolgt. Darüber hinaus empfiehlt es sich, neben den zuvor genannten Belastungsgrössen auch subjektive Beanspruchungsparameter (z. B. Anstrengungsskalen) zur Steuerung des Krafttrainings einzusetzen [4,14,40].
Zusammenfassung für das Krafttraining im Kinder- und Jugendbereich
In Anlehnung an die aktuellen Überblicksarbeiten [1,19,25,37] ist bei einer empfehlenswerten Priorisierung von Kraft und Krafttraining im Kindes- und Jugendalter festzuhalten:
- Krafttraining ist eine effektive Massnahme zur Steigerung der Muskelkraft, d. h. der Maximal-/Schnellkraft sowie der Kraftausdauer. Die Wirksamkeit von Krafttraining scheint dabei alters-, geschlechts- und trainingsformspezifisch zu sein.
- Krafttraining mit Freihanteln ist effektiver zur Verbesserung der Maximalkraft als Maschinentraining, Maschinentraining in Kombination mit Freihanteln, funktionelles und Reaktivkrafttraining.
- Krafttraining zeigt bedeutsam höhere Wirkungen auf sportartspezifische Leistungen bei Athletinnen und Athleten im Jugend- gegenüber dem Kindesalter.
- Krafttraining zeigt bedeutsam höhere Wirkungen auf sportartspezifische Leistungen von Athletinnen gegenüber Athleten.
- Komplextraining ist effektiver als Maschinentraining, funktionelles und Reaktivkrafttraining zur Verbesserung sportartspezifischer Leistungen.
- Das konzeptionelle Modell zum Krafttraining im langfristigen Leistungsaufbau (Abbildung 7) dient als Orientierung zur Auswahl geeigneter Trainingsformen im (körperlichen) Entwicklungsverlauf und bedarf einer tiefergehenden empirischen Evaluation.
- Effektive, voneinander unabhängig berechnete Dosis-Wirkungs-Beziehungen von Krafttraining zur Verbesserung der Maximalkraft im Nachwuchsleistungssport sind: Trainingsperiode: > 23 Wochen, Trainingsintensität: 80–89% des Ein-Wiederholungsmaximums, 5 Sätze pro Übung, 6–8 Wiederholungen pro Satz, 3–4 Minuten Satzpause. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Belastungsparameter ist eine technisch einwandfreie Bewegungsausführung.
Schlussbemerkung
Während noch in den 1970er- und 1980er-Jahren die Empfehlungen zur körperlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen die Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit präferierten, sollte sich der inhaltliche Fokus zur körperlichen Aktivität zunehmend auf die Kraft verlagern [12]. Ein bedeutsamer Grund könnte daraus abgeleitet werden, dass früher noch ausreichend Kraft-, aber unzureichende Ausdauerreize durch die Aktivitäten im Alltag von Kindern und Jugendlichen gegeben waren, wohingegen heute körperliche Freizeitaktivitäten mit unterschiedlichen Kraftanforderungen wie Klettern, Hangeln, Drücken rückläufig sind [6,23,43]. Entsprechend müssen notwendige Kraftvoraussetzungen zur Bewegungsausführung, auch für Ausdauerbelastungen wie z. B. Laufen, durch ein entsprechendes Krafttraining entwickelt bzw. ausgebildet werden. Ein angeleitetes altersgerechtes Krafttraining wäre demnach als Kompensation fehlender körperlicher Freizeitaktivitäten zu verstehen. Es würde die gesunde körperliche Entwicklung effektiv unterstützen und müsste insbesondere durch Schule und Sportverein gefördert werden. Die Prüfung dieser nicht einmal besonders «gewagten Hypothese» [36] könnte sowohl für die allgemeine Entwicklung als auch im Speziellen für die Bedeutung des Krafttrainings im Kindes- und Jugendalter ein vielversprechendes Forschungsfeld eröffnen [12].

Dank
Die Autoren möchten dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des WVL-Projekts «Krafttraining im Nachwuchsleistungssport» (KINGS-Studie) danken (ZMVI1-08190114-18).
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. habil. Urs Granacher
Universität Potsdam
Forschungsschwerpunkt
Kognitionswissenschaften
Humanwissenschaftliche Fakultät
Professur für Trainings-
und Bewegungswissenschaft
Am Neuen Palais 10, Haus 12
14469 Potsdam
urs.granacher@uni-potsdam.de
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