Review
published online on 12.07.2024https://doi.org/10.34045/SEMS/2024/33
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Vavken Patrick1,2
1 alphaclinic Zürich, Seidengasse 16, 8001 Zürich
2 ADUS Klinik, Breitegasse 11, 8157 Dielsdorf

Abstract

The article «Healthcare-as-a-Service – A Future Model for Sports Medicine?» explores the challenges and opportunities facing sports medicine within the context of modern healthcare. Faced with increasing cost pressures and budget cuts, sports medicine, which relies on interdisciplinary collaboration and complex infrastructure, is particularly affected. The article examines how digitization acts both as a cost driver and as a means of enhancing athlete care. Another central theme is sustainability, which has been largely neglected in medicine but is highly prominent in other service sectors. The article argues that by implementing Healthcare-as-a-Service, sports medicine can not only become more efficient and cost-effective but also take a leading role in sustainable development.

Zusammenfassung

Der Artikel «Healthcare-as-a-Service – Ein Zukunftsmodell für die Sportmedizin?» beleuchtet die Herausforderungen und Chancen der Sportmedizin im Kontext des modernen Gesundheitswesens. Angesichts zunehmenden Kostendrucks und Einsparungen wird die Sportmedizin, die auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und komplexe Infrastruktur angewiesen ist, besonders stark betroffen. Der Artikel untersucht, wie die Digitalisierung einerseits als Kostentreiber wirkt, andererseits aber auch eine verbesserte Betreuung von Athleten ermöglicht. Ein weiteres zentrales Thema ist die Nachhaltigkeit, die in der Medizin bisher kaum berücksichtigt wird, jedoch in anderen Dienstleistungssektoren stark im Fokus steht. Der Artikel argumentiert, dass die Sportmedizin durch die Implementierung von Healthcare-as-a-Service nicht nur effizienter und kostengünstiger werden kann, sondern auch eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Entwicklung einnehmen könnte.

Schlüsselwörter: Sportmedizin, Zukunft, Nachhaltigkeit, Digi­talisierung, as-a-service

Einleitung

Im Gesundheitswesen werden wir zunehmend mit Kostendruck und Einsparungen konfrontiert. Besonders betroffen ist die Sportmedizin, ein interdisziplinäres Fach, das Experten aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenführen und auf komplexe Infrastrukturen zurückgreifen muss. Der Digitalisierungsdruck ist auf der einen Seite ein zusätzlicher Kostenfaktor, bietet auf der anderen Seite aber auch Möglich­keiten für eine bessere und engmaschigere Betreuung von Athleten. Ein weiteres Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Nachhaltigkeit, die in der Medizin bislang weitgehend vernachlässigt wurde. In anderen Dienstleistungssektoren ist Nachhaltigkeit bereits ein zentrales Anliegen. Hier liegt die Chance für die Sportmedizin, eine Vorreiterrolle einzunehmen, anstatt in den Bereichen Finanzierung und Digitalisierung hinterherzuhinken.

Was ist Healthcare-as-a-Service?

Der As-a-Service-Gedanke stammt ursprünglich aus der ­Industrie. Bereits in den sechziger Jahren wurden Flugzeugmotoren nicht mehr verkauft, sondern per Betriebsstunde vermietet. Dieses Prinzip hat sich über die Jahre weiterentwickelt und ist heute besonders in der Softwarebranche, aber auch im Mobilitätssektor, ein Erfolgsrezept. Die Grundidee besteht darin, riskante und teure Bestandteile des Alltags in die Hände erfahrener Experten zu legen.
In der Medizin finden wir dieses Konzept beispielsweise bei Gruppen von Anästhesisten oder Radiologen, die samt ihrer Infrastruktur in Krankenhäusern oder grösseren Gemeinschaftspraxen tätig sind. Der Vorteil liegt darin, dass Experten und teure Ausrüstung auch Einrichtungen zur Verfügung stehen, die sich dies ansonsten nicht leisten könnten.
Dieses Modell zeigt grosses Potenzial für die Sportmedizin. Beispielsweise könnten Gruppen von Sportmedizinern, einschliesslich Leistungsdiagnostikern, Physiotherapeuten, Ernährungsberatern, Medizinern und Chirurgen, ihre spezialisierten Dienstleistungen anbieten. Dadurch wird nicht nur die Auslastung der Expertengruppe optimiert und das Ausfall- sowie Kostenrisiko für das Krankenhaus gesenkt. Auch stark spezialisierte Fachkräfte können eine ausreichende Anzahl von Patienten finden, und Patienten haben einen einfacheren Zugang zu spezialisierten Experten.

Was ist der Vorteil für die Mediziner?

Die Mediziner profitieren nicht nur von einer höheren Auslastung, sondern auch von der Möglichkeit, dass teure und teilweise regulatorisch vorgeschriebene Infrastruktur wie elektronische Patientendaten oder digitale Anwendungen sich amortisieren. Einzelne Sportmediziner in einer Praxis oder einem Krankenhaus erreichen möglicherweise nicht die notwendige Anzahl von Patienten, um beispielsweise eine eigene App rentabel zu betreiben. Eine Gruppe von Sportmedizinern, die an mehreren Standorten tätig ist, kann dies jedoch durchaus umsetzen.
Für Krankenhäuser ist es ebenfalls attraktiv, eine Gruppe von Sportmedizinern bedarfsorientiert und mit dem Risiko auf Seiten des Anbieters aufzunehmen, anstatt selbst in Vorleistung zu gehen und Spezialisten anzustellen. Durch diese niedrigere Schwelle können sportmedizinische Leistungen weiter verbreitet angeboten werden, was oft dazu führt, dass der tatsächliche Bedarf erst dann erkannt wird.

Was ist der Vorteil für die Patienten?

Viele Patienten haben sehr begrenzten Zugang zu Sportmedizin, es sei denn, sie sind tatsächlich Spitzensportler. Die spezialisierten sportmedizinischen Einrichtungen sind meist gut ausgelastet und an zentralen Knotenpunkten lokalisiert. Für viele Freizeitsportler, die in ländlichen Regionen oder der Peripherie leben, ist es oft schwierig, das geografisch begrenzte Angebot voll auszunutzen. Häufig entstehen auch Hemmschwellen, sich beispielsweise für eine Leistungsdiagnostik einen Tag frei zu nehmen, um ins Zentrum zu fahren.
Im Sinne der Erhaltung der Gesundheit und Fitness der Gesamtbevölkerung ist es vorteilhaft, wenn diese Angebote dezentral mit niedrigen Hemmschwellen und zu günstigen Preisen angeboten werden können. Ebenso profitieren Patienten davon, wenn mehrere Leistungsangebote an derselben Stelle oder im gleichen Verbund abrufbar sind und sie nicht zu verschiedenen Spezialisten überwiesen werden müssen. Dies steigert nicht nur die Effizienz, sondern senkt auch die ­Kosten.
Die Vorteile digitaler Optionen, die durch die bessere Struktur im Angebot als Healthcare-as-a-Service entstehen, sind ebenfalls erheblich. Patienten können beispielsweise durch telemedizinische Konsultationen und digitale Gesundheitsanwendungen einfacher und schneller auf medizinische Dienstleistungen zugreifen, was ihre Gesundheitsversorgung insgesamt verbessert.

Vorteile für die Digitalisierung

Die Digitalisierung bietet erhebliche Vorteile für die Sportmedizin und kann im Rahmen des Healthcare-as-a-Service- Modells auch erheblich leichter finanziert und umgesetzt werden. Apps und Wearables bieten zahlreiche Vorteile. Durch diese Technologien können die Mediziner kontinuierlich präzise Daten über die physische Aktivität, die Herzfrequenz, Schlafmuster und andere Gesundheitsparameter ihrer Patienten sammeln. Diese Echtzeit-Daten ermöglichen eine genauere Überwachung und Anpassung von Trainings- und Behandlungsplänen, wodurch die Effizienz und Wirksamkeit der medizinischen Betreuung verbessert wird. Zudem erleichtern sie die Fernüberwachung von Patienten, was besonders für die Nachsorge und die Prävention wichtig ist. Die Integration von entsprechenden, bereits existierenden Apps ermöglicht es Sportmedizinern auch, Patienten regelmässig Gesundheits­informationen und Anweisungen zu senden, was die Patientenbindung und Compliance verbessert. Insgesamt führen diese digitalen Tools zu einer personalisierteren und datenbasierten Versorgung, die sowohl die Ergebnisse für die Patien­ten als auch die Arbeitszufriedenheit der Mediziner steigert.
Telemedizin ermöglicht es Patienten, bequem von zu Hause aus Konsultationen in Anspruch zu nehmen, wodurch Wartezeiten und Anfahrtswege entfallen. Digitale Gesundheitsanwendungen und Wearables ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung und Betreuung der Patienten, was besonders für die präventive Medizin und die Rehabilitation von Bedeutung ist. Ausserdem erleichtert die Digitalisierung die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Fachrichtungen, was zu einer umfassenderen und kohärenteren Patientenversorgung führt. Diese Vorteile tragen nicht nur zur Steigerung der Versorgungsqualität bei, sondern senken auch die Kosten und fördern die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen.

Nachhaltigkeit durch ein As-a-Service-Angebot

Nachhaltigkeit umfasst ökologische, ökonomische und so­ziale Aspekte, die darauf abzielen, Ressourcen effizient zu nutzen und eine gerechte Verteilung der Vorteile zu gewährleisten. Anders formuliert ist es das Bedienen heutiger Bedürfnisse, ohne die Fähigkeit zu verlieren, zukünftige Bedürfnisse bedienen zu können.
Dies ist ein Aspekt, den man in der tagespolitischen Diskussion ums Gesundheitswesen wenig wahrnimmt und damit wahrscheinlich der interessanteste, wenngleich am wenigsten beleuchtete Aspekt der As-a-Service-Angebote. Von Mobilitätsunternehmen, die das gleiche Prinzip anwenden, weiss man, dass es einen substanziellen positiven Effekt auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit gibt. So erzeugen As-a-Service-Angebote eine sogenannte zirkuläre Wirtschaft, d.h. die Versorgung der Patienten erfolgt in einem Kreislauf innerhalb des Anbieters. Dies hat positive Effekte auf den Umgang mit Verbrauchsmaterialien, den geringeren Verschleiss von Material und Zeit sowie eine höhere Dichte von Expertise im Vergleich zu klassischen Angeboten.
Der vielleicht wichtigste Aspekt der zirkulären Wirtschaft für das Gesundheitswesen ist, dass das Leistungsangebot sich um den Patienten dreht, anstatt dass der Patient eine lange Reihe von Angeboten durchwandern muss, um an sein Ziel zu gelangen. Studien im Ausland haben gezeigt, dass dies zu einer relevanten Verbesserung in der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie Menschen verschiedener ethnischer Herkunft geführt hat. Ebenso konnten Kosteneinsparungen von 15–20% erzielt werden, was wie­derum die Nachhaltigkeit verbessert.
Ein weiterer Vorteil ist die Reduktion von unnötigen Untersuchungen und Behandlungen, da die integrierte und koordinierte Versorgung effizienter arbeitet. Durch den geringeren Verbrauch von Materialien und Ressourcen sowie die optimierte Nutzung von Infrastrukturen wird die Umweltbelastung reduziert. Darüber hinaus kann die erhöhte Nutzung digitaler Tools den Papierverbrauch verringern und den CO2-Fussabdruck der Gesundheitseinrichtungen senken.
Zusätzlich trägt das As-a-Service-Modell zur sozialen Nachhaltigkeit bei, indem es Spezialisten mit aktuellem Wissensstand fördert und das Erreichen von Mindestfallzahlen erleichtert. Ebenso wird der Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten auch in ländlichen oder unterversorgten Gebieten verbessert. Dies fördert eine gerechtere Verteilung von Gesundheitsressourcen und ermöglicht eine umfassendere Versorgung der Bevölkerung. Mediziner haben somit die Möglichkeit, eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Entwicklung des Gesundheitswesens zu übernehmen und aktiv an der Gestaltung zukunftsorientierter und fairer Gesundheitssysteme mitzuwirken.
Zusammengefasst bietet die Implementierung eines As-a-Service-Modells als Zukunftsmodell in der Sportmedizin mehrere Vorteile. Angesichts zunehmenden Kostendrucks und Digitalisierung bietet dieses Modell eine effizientere und nachhaltigere Gesundheitsversorgung. Sportmediziner profitieren von höherer Auslastung und amortisierter Infrastruktur, während Patienten durch dezentralisierte und digitale Angebote besseren Zugang zu spezialisierten Leistungen erhalten. Nachhaltigkeit wird durch eine zirkuläre Wirtschaft gefördert, die Ressourcen effizient nutzt und die Gleichbehandlung verbessert. Trotz Herausforderungen wie Datenschutz und Investitionsbedarf bietet das Modell erhebliche Chancen für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Sportmedizin.

Korrespondenz

Patrick Vavken, PD Dr. med.
alphaclinic Zürich
Seidengasse 16
8001 Zürich
Tel. 044 296 96 96
E-Mail: Vavken@alphaclinic.ch 

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