SEMS-journal

Importance of movement and sports in schools of central Switzerland

Stellenwert von Bewegung und Sport bei Schulkindern in der Zentralschweiz

Eine Querschnittserhebung in den Kantonen Schwyz und Uri

Jürgen Kühnis1, Sabine Schillig1, Carole Jordan1
1 Pädagogische Hochschule Schwyz

Abstract

This paper highlights the findings of a comparative cross-sectional study in the cantons of Uri (UR) and Schwyz (SZ). In this study, participating in sports and daily physical activity among 5th grades were observed trough selected indicators. The study was conducted in autumn 2012 and 2013 and included a randomly selected sample of 161 pupils in Uri (10.6±0.7 year olds) and 261 pupils in the canton of Schwyz (10.7±0.7 year olds). In both regions, a high rate of participation in free time sports activities could be detected: 68.8% (UR) and 70.1% (SZ) of all the children involved are members of a sports club, with more than half of them, being active, both in and outside of sports club. The proportion of completely inactive children lies below 5%. Furthermore, exercise and sports are regarded as the most important free time activities (regardless of gender and nationality). The majority of children (UR: 73.4%; SZ: 91%) commuted actively to school, with a significantly higher proportion amongst pupils in the canton of Schwyz (p < 0.001) due to the shorter distances. In total, slightly more than the half of the children reached the official recommendations of at least 60 min. of moderate to vigorous physical activity per day. There was no association between the pedometer-based daily activity and the use of media.

Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden die Kernbefunde einer überregionalen Vergleichsstudie in den Kantonen Uri (N = 161) und Schwyz (N = 261) präsentiert. Im Rahmen dieser Querschnittserhebung wurde die heutige Bewegungspraxis und Sportbeteiligung von Kindern der 5. Primarstufe (UR: 10.6 ± 0.7; SZ: 10.7±0.7 Jahre) anhand mehrerer Teilindikatoren untersucht. Die Studie wurde im Herbst 2012 (SZ) und 2013 (UR) durchgeführt. In beiden Untersuchungsgebieten zeigt sich eine hohe Partizipationsquote im Freizeitsport:
68.8% (UR) und 70.1% (SZ) aller untersuchten Kinder sind Mitglied in einem Sportverein, dabei sind jeweils über die Hälfte zugleich in und ausserhalb von Vereinen aktiv. Der Anteil völlig inaktiver Kinder liegt jeweils unter 5%. Zudem werden Bewegung und Sport (unabhängig von Geschlecht und Nationalität) als wichtigste Freizeitbeschäftigung eingestuft. In beiden Kantonen bewältigt die Mehrheit (UR:
73.4%; SZ: 91%) den täglichen Ausbildungsweg körperlich-aktiv, wobei Schwyzer Kinder (aufgrund kürzerer Streckenprofile) häufiger aktiv unterwegs sind (p < 0.001). Die offizielle Bewegungsempfehlung (≥ 60 Min./Tag mit mittlerer bis hoher Intensität) wird in beiden Untersuchungsgebieten von etwas mehr als der Hälfte der Kinder erfüllt. Zwischen der pedometer-basierten Tagesaktivität und Mediennutzung konnte kein Zusammenhang festgestellt werden.

Einleitung

Körperliche Inaktivität gilt als einer der wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren unserer Zeit (WHO, 2009). Aus Public Health-Perspektive ist die Förderung eines aktiven Lebensstils in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen deshalb ein gesundheitspolitisches Kernanliegen der weltweiten und nationalen Agenda (WHO, 2010; BASPO et al., 2013). Da sich gesundheitsbezogene Verhaltensmuster bereits im Sozialisationskontext des Schulkindalters ausbilden und meist in spätere Lebensabschnitte übertragen werden, gilt die Kindheit als richtungsweisende Entwicklungsphase (Völker, 2008; Singh et al., 2008; Tremblay et al., 2011a).
Gemäss aktuellen Empfehlungen sollten sich Kinder und Jugendliche mindestens 60 Min. pro Tag mit mittlerer bis hoher Intensität körperlich-sportlich betätigen (WHO, 2010; BASPO et al., 2013). Eine weitere Richtlinie geht von ausreichenden Schrittzahlen pro Tag aus (Tudor-Locke et al., 2011); dabei scheint das geforderte Mindestmass von 60 Min./Tag in der Altersgruppe der 6–11-Jährigen einer täglichen Schrittzahl von etwa 11 000–12 000 (Mädchen) bzw. 13 000–
15 000 (Knaben) zu entsprechen. Um diese Empfehlungen zu erreichen und eine gesundheitliche Wirkung zu erzielen, sollten sich Heranwachsende vielfältig und in verschiedenen Kontexten (z.B. in Familie, im schulischen Setting, in und ausserhalb von Vereinen) bewegen (WHO, 2010; BASPO et al., 2013). Wie aus nationalen HBSC-Studien hervorgeht, erreichen heute in der Schweiz lediglich 12.3% der 11–15-Jährigen (Kuntsche & Delgrande Jordan, 2012) bzw. 8.9% der 11–13-Jährigen in Deutschland (Krug et al., 2012) diese Mindestempfehlung.
Wie andere Lebensbereiche wird auch das Sportinteresse und Bewegungsengagement von Heranwachsenden massgeblich durch die Sozialisation im Elternhaus geprägt (Trost & Loprizi, 2011; Trapp et al., 2011; Burrmann, 2005). Neben der bewegungsbezogenen Anregung und Unterstützung durch die Herkunftsfamilie übernimmt auch die Schule eine wichtige Weichenstellerfunktion für die Bewegungsförderung, da hier alle schulpflichtigen Heranwachsenden (losgelöst von sozialer und kultureller Herkunft) erreicht werden können (WHO, 2008).
Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Studie die heutige Bewegungspraxis von Schulkindern in den Kantonen Uri und Schwyz in verschiedenen Kontexten und im überregionalen Vergleich untersucht. Dabei wurde anhand ausgewählter Indikatoren (Sportpartizipation, pedometer-basierte Tagesaktivität, Schulwegmobilität und Mediennutzung) überprüft, wie bewegungsaktiv Kinder ihren Alltag gestalten und wie viel Prozent die offiziellen Aktivitätsrichtlinien erfüllen.

Methode

Stichprobe
Nach der behördlichen Genehmigung wurde aus der jeweiligen Grundgesamtheit (kant. Schulstatistik) aller 5. Klassen eine zufällige Klumpenstichprobe von 11 (UR: N = 175) bzw. 15 Klassen (SZ: N = 292) gezogen. Bei der Stichprobenziehung wurden die verschiedenen Schulgemeinden/-bezirke berücksichtigt. Die Anfrage und Information der Klassenlehrpersonen erfolgte in Kooperation mit den Schulleitungen. Die freiwillige Teilnahme setzte eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern voraus; Kinder ohne Vorliegen dieser Zustimmung oder die zum Erhebungszeitpunkt krank/verletzt waren, wurden ausgeschlossen. Das definitive Datenkollektiv umfasste 261 (SZ) und 161 (UR) Kinder, was einer Beteiligungsquote von 90% bzw. 92% entspricht. Hinsichtlich Geschlechts- und Altersverteilung konnten keine signifikanten Abweichungen zu den Vergleichsmerkmalen der jeweiligen Grundgesamtheit festgestellt werden.

Datenerhebung und -analyse
Die Datenerhebung wurde im Herbst 2012 (SZ) und 2013 (UR) anonymisiert im Zeitraum von jeweils 8 Wochen durchgeführt. Die Untersuchung erfolgte im Klassenverband nach einheitlichem Ablaufplan. Jede Klasse wurde von einem Projektmitarbeiter betreut und jeweils zu Wochenstart in Gegenwart der Klassenlehrperson in die Studie eingeführt. Im Rahmen einer Lektion wurde der standardisierte Kurzfragebogen (Erfassung soziodemografischer Aspekte, Freizeitgestaltung, Sportlichkeit der Kinder und ihrer Bezugspersonen) ausgefüllt sowie die Handhabung des Schulwegprotokolls, der Stoppuhr (Typ Stoptec) und des Pedometers (Yamax SW-200, Yamax Corp. Japan) erläutert. Das Protokoll diente der Operationalisierung der wöchentlichen Schulwegmobilität (Fortbewegungsart und Ermittlung der Wegzeit mittels Stoppuhr); der Schrittzähler zur apparativen Messung der Alltagsaktivität während vier Schultagen. Dieser Zeitraum wird als ausreichend repräsentativ für eine Woche angesehen (Tudor ­Locke et al., 2002). Der Schrittzähler wurde nach dem Aufstehen an der rechten Hüfte befestigt und bis vor dem Schlafengehen durchschnittlich 12.55 Std. (UR) bzw. 12.54 Std./Tag (SZ) getragen.
Um die Aktualisierung des Protokolls und das Tragen des Schrittzählers sicherzustellen, wurden die Klassen jeden Morgen (im Rahmen der 1. Lektion) von einem Projektmitarbeiter besucht, die Geräte kontrolliert und wieder auf Null gesetzt. Zugleich wurden mehrere Reminder (Armband, Poster im Schulzimmer, Infoblatt für zu Hause und täglicher Hinweis durch die Lehrperson) eingesetzt. Zur Erfassung der Distanz und des räumlichen Streckenverlaufs haben die Teilnehmenden am letzten Testtag ihre Schulwege auf einer Karte des Schuleinzugsgebietes eingezeichnet. Sämtliche Erhebungsmaterialien wurden am letzten Testtag eingesammelt. Die Klassifizierung der pedometer-basierten Tagesaktivität erfolgte anhand der Grenzwerte von Vincent & Pangrazi (2002) und Tudor-Locke et al. (2004); beide Kriterien wurden bereits in mehreren Studien angewandt (Tudor-Locke et al., 2011). Die Wegstrecken wurden mit Hilfe der kantonalen, geografischen Informationsportale digitalisiert. Für die statistische Analyse (Signifikanzniveau p < 0.05) mit SPSS (Version 21) wurden nur vollständige Datensätze berücksichtigt.

Ergebnisse

Die zentralen Befunde, differenziert nach Untersuchungsgebiet sind in den Tabellen 1a–c, 2–3 zusammengefasst.

Bedeutung des Schulsports
Sport/Schwimmen gilt in beiden Untersuchungsgebieten als Lieblingsfach, wobei sich die ermittelten Prozentwerte mit 67.1% (UR) bzw. 43.5% (SZ) signifikant unterscheiden (p < 0.001). Auf den weiteren Rängen folgen mit 19.9% (UR) bzw. 21.5% (SZ) technisches/bildnerisches Gestalten und Mathematik (UR: 6.8%; SZ: 13.1%). Erwartungsgemäss wird der Sportunterricht in beiden Teilstichproben von Knaben (UR: 73.6%; SZ: 53.3%) wichtiger eingestuft als von Mädchen (UR: 58.6%; SZ: 34.8%). Zudem erfährt der Schulsport im Kanton Uri von beiden Geschlechtern eine deutlich höhere Bedeutungszuweisung als im Kanton Schwyz (p < 0.01).

Freizeitsport: im und ausserhalb Verein
Die Mehrheit der untersuchten Kinder (SZ: 70.1%; UR 68.8%) sind Sportvereinsmitglieder (Tab. 1a), wobei 24.5% bzw. 28.4% aller Mitglieder zugleich in zwei oder mehr Vereinen aktiv sind. Insgesamt scheinen Vereine für beide Geschlechter gleichermassen attraktiv, wenngleich die Partizipationsrate bei Knaben im Kanton Schwyz signifikant höher ausfällt (p < 0.05). Aufgeschlüsselt nach Nationalität zeigen sich keine auffälligen Unterschiede; hingegen hat die Sportvereinsbindung der Eltern einen signifikanten Einfluss (p < 0.01): Kinder aus vereinsgeprägten Elternhäusern sind häufiger in Sportvereinen aktiv, als von Eltern ohne Mitgliedschaft. Neben den organisierten Bewegungszeiten im Verein ist ein Grossteil der Kinder (UR: 60.6%; SZ: 57.5%) zugleich im informellen Rahmen aktiv (Tab. 1b). Daneben gibt es auch Kinder, die sich auf eine Sportaktivität im bzw. ausserhalb eines Vereins beschränken. Der Anteil der Kinder, die keinen Freizeitsport ausüben, liegt in beiden Teilstichproben unter 5%. Zwischen den Geschlechtern und Teilstichproben bestehen diesbezüglich keine bedeutsamen Unterschiede (p > 0.05).
Deutliche Geschlechtsunterschiede (p < 0.01) lassen sich erwartungsgemäss beim favorisierten Sportartenspektrum feststellen (Tab. 1c). Während beim Vereinssport von Knaben Fussball eine dominante Stellung einnimmt, zeigen Mädchen eine vielseitigere Orientierung und Bevorzugung ästhetischer Sportarten (Turnen, Tanzen). Im überregionalen Vergleich besitzt Unihockey im Kanton Uri bei beiden Geschlechtern sowie Turnen bei Knaben im Kanton Schwyz eine grössere Bedeutung. Ausserhalb des Vereinssports ist bei Knaben Fussball (UR: 34.6%; SZ: 33.7%), bei Mädchen Radfahren (UR: 23.7%; SZ; 25.2%) die am häufigsten genannte Aktivität.

Tabelle 1a
Tabelle 1a: Sportvereinsmitgliedschaft (%)

 

Tabelle 1b: Sportengagement in der Freizeit (%).

 

Tabelle 1c: Sportartenpräferenzen (Top 3,%) im Verein.

Bewegung und Sport im Kontext weiterer Freizeitaktivitäten
Wie aus der differenzierten Analyse der Freizeitpräferenzen hervorgeht, zählen Bewegung und Sport auch zu den wichtigsten Freizeitinhalten (Tab. 2). In einer Liste von 10 vorgegebenen Freizeitaktivitäten werden Bewegung und Sport von über zwei Dritteln der Kinder (UR: 73.1%; SZ: 68.3%) als sehr wichtige Freizeitaktivität eingestuft und rangieren damit (unabhängig von Geschlecht und Nationalität) an erster Stelle; gefolgt von Zusammensein mit Freund/Innen und Lesen.

Schulwegmobilität
Mit einer durchschnittlichen Wegstrecke von 1493 m haben Kinder im Kanton Uri deutlich längere Wege (p < 0.01) zu bewältigen als im Kanton Schwyz (MW 973 m) (Tab. 3). In Uri besitzt jedes 4. Kind einen Schulweg > 2 km, im Kanton Schwyz nur 6.4%. Im Schnitt wird pro Schultag eine Gesamtdistanz von 3.9 km (UR) bzw. 3.4 km (SZ) zurückgelegt, dabei sind die Schüler/Innen pro Strecke durchschnittlich 14.5 (UR) bzw. 11 Min. (SZ) unterwegs. In beiden Kantonen bewältigt die Mehrheit den täglichen Ausbildungsweg körperlich-aktiv, wobei Schwyzer Kinder häufiger im Sinne einer «human powered mobility» (HPM) unterwegs sind (p < 0.001). Das wichtigste Fortbewegungsmittel sind die eigenen Füsse mit einem Anteil von 62% (UR) bzw. 67.1% (SZ). Aufgrund der insgesamt längeren Streckenprofile ist der Motorisierungsgrad in Uri mit 26.6% deutlich höher als im Kanton Schwyz (9%). Die Schulwegmobilität scheint dabei in hohem Masse von der Lage der Schule bzw. der Grösse des Schuleinzugsgebietes determiniert zu werden: Während sich beispielsweise die Weglänge von Kindern aus den Talgemeinden des Bezirks Schwyz (MW 842 m) und dem Urner Unterland (MW 1145 m) statistisch nicht unterscheidet, besitzen im Urner Oberland, Schächental und Isenthal wohnhafte Kinder deutlich längere Wege (MW 2848 m; p < 0.001). Dies manifestiert sich auch im Aktivitätsgrad: mit 95.8% bewältigen Kinder aus der Talebene des Bezirks Schwyz ihren Schulweg häufiger aktiv als Kinder aus der Urner Reussebene (82.5%, p < 0.01) und dem Urner Oberland, Schächental und Isenthal (37.5%, p < 0.001).

Tabelle 2: Top 3 der wichtigsten Freizeitbeschäftigungena (MW).

 

Tabelle 3: Zusammenfassende Analyse der Bewegungsaktivität im Alltag

Pedometer-basierte Tagesaktivität
Wie aus der Tabelle 3 hervorgeht, erreichen Knaben im Durchschnitt höhere Tageswerte, wobei der Geschlechtsunterschied nur im Kanton Schwyz signifikant ausfällt (p < 0.01). Die Referenzwerte von Vincent & Pangrazi (2002) von 11 000 (Mädchen) und 13 000 Schritten/Tag (Knaben) werden in Uri von 58.4% und im Kanton Schwyz von 55.4% an allen Untersuchungstagen erfüllt; 4.6% und 5.0% erreichen diese Grenzwerte an keinem Schultag. Nur 31.2% (UR) und 25.6% (SZ) aller Kinder erreichen die strengeren BMI-referenzierten Grenzwerte (Tudor-Locke et al., 2004), wobei diese Empfehlung von Mädchen beider Teilgebiete häufiger erfüllt wird. Erwartungsgemäss erreichen Sportvereinsmitglieder im Vergleich zu Nichtmitgliedern mit durchschnittlich etwa 2900 (UR) bzw. 2000 (SZ) mehr Schritten/Tag jeweils eine deutlich höhere Gesamtzahl (p < 0.001) und bessere Erfüllungsquote.

Tägliche Mediennutzung
Die Schüler/Innen verbringen an Schultagen (Tab. 3) durchschnittlich 1.35 Std. (UR) bzw. 1.52 Std. (SZ) vor dem Bildschirm (TV, Computer und Spielkonsole), wobei sich in Uri 43.5% und im Kanton Schwyz 36.7% täglich bis zu 1 Std. mit elektronischen Medien beschäftigen. Bei 10.6% (UR) und 14.3% (SZ) umfasst die Mediennutzung mehr als 3 Std./Schultag. Erwartungsgemäss zeigen sich in beiden Untersuchungsgebieten eine Zunahme des Medienkonsums am Wochenende (v. a. Fernsehen) sowie signifikante Geschlechtsunterschiede. Knaben investieren an Schultagen (SZ) wie auch am Wochenende (SZ, UR) mehr Zeit in die Bildschirmnutzung als Mädchen. Im überregionalen Vergleich zeigen sich keine statistisch relevanten Unterschiede in der Gesamtdauer (MW) der Mediennutzung (Tab. 3). Zwischen der Mediennutzung von Sportvereinsmitgliedern und Nichtmitgliedern sowie der pedometer-basierten Tagesaktivität und Mediennutzung/Schultag lassen sich keine signifikanten Unterschiede bzw. Zusammenhänge (Spearman-Rho, UR: r = –.090; SZ: r = –.018) ausweisen.

Diskussion

Wie die Kernbefunde dieser Querschnittserhebung in den Kantonen Schwyz und Uri verdeutlichen, besitzen Sport- und Bewegungsaktivitäten in der heutigen Lebenswelt von Schulkindern einen hohen Stellenwert. Übereinstimmend mit anderen Kinder- und Jugendsportstudien (Lamprecht et al., 2008; Schmidt et al., 2008) wird Bewegung und Sport nicht nur im schulischen Kontext, sondern auch innerhalb der Freizeitgestaltung eine zentrale Rolle zugeschrieben:
Die Mehrheit der Heranwachsenden (Tab. 1a und 1b) sind in ihrer Freizeit sportlich aktiv: 7 von 10 Kindern sind Vereinsmitglieder, wobei sich jeweils über die Hälfte in diesem organisierten Setting und zugleich informellen Rahmen sportlich betätigen. Der Anteil inaktiver Kinder liegt in beiden Teilstichproben unter 5% und damit deutlich unter dem nationalen Referenzwert von 13% bei den 10–11-Jährigen (Lamprecht et al., 2008). Im Vergleich zu dieser nationalen Studie (61% bzw. 63% bei den 10- und 11-Jährigen) ist die Bindung an Sportvereine in beiden Kantonen stärker ausgeprägt; andererseits zeigen Befunde einer weiteren nationalen Erhebung (Zimmermann-Sloutkis et al., 2009) mit 82% bzw. 79% (10–11-Jährige) höhere Mitgliedschaftsquoten (wobei hier die Mitgliedschaft auf einer breiter gefassten Definition von Sportvereinen basiert als in unserer Studie). Wenngleich die vorliegenden Querschnittsdaten keine kausalen Rückschlüsse zulassen, scheint es den Schwyzer und Urner Sportvereinen offensichtlich zu gelingen, die Kinder (unabhängig von deren Nationalität) an sich zu binden. Im Gegensatz zu nationalen Befunden (Lamprecht et al., 2008) konnte kein signifikanter Unterschied zwischen der Vereinszugehörigkeit von schweizerischen und ausländischen Kindern festgestellt werden; die Mitgliedschaftsquoten ausländischer Kinder liegen mit 63.3% (SZ) und 66.7% (UR) sogar über den bereits erwähnten nationalen Referenzwerten. Dieser interessante Befund könnte (wenngleich unsere Studie nur eine Momentaufnahme darstellt) möglicherweise auf eine zunehmende Nivellierungstendenz in der Sportvereinsbindung zwischen den Geschlechtern und Nationalitätengruppen hindeuten. Auch in der Studie von Zimmermann-Sloutkis et al. 2009 konnte über alle untersuchten Altersgruppen (5–7, 8–10 und 11–13-Jährige) kein Unterschied in der Mitgliedschaftsquote zwischen Mädchen und Jungen festgestellt werden.
Ein Blick über die Landesgrenze zeigt, dass Sportvereine auch für Heranwachsende in Deutschland die wichtigste Institution für ausserschulische Freizeitangebote darstellen (Schmidt, 2008), wobei die Partizipationsrate bei 10- und 11- Jährigen mit etwa 60% bzw. 57% etwas tiefer ausfällt als in der Schweiz (Woll et al., 2008). Interessant ist die Gegenüberstellung der Mehrfachmitgliedschaften: Während in der Altersgruppe der 10–14-Jährigen in der Schweiz 18% aller Vereinsmitglieder in zwei oder mehr Vereinen aktiv sind (Lamprecht et al., 2008), liegt diese Quote in den Kantonen Schwyz und Uri bei 24.5 bzw. 28.5%. In Deutschland ist knapp ein Drittel aller Vereinsmitglieder im Kindesalter gleichzeitig in mehreren Sportarten aktiv (Schmidt, 2008). In Übereinstimmung mit nationalen Befunden (Lamprecht et al., 2008) wird die Rangliste der bevorzugten Vereinssportarten durch traditionelle Sportarten angeführt (Tab. 1c): bei Knaben rangieren Fussball, bei Mädchen Turnen an erster Stelle (p < 0.01). Ausserhalb von Sportvereinen sind Fahrradfahren und Fussball die am häufigsten genannten Aktivitäten. Ähnliche alters- und geschlechtstypische Befunde zeigen Studien in Deutschland (Schmidt, 2008; Woll et al., 2008).
Die hohe Relevanzzuschreibung äusserst sich auch in der differenzierten Analyse der Freizeitpräferenzen: Bewegung und Sport werden (unabhängig von Geschlecht und Nationalität) als wichtigste Freizeitbeschäftigung eingestuft. Erwartungsgemäss hoch wird auch der Schulsport gewichtet: bei 4 (UR) bzw. 6 (SZ) von 10 Kindern ist Sport das Lieblingsfach. Die Mehrheit der Kinder besitzt (unabhängig vom Geschlecht) ein familiäres Umfeld, welches selbst sportlich aktiv ist: in beiden Untersuchungsregionen wachsen über 70% der Kinder in sportaktiven Familien (mit mindestens einem regelmässig aktiven Elternteil) auf; nur jedes 4. (UR) bzw. 8. Kind (SZ) lebt in einem völlig sportabstinenten Elternhaus. In Übereinstimmung mit anderen Studien (Burrmann, 2005; Rommel et al., 2008, Zimmermann-Sloutkis et al., 2009) sind Kinder aus vereinsgeprägten Elternhäusern häufiger Mitglieder in Sportvereinen als von Eltern ohne Vereinsbindung (p < 0.01). Diese Befunde unterstreichen die Bedeutung des Elternhauses für das Bewegungsverhalten der Kinder.
Gemäss nationalen Referenzdaten aus dem Jahre 2005 (Sauter, 2008) umfasst die durchschnittliche Wegzeit von 10–12-Jährigen in der Schweiz etwa 12 Min., wobei 63.8% ihre Strecke zu Fuss bewältigten. Im Vergleich zu diesen Befunden fällt der Anteil des Fussverkehrs in Uri etwas tiefer; im Kanton Schwyz etwas höher aus. Urner Kinder weisen (aufgrund längerer Streckenprofile) einen deutlich geringeren Aktivitätsgrad aus als ihre Alterskolleg/Innen im Kanton Schwyz (p < 0.001). In Übereinstimmung mit anderen Studien (Trapp et al., 2011) scheint die räumliche Entfernung zum Schulstandort ein Schlüsselfaktor für eine aktive Wegbewältigung darzustellen: von allen Kindern, die innerhalb eines Kilometers zur Schule entfernt wohnen, absolvieren in Uri 95.2% und im Kanton Schwyz 98% den Schulweg mit eigener Muskelkraft; bei einer Distanz > 2 km reduziert sich dieser Anteil auf 7.8% bzw. 13.3%.
Wie aus der pedometer-basierten Analyse hervorgeht, erfüllen trotz der hohen Beteiligung im Freizeitsport etwa 4 von 10 Kindern die offizielle Mindestempfehlung (≥ 60 Min., WHO 2010; BASPO et al., 2013) nicht. Für dieses ambivalente Ergebnis dürften die individuell sehr unterschiedlichen Aktivitätsgrade des Sporttreibens (Dauer, Intensität und Häufigkeit) verantwortlich sein, welche in dieser Studie jedoch nicht erfasst wurden. Der festgestellte Anteil genügend aktiver Kinder liegt jedoch deutlich über den schweizerischen und deutschen HBSC-Befunden (Kuntsche & Delgrande Jordan, 2012; Krug et al., 2012); wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Studien auf einer Befragung und zudem grösseren Altersspanne basieren, was die Vergleichbarkeit mit unseren Daten entsprechend einschränkt.
Ein weiterer relevanter Bewegungsindikator stellt die Mediennutzung in der Freizeit dar. Gemäss internationalen Empfehlungen sollten sich Heranwachsende aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr als 2 Std./Tag mit elektronischen Medien beschäftigen (Tremblay et al., 2011a/b). Wie unsere Befunde zeigen, wird diese kritische Nutzungsgrenze an einem Schultag von 28% (UR) bzw. 39% (SZ) der Kinder überschritten. Übereinstimmend mit Studien (Bünemann, 2008), die einer Verdrängungshypothese skeptisch gegenüberstehen, kann auch in unserer Studie keine Assoziation zwischen der medialen Nutzungszeit und der Sportvereinsbindung sowie der pedometer-basierten Tagesaktivität festgestellt werden.
Die kombinierte Erhebungsmethodik erwies sich hinsichtlich Zeitökonomie und Akzeptanz durch die Adressaten als altersadäquates Verfahren und liefert alltagsnahe Daten für den Zeitraum einer Schulwoche. Diesen Vorzügen der Praktikabilität stehen jedoch messmethodische Einschränkungen gegenüber: Wenngleich Schrittzähler eine valide, reliable und kostengünstige Erfassung der Alltagsaktivität von Schulkindern ermöglichen (Mc Namara et al., 2010), stossen sie bei Bewegungsaktivitäten wie Fahrradfahren an ihre Grenzen und erlauben im Gegensatz zur Akzelerometrie keine Aussagen zur Bewegungsdauer und -intensität (Müller et al., 2010). Zudem ist aufgrund des Momentcharakters der Studie zu bedenken, dass die Bewegungsaktivität jahreszeitlich bedingte Variationen aufweisen kann. Die Fokussierung der 5. Primarstufe ist damit zu begründen, dass dieses Lebensalter eine wichtige biografische Übergangsphase im Laufe der Schul- und Sportkarriere darstellt; anderseits sprachen methodische Erwägungen für diese stufenbezogene Eingrenzung.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass trotz der hohen Partizipation im Freizeitsport ein Teil der untersuchten Kinder das geforderte Mindestpensum an täglicher Bewegung nicht erreicht. Bisherige kantonale und lokale Anstrengungen zur Bewegungsförderung sind deshalb weiterzuführen, wobei neben der Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Schaffung von bewegungsfreundlichen Strukturen vor allem die Optimierungsmöglichkeiten im schulischen Setting (www.schulebewegt.ch; http://www.bfschule.ch) noch lange nicht ausgeschöpft sind. Für eine weiterführende Analyse und Abschätzung von Entwicklungstrends wäre zudem die Initiierung eines überregionalen Monitorings und eine Erfassung weiterer Schulstufen (Sek. 1) wünschenswert.

Danksagung

Wir danken allen involvierten Lehrpersonen und Klassen für ihre engagierte Mitarbeit sowie den zuständigen kantonalen Schulbehörden mit ihren Vorstehern Urs Bucher (Amt für Volkschulen und Sport, SZ) und Beat Spitzer (Amt für Volksschulen, UR) für die Unterstützung des Forschungsprojektes.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dr. Jürgen Kühnis
Pädagogische Hochschule Schwyz
Zaystrasse 42
6410 Goldau
juergen.kuehnis@phsz.ch

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