SEMS-journal

Der Master of Science in Sportmedizin – Ein Einstieg in Wissenschaft und Praxis der Betreuung von ­Breiten- und LeistungssportlerInnen

Nehrer Stefan, Fischer Christiane
Department für Gesundheitswissenschaften, Medizin und Forschung, Donau-Universität Krems, Dr. Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, Österreich

Abstract

Sport medicine is not offered as a separate specialist medical training in the German-speaking countries, and for this reason Danube University Krems has aimed to establish an innovative, interdisciplinary master’s program. The goal is to offer physicians a practice-oriented continuing education that covers a broad spectrum. The basis of the master education is the scientific discussion of problems in sports medicine, therefore, it should promote critical analysis of sports medical knowledge and innovative research approaches. The 5-semester program begins with evidence-based medicine and scientific theory, as well as communication, and then moves into specific sports medicine problems in different anatomical regions, in different sports, and in specific groups of athletes. Finally, a master’s thesis has to be written in order to apply what has been learned, it also can be provided as a publication. Thus, our graduates are able to implement sports medicine care in different performance classes and in health sports.

Zusammenfassung

Die Sportmedizin ist ein interdisziplinäres Fach von Orthopädie/Traumatologie und Leistungsphysiologie und internistischer Medizin. Da die Sportmedizin im deutschsprachigen Raum nicht als eigene Facharztausbildung definiert ist, erschien es sinnvoll, einen post-gradualen Masterlehrgang mit diesem Thema zu etablieren. Ziel ist es, MedizinerInnen eine breite praxisorientierte Weiterbildung zu bieten, die diesen breiten Bogen spannt. Die Basis der Masterausbildung stellt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Problemstellungen der Sportmedizin dar und soll kritische Analyse sportmedizinischen Wissens und innovative Forschungs­ansätze fördern. Die 5-semestrige Ausbildung beginnt mit Evidenzbasierter Medizin und Wissenschaftstheorie sowie Kommunikation und geht dann in spezielle sportmedizinische Problemstellungen in verschiedenen anatomischen Regionen, bei verschiedenen Sportarten sowie speziellen sporttreibenden Personengruppen über. Abschliessend wird eine Masterthese verfasst, um das Erlernte in einer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit umzusetzen. Dadurch sind unsere AbsolventInnen in der Lage, sportmedizinische Betreuung in verschiedenen Leistungsklassen und im Gesundheitssport umzusetzen.

Einleitung

Die Sportorthopädie und die Sporttraumatologie wurden in den letzten Jahren zunehmend als eigene Disziplin der jeweiligen Disziplinen etabliert. In diesen Fächern gibt es schon seit vielen Jahrzehnten gemeinsame Schnittpunkte in der Sportmedizin, welche auch in der Gründung von Gesellschaften, wie der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS), ihren Ausdruck gefunden hat. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich die GOTS mit dem Bewegungssystem im Sport; einerseits im Sinne der Prävention von Sportverletzungen und Weiterentwicklung der operativen und konservativen Therapien, andererseits aber auch in der Rehabilitation mit der Rückkehr in den Sport. Das Feld erstreckt sich einerseits vom Spitzensport mit der Betreuung von Leistungsathleten und bis hin zum Breitensport, der teilweise sehr leistungsorientiert ist und als Gesundheits- und Lifetime-Sport betrieben wird. Dies stellt das gesamte Spek­trum der Sportmedizin dar, vom Jugendlichen bis zum Seniorensportler, was jeweils eine spezifische Betrachtung der sportlichen Belastung in den jeweiligen Altersklassen voraussetzt.
Trotz dieser offensichtlichen Relevanz der Sportmedizin als eigenständiges Fachgebiet hat sich in Europa in nur wenigen Länder eine Facharztausbildung für Sportmedizin etabliert. Offenbar spannt dieses Feld einen zu grossen Bogen vom internistisch-leistungsphysiologisch-pädiatrischen zu orthopädisch-traumatologisch-physikalischen Aspekten, der von einer Institution nicht ausreichend vertieft ausgebildet werden kann. Ausserdem sind sportmedizinische Institute rar geworden und oft nur als Sondereinrichtungen an Universitätskliniken oder in privatmedizinischen Instituten ein­gerichtet, sodass diese Ausbildung nicht flächendecken angeboten werden kann. Die rasante Entwicklung der Sportwissenschaft und auch der Sportphysiotherapie hat hier Teilbereiche der Sportmedizin erfolgreich aufgegriffen, aber die Eingliederung als eigenständige Fachausbildung in den medizinischen Fächern ist ausgeblieben; so finden wir viele Universitätskliniken, die die Sportmedizin gar nicht eigenständig ausweisen und sie in den Spezialdisziplinen bestenfalls mitbetreiben. Das führt zu einem Defizit für alle aktiv in der Sportmedizin und Sportlerbetreuung tätigen Mediziner.
Dieser Hintergrund hat es sinnvoll erscheinen lassen, einen postgradualen Universitätslehrgang zu entwickeln, der sich diesem inter- und transdisziplinären Fach der Sport­medizin widmet, und versucht dem breiten Anspruch des sportmedizinischen Wissens vor allem in der konkreten Betreuung von Sportlern gerecht zu werden.
Die medizinische Facharztausbildung ist durch das permanente Anwachsen an wissenschaftlichen Erkenntnissen, neuen Technologien und Behandlungsmethoden zu einem schwer überschaubaren Gebiet angewachsen. Die Forderung an die Ausbildungsverantwortlichen, neben fachärztlichen Fertigkeiten die grosse Menge an Kenntnissen zu vermitteln, stösst an die Grenzen der Machbarkeit. Daher ist es Ziel dieses Universitätslehrgangs «Sportmedizin», eine strukturierte auf dem Stand der Wissenschaft basierte begleitende Weiterbildung für zukünftige SportmedizinerInnen anzubieten, die zusätzlich durch das Hinführen zu wissenschaftlicher Arbeit gekennzeichnet ist.
Der Universitätslehrgang Sportmedizin beschäftigt sich daher ebenso mit den therapeutischen und rehabilitativen Möglichkeiten von Sport wie mit der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung und Rehabilitation von Sportverletzungen und Sportschäden. Dazu fliesst das sportmedizinische Wissen zahlreicher medizinischer Fachrichtungen und Disziplinen ein.
Die AbsolventInnen des Universitätslehrgangs können

In Kooperation zwischen der Donau-Universität Krems, der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) und der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (ÖGSMP) wurde der interdisziplinäre Masterstudiengang «Sportmedizin, MSc» ent­wickelt und konnte im April 2018 erstmals erfolgreich gestartet werden.
Der Lehrgang Sportmedizin ist modular aufgebaut. Er umfasst insgesamt 770 Unterrichtseinheiten mit 90 ECTS, dabei können Grundlagen Sportmedizin im Ausmass 180 Unterrichtseinheiten, das sind 12 ECTS, (z.B.: ÖAK Diplom, GOTS, LIP…) angerechnet werden. Das derzeitige Curriculum erlaubt eine Spezialisierung in Sportmedizin des Bewegungsapparates mit eher orthopädisch-traumatologischer Ausrichtung oder in internistisch-leistungsphysiologischer Richtung. Im ersten Jahr werden für beide Zweige gemeinsam die Grundlagen der Forschung, Evidenzbasierter Medizin sowie allgemeine Themen wie Kommunikation, Ethik, Doping und der Rechtsrahmen sportmedizinischer Tätigkeit gelehrt. In einem allgemein sportmedizinischen Modul in Leipzig wird die breite Basis der Sportmedizin dargestellt und auch am dortigen Institut praktisch veranschaulicht. Im zweiten Jahr wird jeweils spezifische Sportmedizin nach Gelenkregionen, Sportarten und speziellen Sportlergruppierungen unterrichtet mit Modulen in Basel/Notwill, Luxemburg und Straubing. Im letzten Semester steht dann natürlich das Verfassen der Masterthese – als sozusagen Ergebnis der Ausbildung – im Mittelpunkt; hier werden auch vorbereitende Seminare zur Erarbeitung des Themas und der Organisation und Administration von Projekten angesprochen. Die wissenschaftliche Ausbildung in einem curricularen Bildungsprozess und die Entwicklung von kritischer Analyse und Diskussionsfähigkeit stellt einen wichtigen Aspekt der Ausbildung dar und unterscheidet sie prinzipiell von einem Kurs für bestimmte Techniken oder von Kongressvorträgen.
Von besonderem Interesse für die Studierenden sind die hochrangigen Vortragenden und die verschiedenen Veranstaltungsorte. So finden Präsenzveranstaltungen in Basel, Leipzig, Luxemburg, Notwil, Salzburg und Straubing statt. An allen Standorten stehen den Studierenden (pro Gruppe maximal 24) ausgewiesene Spezialisten für wissenschaftliche Vorträge und regen Austausch zur Verfügung. Jede Präsenzveranstaltung hat auch praktische Sport-Anteile, vom Turmspringen bis Handball oder Behindertensport­arten. Leider konnten im laufenden Lehrgang diese Veranstaltungen aufgrund der Einschränkungen durch die ­COVID-Pandemie nicht in Präsenz durchgeführt werden. Dank der Flexibilität unserer Lektoren und Studierenden ist es unserem engagierten Team an der Donau-Universität Krems gelungen, den Studienbetrieb rasch auf Online-Formate umzustellen. Sobald möglich werden wir aber wieder auf Präsenzmodule umsteigen, da der praktische und soziale Aspekt der Ausbildung zu kurz kommt, aber die Sicherheit und Gesundheit hat natürlich immer Vorrang.
Der Ablauf des Masterlehrganges ist in den folgenden Abbildungen exemplarisch dargestellt, es werden dabei die parallellaufenden Stränge des Studiums durchgehend dargestellt, daher für detaillierte Informationen bitte unter (https://www.donau-uni.ac.at/de/studium/sportmedizin.html) informieren (Abb. 1).

Abb. 1: Ablauf des Masterlehrganges Sportmedizin

Bisher haben 44 StudentInnen diesen Lehrgang belegt, sechs StudentInnen konnten bereits erfolgreich abschliessen.
Themen der Master-Thesis waren z.B.:

Aktuelle Meinungen der Studierenden und AbsolventInnen bestätigen, dass die Donau-Universität mit diesem Angebot den Bedarf richtig eingeschätzt hat.

Dr. Med. Nadja Jiresch:
«Super spannend war, die Koryphäen der Sportmedizin im deutschsprachigen Raum als Lehrer zu haben. Da weiss man, die wissen, wovon sie reden. Gleichzeitig hatten wir immer wieder Kontakt mit Sportlern aus diversen verrückten Bereichen und auch diese Gespräche waren sehr horizont­erweiternd. Wir sind viel herumgekommen, haben viele beeindruckende Zentren kennengelernt und viel gelernt.»

Abb. 2: Veranstaltungsort in Luxemburg

Priv.-Doz. Dr. med. Lukas L. Negrin, MSc MSc PhD:
«Mein Credo ist, dass ich lebenslang lernen und mich ständig weiterbilden muss, um sowohl meine PatientInnen in Klinik und Ordination als auch die von mir betreuten LeistungssportlerInnen im Skisport und im Taekwondo bestmöglich zu versorgen. Obwohl mir bewusst war, dass mir im interdisziplinären Masterstudium ‹Sportmedizin› auch eine Vielzahl an bereits Bekanntem gelehrt werden würde, habe ich nicht gezögert, mich für den ersten Lehrgang einzuschreiben, und ich habe es definitiv nicht bereut. Ich kann bestätigen, dass die abwechslungsreichen Module mit theoretischen und praktischen Inhalten aus verschiedenen Fachdisziplinen und über mehrere Sportarten hinweg State- of-the-Art-Sportmedizin vermitteln. Daher kann ich dieses Masterstudium sowohl für aspirierende Sportmediziner als Einstieg in die Betreuung von Hobby- und LeistungssportlerInnen als auch für arrivierte medizinische BetreuerInnen mit dem Wunsch, sich weiterzubilden, nur empfehlen.»

Dr. med. Christoph Lutter:
«Der Studiengang gestaltet sich absolut kurzweilig, liefert ein weites Spektrum sportmedizinischer Ausbildungsinhalte und bietet den Studierenden dabei durchweg renommierte Referenten und Kursleiter. Absolut empfehlenswert!»

Abb. 3: Sportmedizin 1 vor dem Paraplegiker-Zentrum Nottwil

Wie die Zitate exemplarisch zeigen, konnte der Masterlehrgang Sportmedizin bei vielen TeilnehmerInnen einen positiven Eindruck hinterlassen. Und bei einigen war es auch der Aufbruch in eine neue Berufsausrichtung, die sportmedizinischen Träume zu verwirklichen, die Ausbildung und Vorbereitung dafür war auf jeden Fall gegeben. Zum Abschluss ein Statement eines der Organisatoren des Schweizer Moduls.

Priv.-Doz. Dr. med. Jochen Paul:
«Der Master of Science in Sportmedizin schliesst die Lücke zwischen einem theoretischen Hochschulstudium und einer praktischen Ausbildung. Die Studenten werden von den hochklassigen Referenten sowohl praktisch als auch theoretisch auf dem gesamten Gebiet der Sportmedizin ausgebildet. Weder in Deutschland noch in Österreich oder in der Schweiz gibt es aktuell eine medizinische Facharztausbildung auf diesem Gebiet, obwohl die Anzahl der nötigen ärztlichen Versorgung im Sport- und Freizeitbereich stetig wächst.Durch die Themenschwerpunkte der einzelnen Lehrgänge können gezielt die einmaligen Institutionen vor Ort eingebunden werden, bspw. das Schweizer Paraplegiger- Zentrum in Nottwil. Hier findet die Ausbildung durch die Experten auf diesem Gebiet direkt vor Ort im Kompetenzzentrum statt. Ich freue mich persönlich, in diesem einmaligen universitären Ausbildungslehrgang tätig sein zu dürfen und würde mich freuen, Sie in Basel zur Ausbildung begrüssen zu dürfen.»

Corresponding author

Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer
Donau-Universität Krems
Dr. Karl-Dorrek-Straße 30
3500 Krems
AUSTRIA
Tel. 0043 2732/893-2600
E-Mail: stefan.nehrer@donau-uni.ac.at

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