SEMS-journal

The burden of muscle injuries in youth football

Die Bedeutung von Muskelverletzungen im Nachwuchs-Fussball

Fromm L1, Meyer P2 , Tscholl P3, Leumann A1,4
1 Medizinische Fakultät Universität Basel, Basel
2 Orthoklinik Dornach, Dornach
3 Service de chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil locomoteur, Unité d’orthopédie et de traumatologie du sport, Swiss Olympic Medical Center – Cressy Santé, Hôpitaux Universitaires Genève, Genève
4 OrthoPraxis Leumann, Basel

Abstract

Background: Muscle injuries affect up to 72% of professional soccer players within one season and there are well reviewed, but muscle injuries in youth soccer players are not widely documented. The aim of this study was to investigate incidence, localization, pathomechanism and point of time of indirect muscle injuries in youth soccer players.
Methods: Prospective cohort study. 5 teams (U15, U16, U17, U18 and U21) with 110 young male football players (age 16,8 (14,3–21) years, height 174,5 (146,1–190,0) cm, weight 65,7 (35,5–84,6) kg) were monitored for 12 months. Every muscle injury was documented and monitored on a standardized evaluation score.
Results: In total, 53 muscle injuries were registered. On average, a player sustained 0,4 muscle injuries per season. There was only one re-injury (2%). The injury rate was 1,5 injuries per 1000h match- or /training hours, the match injury rate (6,9) being 7,7 times higher than the training injury rate (0,9). Sixty-nine percent were functional muscle injuries. Thirty-seven percent of all muscle injuries affected the hamstrings group and twenty-eight percent the adductors. The most common pathomechanism was overload (28%). Most of the injuries were recorded during the last 15 minutes of a game or a training (39,6%).
Conclusion: Muscle injuries are a substantial problem for players and clubs, also in young male football players. This study confirmed previous results showing that the injury rate during games is higher than during trainings and that hamstrings injuries are the most common muscle injuries in soccer. However, a prolonged study period is recommended to gain better statistical values.

Keywords:
muscle, muscle-injury, hamstrings, soccer, youth, incidence

Zusammenfassung

Einleitung: Muskelverletzungen betreffen bis zu 72% aller professionellen Fussballspieler innerhalb einer Saison und sie sind gut untersucht, im Nachwuchsfussball sind sie allerdings noch wenig analysiert worden. Das Ziel dieser Studie war, in jungen Fussballspielern indirekte Muskelverletzungen zu untersuchen hinsichtlich Inzidenz, anatomischer Lokalisation, Pathomechanismen und Zeitpunkt der Verletzung.
Methodik: Prospektive Kohortenstudie. 5 Teams (U15, U16, U17, U18 und U21) mit 110 jugendlichen, männlichen Fussballspielern (Alter 16,8 (14,3–21) Jahre, Grösse 174,5 (146,1–190,0) cm, Gewicht 65,7 (35,5–84,6) kg) wurden während 12 Monaten beobachtet. Jede Muskelverletzung wurde auf einem standardisierten Protokoll dokumentiert und überwacht.
Resultate: Total sind 53 Muskelverletzungen aufgetreten. Durchschnittlich erlitt ein Spieler 0,4 Muskelverletzungen pro Saison. Rezidivverletzung gab es eine (2%). Pro 1000/h Spiel-/Trainingsstunden sind 1,5 Verletzungen aufgetreten, das Risiko während dem Spiel war dabei 7,7x höher als während dem Training. 69% der Verletzungen waren nicht-strukturelle Muskelverletzungen. 38% aller Verletzungen betraffen die Ischiocrurale Muskulatur und 28% die Adduktoren. Der häufigste Pathomechanismus war die Überlastung (28%). Die Verletzungen traten vermehrt während den letzten 15 Minuten eines Spiels oder Trainings auf (39,6%).
Diskussion: Auch im Nachwuchsfussball sind Muskelverletzungen ein erhebliches Problem für Spieler und Clubs. Diese Studie bestätigt bisherige Studien im Erwachsenenfussball, welche zeigten, dass das Risiko für Muskelverletzungen während einem Spiel deutlich höher ist als während dem Training, und dass die Hamstringsmuskulatur am häufigsten betroffen ist.

Schlüsselwörter:
Muskel, Muskelverletzung, Hamstrings, Fussball, Nachwuchs, Inzidenz

Einleitung

Indirekte Muskelverletzungen sind Verletzungen, welche ohne äussere Krafteinwirkung entstanden sind. Sie sind im Fussball sehr häufig [1,2,15,17] und können, insbesondere bei inadäquater Behandlung, zu langen Rehabilitationszeiten oder Rezidiv­verletzungen führen [7,24]. Aufgrund der Bedeutung von indirekten Muskelverletzungen sind diese im Profifussball sehr gut untersucht und dokumentiert. Durchschnittlich sind 72% aller Spieler pro Saison betroffen [1]. Auch bei jugendlichen Fussballspielern sind Muskelverletzungen mit 46%–53% aller Verletzungen die häufigste Verletzungsursache [4,5]. Es scheint naheliegend, dass Muskelverletzungen den Erfolg einer Mannschaft während der Saison oder auch die Karriereentwicklung einzelner Spieler massgeblich beeinflussen. Bei Nachwuchsspielern können solche Verletzungen entscheidend für den weiteren Karriereverlauf sein, im falschen Moment zu einem Karriereknick führen oder diese sogar beenden [6].
92% aller indirekten Muskelverletzungen betreffen im Fussball die Oberschenkelmuskulatur, die Hüft-Leisten-Gegend und die Wadenmuskulatur [1]. Davon ist die ischiocrurale Muskelgruppe (Hamstrings) am meisten betroffen [1,11,12, 19]. Die Verletzungshäufigkeit für Muskelverletzungen ist während den Spielen 6-mal höher als während des Trainings.[3] Während die Verletzungshäufigkeit der ischiocruralen Muskulatur während den Spielen stabil bleibt, ist sie während den Trainings in den vergangenen Jahren um 4% pro Jahr sogar gestiegen.[8] Ekstrand et al.[1] zeigte eine Altersabhängigkeit der Inzidenz, indem sie von <22-Jährigen bei Wettkampfspielen von 6,3/1000h auf 9,5/1000h bei >30-Jährigen zunimmt. Das bedeutet, dass sich in jedem dritten Spiel eine Muskelverletzung ereignet.
Bereits im Profifussball ist die Rezidivrate mit 16% innerhalb von 2 Monaten nach Wiederaufnahme des Spielbetriebes sehr hoch.[1] Im Nachwuchsfussball liegt diese mit 38% noch deutlich höher.[18]
Die Epidemiologie von Muskelverletzungen im Nachwuchsbereich sind jedoch insgesamt noch wenig analysiert worden. Dies stellt jedoch die Grundlage dar, um im Nachwuchsbereich eine spätere «Verletzungskarriere» präventiv verhindern zu können.
Die vorliegende Studie hatte deshalb zum Ziel, in einer Nachwuchsabteilung eines Schweizer Fussballclubs indirekte Muskelverletzungen zu untersuchen hinsichtlich Inzidenz, anatomischer Lokalisation, Pathomechanismen und Zeitpunkt der Verletzung.

Tab. 1: Studienpopulation. Anthropometrische Daten und Trainingsaufwand der eingeschlossenen Mannschaften.

Material und Methodik

In der vorliegenden, prospektiven Kohortenstudie wurden bei 5 männlichen Fussball-Teams, jeweils eines jeder ­Alterskategorie (U21, U18, U17, U16 und U15), während einer ganzen Saison inklusive Vorbereitung (August 2016 bis Juli 2017) alle Muskelverletzungen systematisch erfasst und ausgewertet. Dabei wurden insgesamt 110 Spieler in die Studie eingeschlossen (siehe Tab. 1). Die Studie wurde nach der aktuellen Deklaration von Helsinki zu ethischen ­Grundsätzen für medizinische Forschung am Menschen durchgeführt und von der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz bewilligt (ID: 2016-01138). Alle Spieler (sowie deren Erziehungsberechtigte) gaben ihr schriftliches Einverständnis.

Ein- und Ausschlusskriterien
In die Studie eingeschlossen wurden alle indirekten Muskelverletzungen, welche ohne Kontakt eines Mit- oder ­Gegenspielers entstanden sind und dazu führten, dass die Spieler nicht mehr uneingeschränkt am Training oder Spiel teilnehmen konnten. Dazu zählen funktionelle Muskel­verletzungen, strukturelle Verletzungen, Teil- und Total­rupturen, und Avulsionsverletzungen. Dabei wurden nur Muskelverletzungen an der unteren Extremität inklusive der Hüft-LeistenGegend eingeschlossen. Die Symptomatik musste akut während oder direkt im Anschluss an das Training oder Spiel aufgetreten sein.
Ausgeschlossen wurden in der Studie insbesondere alle Verletzungen, welche durch einen direkten Kontakt entstanden sind. Dazu gehören direkte Muskelverletzungen, Kontusionen, Prellungen und Hämatome, sowie Sehnenrupturen, ossäre Avulsionsverletzungen oder chronische Tendopathien. Unvollständig dokumentierte oder unklare Diagnosen wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Das war in n=5 Fälle notwendig (8,6%).
Als Rezidivverletzung wurde definiert, wenn innerhalb von 2 Monaten nach Erreichen der vollen Spielfähigkeit eine erneute Verletzung in derselben Muskelgruppe auftrat [9].
Die Diagnostik wurde durch den betreuenden Physiotherapeuten und den Teamarzt durchgeführt. Sie erfolgte klinisch und gegebenfalls mittels Bildgebung (MRI). Die Verletzungen wurden nach der Klassifikation von Müller-Wohlfahrt et al.[9] (Tab. 2) eingeteilt und mittels eines Verletzungsdokumentationsbogens basierend auf der Checklist for epidemiological studies of football injuries the UEFA model [10] eingeteilt.

Tab. 2: Einteilung nach Schweregrad nach Müller-Wohlfahrt et al.[9]. Während Grad I und II funktionelle Verletzungen darstellen, handelt es sich bei Grad III und IV um strukturelle Verletzungen.


Statistik
Es erfolgte eine deskriptive Auswertung mit Microsoft Excel 2016 ®, Redmond (WA, USA).

Resultate

Inzidenz
Im Untersuchungszeitraum von 12 Monaten haben sich 44 Spieler 53 Muskelverletzungen zugezogen, davon war eine Verletzung ein Rezidiv (1,9%). Das Risiko, eine oder mehrere Muskelverletzungen zu erleiden, betrug damit pro Spieler 40% pro Saison. Die meisten Verletzungen traten in der U21 Mannschaft auf N=15 (29%, Abb. 1a), jedoch zeigte die U15 die grösste relative Häufigkeit (0,67, Abb. 1b).
Die Gesamtverletzungsinzidenz betrug 1,5 Verletzungen/
1000h Fussball. Die Verletzungsinzidenz beim Training lag bei 0,9/1000h und war bei Spielen 6,9/1000h 7,7 mal höher. Insgesamt ereigneten sich 29 (55%) der Verletzungen während des Trainings und 24 (45%) während eines Spiels.
Die Einteilung der Verletzungen nach Verletzungstypus ist in Abb. 2 ersichtlich. Nicht strukturelle Verletzungen (Grad I und II) betrafen 69%. Komplette Muskelrisse (Grad IV) nur 6 %. Während des Trainings traten 71,5% Grad I und II (n=20) und 28,5% Grad III und IV (n=8) Verletzungen auf. Während des Spiels traten 68% Grad I und II (n=17) und 32% Grad III und IV (n=8) Verletzungen auf.

Abb. 1a: Anzahl Verletzungen pro Mannschaft (absolute Verteilung). Am meisten Verletzungen ereigneten sich in der U21.
Abb. 1b: Verletzungsrisiko im Verhältnis der Anzahl Spieler pro Mannschaft pro Saison (relatives Risiko). Das Risiko für einen einzelnen Spieler, eine indirekte Muskelverletzung innerhalb von 12 Monaten zu erleiden, war mit 67% für die U15 am höchsten und mit 23% für die U18 am tiefsten.
Abb. 2: Einteilung der Verletzungen nach Verletzungstypus nach Müller-Wohlfahrt [9]. Mit 69% waren funktionelle Muskelzerrungen am häufigsten.


Anatomische Lokalisation
Die Auswertung der anatomischen Lokalisation hat aufgezeigt, dass die Hamstringsmuskulatur am häufigsten betroffen war (38%). Der M. biceps femoris war mit 28% aller Verletzungen meistbetroffener Muskel überhaupt. Die zweithäufigste Muskelgruppe waren die Adduktoren mit 28% (Abb. 3).


Pathomechanismus
Der häufigste Verletzungsmechanismus respektive Verletzungsursache stellt mit 28% die Überlastung dar, während der Sprint mit 17% am zweithäufigsten vertreten war (Tab. 3). Wenn man nur die beiden häufigsten Verletzungslokalisationen (Hamstrings und Adduktoren) betrachtet, zeigt sich, dass eine Überlastung als Ursache insbesondere bei den Hamstrings häufig ist, während bei den Adduktoren gehäuft Sprint und Ausfallschritt gefunden werden (Abb. 4). Überlastungsverletzungen waren zu 53% funktionelle Grad I oder II Verletzungen.

Tab. 3: Pathomechanismen. Die Häufigkeiten sind aufgeteilt nach der Verteilung gesamt und der Verteilung innerhalb der strukturellen Verletzungen.


Verletzungszeitpunkt
Die meisten Verletzungen ereigneten sich zwischen der 75. und 90. Spiel- resp. Trainingsminute (39,6%). Eine weitere relative Häufigkeit (20,5%) zeigte sich zwischen der 15. und 30. Minute. Die genaue Verteilung ist in Abb. 5 zu sehen. Im Saisonverlauf zeigte der Herbst eine deutliche Häufung an Verletzungen. Die Herbstmonate (September bis November) sind zusammen für 48% der Verletzungen verantwortlich (Abb. 6).

Abb. 3: Betroffene Muskelgruppen und deren Häufigkeit.

 

Abb. 4: Pathomechanismen aufgeteilt nach den beiden häufigsten Verletzungslokalisationen.

 

Abb. 5: Verteilung auf die Fussballzeit. Verletzungshäufigkeit aufgeteilt nach Spielviertelstunde.

 

Abb. 6: Anzahl Verletzungen pro Monat. Im Monat Juli und Januar herrschte eine stark reduzierte Trainingsbelastung aufgrund der Saisonpause.

Diskussion

Ziel der Studie war es, die Inzidenz sowie Pathomechanismen von indirekten Muskelverletzungen im Nachwuchs-Leistungsfussball aufzuzeigen. Das Verletzungsrisiko für eine Muskelverletzung beträgt 40% pro Spieler pro Saison, dies entspricht 0,9 Verletzungen/1000 Trainingsstunden und 6,9 Verletzungen/1000 Spielstunden. Am häufigsten betroffen war die Hamstringsgruppe mit 38% gefolgt von den Adduktoren mit 28%. 48% der Verletzungen ereigneten sich in den Monaten September bis November.
Das Risiko, eine indirekte Muskelverletzung zu erleiden (40%), war in der vorliegenden Studie vergleichbar zu bekannten Daten für Nachwuchsfussball [4,5]. Diese Rate ist zwar tiefer als im Profifussball (72% [1]), ist aber dennoch sehr hoch. In der Altersverteilung waren die jüngste und die älteste Alterskategorie (U15 und U21) am häufigsten von Muskelverletzungen betroffen. Hierzu gibt es bislang in der Literatur keine vergleichbaren Daten. Die Autoren vermuten als Ursache dieser Resultate unterschiedliche Phänomene. Bei der U21 ist das Trainings- und Spielvolumen wie auch der Leistungsdruck weitaus am höchsten. Die Spieler sind bereit, höhere Risiken einzugehen, um einen erfolgreichen Sprung in die Profikarriere zu schaffen. Im Gegensatz dazu könnte in der U15 das Wachstum die Anfälligkeit für muskuläre Probleme erhöhen. Aufgrund des pubertären Wachstumsschubs kommt es zu einer Dysbalance von Muskellänge und Muskelkraft.
Das Risiko, während eines Spiels eine Verletzung zu erleiden im Gegensatz zum Training, ist 7,7-fach erhöht. Auch im Profifussball ist dieses Risiko um Faktor 6 erhöht [1]. Dieses Phänomen ist bekannt und findet sich sozusagen in allen Sportarten. Einerseits ist während eines Spiels die Belastungsintensität deutlich höher, andererseits lassen sich die Spieler nicht schon bei ersten Anzeichen für eine muskuläre Problematik auswechseln.
Die Verletzungen, welche während des Trainings aufgetreten sind, waren zu 71,5% funktionelle Verletzungen (Grad I und II) und sind damit prozentual sehr ähnlich wie während den Spielen (68%).
Über den Untersuchungszeitraum von 12 Monaten fand sich nur eine einzige Rezidivverletzung (2%). Damit ist das Rezidivrisiko deutlich tiefer als im Profifussball (16%) [2], wie auch im Vergleich mit einer Studie aus England aus dem Nachwuchsfussball (38%).[18]
Von den Muskelgruppen sind die Hamstrings (38%) und die Adduktoren (27%) am häufigsten betroffen. Diese Werte sind vergleichbar mit den Werten aus dem Profifussball (Hamstrings 37%, Adduktoren 23%). [1] Dies könnte daran liegen, dass die ischiocrurale Muskulatur zweigelenkig angelegt ist und einen hohen Anteil an schnell zuckenden Typ-II-(fast-twitch-)-Muskelfasern hat. [22,23]
Die Überlastung stellte mit 28% die häufigste Ursache für Verletzungen dar. Mögliche Gründe für Überlastungen sind beispielsweise ungenügende physische Verfassung aufgrund vorangegangener Krankheit/Verletzung, Vereinswechsel, individuelle Trainings respektive Belastungen ausserhalb des offiziellen Trainingsbetriebs, oder auch wenn sich Spieler mit beginnenden Überlastungen nicht rechtzeitig bei der medizinischen Abteilung vorstellen. Diese Vielfältigkeit macht es äussert schwierig, die Gründe genau zu eruieren. Sicherlich ist die Ermüdung ein Risikofaktor für eine Muskelverletzung. Järvinen et al. konnte zeigen, dass das Risiko für Muskelverletzungen signifikant tiefer war, wenn zwischen den einzelnen Spielen mindestens 6 Tage Spielpause war [7]. Eine weiterführende Analyse könnte dahin zielen, Ermüdungsanzeichen frühzeitig zu erkennen und vor dem Auftreten einer Verletzung präventiv angehen zu können.
Die zweitmeisten Verletzungen sind während eines Sprints entstanden. Dass dabei die Hamstringsmuskulatur am häufigsten betroffen ist, entspricht den Erwartungen an die Belastung während eines Sprints aus anderen Studien [26]. Abgesehen von Überlastungen ereigneten sich die Verletzungen bei Fussball-typischen, explosiven Bewegungen.
Der Schuss als Pathomechanismus stellte prozentual mit 50% aller Schussverletzungen das grösste Risiko für eine strukturelle Verletzung dar (Grad III und IV).
Knapp 40% der Verletzungen sind während den letzten 15 Minuten eines Spieles oder einer Trainingseinheit aufgetreten. Das lässt darauf schliessen, dass die Ermüdung einen grossen Einfluss auf muskuläre Verletzungen hat. Ähnliche Resultate zeigte die Studie von Pragrozio et al. während der Copa America von 2015. [13] Die Verteilung über eine ganze Saison hat gezeigt, dass die Verletzungen in den Herbstmonaten September bis November am häufigsten auftreten. Eine Studie aus Italien (Serie A) zeigte ähnliche Resultate, auch da war die Verletzungsinzidenz zwischen August und Oktober höher als im restlichen Jahr [4]. Verschiedene Faktoren könnten diesen Befund erklären. Während dieser Phase finden besonders viele Spiele statt. Da die Sommerpause sehr kurz ist, akkumuliert sich bis in den Herbst das Trainings- und Spielvolumen und könnte zusätzlich zu einer gesamthaften Ermüdung beitragen. Zudem erfolgt die Umstellung von Natur- auf Kunstrasen. Und die Temperaturen sinken.

Konklusion

Indirekte Muskelverletzungen haben im Nachwuchsbereich des Spitzenfussballs eine grosse Bedeutung. Daher sollten vermehrt präventive Massnahmen ergriffen werden. Die Resultate dieser Studie können dafür als Basis für weitere Untersuchungen verwendet werden.
Einerseits zeigte die Studie, dass die lokale muskuläre Ermüdung ein häufiger Pathomechanismus für eine indirekte Muskelverletzung ist. Andererseits ereigneten sich die meisten Verletzungen in den Fussball-intensivsten Monaten im Herbst. Betroffen davon waren in erster Linie die ischiocrurale Muskelgruppe. Die Grundlage zur Verletzungsprävention müsste darum in den weniger intensiven Monaten (Sommer und Winter) gelegt werden. Als effektives Training hat sich dabei ein funktionelles oder exzentrisches Training gezeigt (z.B. Fifa 11+, Nordic Hamstring). [14,25]
Da knapp 40% der Verletzungen in den letzten 15 Minuten eines Spieles oder Trainings entstanden sind, stellt sich die Frage, ob in Zukunft bei beginnenden Beschwerden oder Anzeichen für eine Muskelverletzung vermehrt Rücksicht genommen werden müsste. Dafür braucht es sicherlich eine bessere Sensibilität seitens der Spieler sowie auch von den Trainern und Betreuern. Auf der anderen Seite könnte man sich überlegen, ob es möglich wäre, mittels Trainingssteuerung die Belastbarkeit zu steigern, um keinen Abfall der Belastbarkeit in den letzten 15 Minuten zu erleiden. Hier stellt sich insbesondere die Frage, wie man eine lokale muskuläre Ermüdung messen könnte. Eine solche Messmethode müsste nicht-invasiv und on-field anwendbar sein.

Danksagung und Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Der medizinischen Abteilung der Nachwuchsabteilung wird für die Unterstützung bei der Datenerhebung gedankt.

Praktische Relevanz

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Dr. phil. André Leumann
OrthoPraxis Leumann
Claragraben 78
4058 Basel
E-Mail: info@orthopraxisleumann.ch
Tel. +41 61 692 69 00
Fax +41 61 683 92 92


Referenzen

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